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Rechtseinrichtungen zur Geltung gelangt waren,
nach den Grundsätzen des älteren deutschen Rechts
über die Vererbung der Immobilien. So wurde
denn in diesen Fällen der Vorzug der erbberech-
tigten Männer vor den Personen weiblichen Ge-
schlechts anerkannt, während die gleich nahen
Erben des männlichen das Erbe unter sich zu
gleichen Anteilen teilten. Anders verhielt es sich
in den zu Lehen gegebenen Ländern, insbesondere
in denjenigen des römisch-deutschen Kaiserreichs.
Trug doch die Herrscherwürde in solchen Gebieten
ursprünglich den Amtscharakter an sich. Im deut-
schen Reich waren dennoch die Kaiser bestrebt, die
Erblichkeit und die Teilbarkeit zu verhindern. Im
13. Jahrh. mußte aber dieser Widerstand auf-
gegeben werden; von da ab wurden also auch die
Reichslehen erblich und teilbar, nachdem die Erblich-
keit der übrigen Lehen bereits im 11. Jahrh. von
Konrad II. anerkannt worden. Die Teilungen
der Länder führten naturgemäß zur Zersplitterung
der Gebiete und zur Schwächung der Macht der
Fürstenhäuser; dagegen mußte sich eine Reaktion
erheben. So findet sich denn im deutschen Reich
bereits in der Goldenen Bulle Kaiser Karls IV.
vom Jahr 1356 eine Verfügung, wodurch hin-
sichtlich der Kurfürstentümer die Unteilbarkeit
sowohl der Herrschaft über die betreffenden Länder
als der Kurstimme eingeführt wurde. Betreffs
beider ward ferner verordnet, daß sie nach der
Erstgeburtordnung vererbt werden sollten. Es
wurde also festgesetzt, daß zunächst der erstgeborne
Sohn des Erblassers und in Ermanglung eines
solchen der aus der vera paternali linea descen-
dentis abstammende, beim Nichtvorhandensein
eines solchen der älteste Sohn desselben usw. zur
Nachfolge in die Kurwürde und in die Kurländer
berufen werde. Bald fanden sich auch andere
Fürstenhäuser zu analogen Schritten veranlaßt,
und so gab sich denn im 14. und noch stärker im
15. und 16. Jahrh. bei vielen reichsständischen
Geschlechtern des deutschen Reichs das Bestreben
kund, ihre Gebiete bezüglich der Vererbung der-
selben zu vereinigen. Dieselben veranlaßten daher
ihre Mitglieder zum Abschluß von Familienver-
trägen, welche die ungeteilte Vererbung des Ge-
biets ihrer unter Umständen sehr zerstückelten Be-
sitzungen an Ländern, Burgen, Ortschaften usw.
sicherten. Solche Vereinbarungen wurden immer
mehr die Regel und führten dazu, daß endlich die
Verteilung der Herrschaft über die Gebiete eines
regierenden Hauses unter verschiedene Glieder des-
selben als etwas mit dem Rechtsbewußtsein durch-
aus Unvereinbares erschien und gänzlich abkam,
wie das auch in sämtlichen europäischen Mon-
archien zur Regel geworden ist. So ist denn die
Teilung der Länder eines Herrscherhauses als
Folge des Erbgangs hier nicht weiter in Betracht
zu ziehen.
In allen monarchischen Staaten Europas be-
ruht die Thronfolge in der Jetztzeit auf dem Recht
der Blutsverwandtschaft; sie besitzt den Grund-
Thronfolge.
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charakter, welcher der adligen Stammguts-Lehen-
und Fideikommißfolge eigentümlich ist. Sie ist
ihrem Charakter nach nicht im Sinn des römischen
Rechts eine Fortsetzung der Rechtspersönlichkeit
des verstorbenen Monarchen, sondern kennzeichnet
sich als eine Einzelnachfolge, als ein Ergreifen
des Kronbesitzes zum Behuf der Ausübung eines
eignen Rechts, dessen Gegenstand die Ausübung
der Regierung in dem betreffenden Staat bildet.
Ferner ist hervorzuheben, daß nur Nachkommen
des ersten Erwerbers der monarchischen Würde
zur Thronfolge gelangen können, und daß in den
deutschen regierenden Familien sowie in Osterreich
der Mannsstamm dem Weibsstamm vorgeht,
daß also die sog. Thronfolge nach dem salischen
Gesetz zur Anwendung gelangt, während in ge-
wissen andern Ländern, wie z. B. in Groß-
britannien und Irland und in Spanien, beim
Nichtvorhandensein von Kindern und sonstigen
Nachkommen männlichen Geschlechts des verstor-
benen Monarchen resp. des vor ihm verstorbenen
Thronfolgers, die älteste Deszendentin vor den
männlichen Sprossen der vom ersten Erwerber
abstammenden Seitenlinien den Vorzug hat.
Wie die deutschrechtliche Erbfolge in den Im-
mobiliarbesitz überhaupt, so hat auch das Thron-
folgerecht die beiden Hauptwirkungen, daß es
1. ein Wart= und 2. ein Anfallsrecht (la saisine)
in sich schließt. Das erstere charakterisiert sich als
ein von allen einseitigen Verfügungen des Erb-
lassers unabhängiges Recht der Nachfolge in die
Krone. Es kann demnach keine Enterbung des
Thronfolgeberechtigten im Sinn des römischen
Rechts stattfinden und findet heutzutage auch keine
Anerkennung von Unwürdigkeitsgründen, welche
den Erben kraft Rechts von der Nachfolge in die
Krone ausschließen würden, mehr statt. Im deut-
schen Recht des Mittelalters kamen derartige Aus-
schließungsgründe vor. Die Verfassungen unserer
Zeit enthalten dagegen keine derartigen Ver-
fügungen. Man zieht eben die Möglichkeit, daß
derartiges vorkommen könne, nicht mehr in Be-
tracht. Unter Anfallsrecht versteht man die Be-
rechtigung, von der Regierungsgewalt ohne vor-
hergehende ugnitio bonorum possessionis im
Sinn des romischen Rechts Besitz zu ergreifen.
Diese Gewalt geht ohne weiteres auf den Thron-
erben über, wie das der Rechtssatz: „Der Tote
erbt den Lebenden“ — Le mort saisit le vif, zum
Ausdruck bringt.
Wenn nun aber auch das Nachfolgerecht des
Thronfolgeberechtigten an und für sich vollkommen
sichergestellt ist, so muß derselbe doch gewisse per-
sönliche Eigenschaften aufweisen, wenn er
dasselbe ausüben und in den Besitz der Regierung
gelangen will. Die Goldene Bulle stellte bezüglich
der kurfürstlichen Häuser die solgenden Erforder-
nisse als Bedingungen der Thronfolgesähigkeit auf:
legitime Geburt, körperliche und geistige Eignung
zur Regierung und Nichtzugehörigkeit zum geist-
lichen Stand. Diese Bedingungen wurden, mit