515 Trennung von Kirche und Staat. 516
et la séparation de l'Eglise et do l’Etat en] 2. In der französischen Revolution be-
France à la fin du 18° siècle, in Revue histori- schloß der Nationalkonvent am 18. Sept. 1794,
due CIII 1910] 63 ff; auch in der Schrift für keinen Kult mehr Kosten und Gehalt zu be-
La Révolution et I’Eglise (1910.) Condorcet zahlen. Das Gesetz vom 21. Febr. 1795 verfügte,
(11794) (Sur l’intérét des princes àséparer la daß entsprechend der Deklaration der Menschen-
religion de I’ Etat). Im 19. Jahrh. warben dafür rechte die Ausübung keines Kultus gestört werden
der Theologe Lamennais (De la religion con- dürfe, daß die Republik keinen Kultus unterhalte.
sidérée dans ses rapports avec T’ordre poli- für keine Kirchen und Pfarrhäuser sorge, jedes
tique et civil (11825/261; Des progres.de la öffentliche Zusammenrufen der Gemeinde, jedes
Révolution ei de la guerre contre I’Eglise Glockengeläute und jede öffentliche religiöse Zere-
[1829]; L'Avenir vom 16. Okt. 1830 bis zum monie verbiete, keinen Diener irgend welchen
15. Nov. 1881), der Ordensmann Lacordaire Kultus anerkenne, jedes öffentliche Erscheinen des-
und der Politiker Montalembert (L'Eglise libre selben im Kultuskleide untersage. Sodann wurde
dans I’Etat libre ([1863.). Ebensolche Ideen jede gottesdienstliche Versammlung der Aussicht
vertraten die französischen liberalen Politiker der Behörden unterworfen, die sich aber innerhalb
Benjamin Constant, Alexander Tocqueville, La-der Polizeiaufsicht zu halten hatte. Ferner durften
martine, Laboulaye und Jules Simon. Hierher die Kultorte nicht mit einem öffentlichen Zeichen
gehört auch der reformierte schweizerische Theologe versehen werden. Weiterhin konnten die Gemein-
Alexander Vinet (Némoire en faveur de laden als juristische Persönlichkeiten keine gottes-
liberte des cultes (1826.; Essai sur lamani- bLienstlichen Lokale erwerben oder mieten. Endlich
festation des convictions religieuses et Sur war jede lebenslängliche Dotation zum Unterhalt
la séparation de I’Eglise et de Etat (1842)). des Kultus verboten. Am 30. Mai desselben
In Italien redeten der Trennung von Kirche und Jahrs wurde den Gemeinden der freie Gebrauch
Staat das Wort die Staatsmänner Cavour, von der nicht veräußerten Kirchengebäude, in deren
dem die Devise stammt: Libera chicsa in libero Besitz sie am 22. Sept. 1793 gewesen waren,
stato, und Minghetti (Stato e chiesa 1878]) wieder eingeräumt, und sie konnten dieselben unter
sowie der Bischof Bonomelli von Cremona (La Aufsicht der Behörden sowohl zu den durch das
chiesa, deutsch von V. Holzer ([1903)). In Gesetz vorgeschriebenen Versammlungen als zu
Deutschland traten für die Trennung ein: Kant Zwecken des Kultus benützen. Die Konstitution
(Rechtslehre /1797)). W. Humboldt (Ideen zu vom 22. Aug. 1795 gewährte Religionsfreiheit.
einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Am 29. Sept. 1795 erfolgte ein Gesetz, welches
Staats zu bestimmen 117920, Schleiermacher die verschiedenen Kulte unter die Aufsicht der
(Über die Religion. Reden an die Gebildeten Obrigkeit, aber auch unter ihren Schutz stellte.
unter ihren Verächtern (17991). Aus den Ver= Aber allen Religionsgesellschaften blieb verboten.
tretern des älteren deutschen Liberalismus war in ihrem Namen ein Lokal für den ausschließlichen
nur Robert Blum für sie (Neundörfer, Der Gebrauch des Gottesdienstes zu kaufen oder zu
ältere deutsche Liberaliemus und die Forderung mieten, oder zu Beiträgen zu zwingen, oder im
der Trennung von Staat und Kirche, in Archiv Freien Zeremonien zu feiern. Ein Gesetz endlich
für kathol. Kirchenrecht LXXXIX I1909] 270 ff; vom 28. Dez. 1799 erneuerte den Inhalt des
a. sep.). Dagegen mehren sich die Verteidiger der Gesetzes vom Jahr 1795, wonach jeder Kultus
Trennung von Kirche und Staat im neueren frei war. Dieser Trennung von Kirche und Staat
Liberalismus und namentlich im Sozialismus. machte das Konkordat vom Jahr 1801 ein Ende.
Vgl. zum Ganzen Rothenbücher, Die Trennung Dieses Konkordat aber wurde, nachdem während
von Staat und Kirche (1908) 3 ff. der Zeit der Kommune in Paris 1871 dort vor-
II. Geschichte der Trennung von Kirche und fbergehend Trennung von Kirche und Staat ein-
Staat. 1. Entsprechend den bereits erwähnten getreten war, nach vorausgegangenen schweren
Verhältnissen in Rhode Island und Pennsyl- Zwistigkeiten zwischen Kirche und Staat (ogl.
vanien, aber auch gemäß der religiös gemischten d. Art. Frankreich) durch das Trennungsgesetz
Sachlage in andern Kolonien verfügte die Unions- vom 9. Dez. 1905, welches in der Kammer am
verfassung für die Vereinigten Staaten 3. Juli mit 341 gegen 233 und im Senat am
von Amerika vom 17. Dez. 1787, Art. VI. 6. Dez. mit 181 gegen 102 Stimmen ange-
§3, daß keinerlei Religionsbekenntnis als Vor= nommen worden war, aufgehoben. Zu dem Gesetz
bedingung zur Erlangung eines Staatsamts ge-= selbst kam eine Reihe wichtiger Ausführungs-
fordert werden dürfe. Und Art. 1 des Zusatzes I bestimmungen, so vom 29. Dez. 1905 über das
vom 15. Dez. 1791 bestimmte, daß der Kongreß Verfahren bei der Inventarisierung des Kirchen-
durch kein Gesetz eine Religion zur Staatsreligion guts, vom 19. Jan. 1906 über die Pensionen
erheben oder die freie Religionsübung verhindern und Geldbewilligungen, vom 16. März 1906
dürfe. Damit war der Grundsatz der Gewissens= über die Zuteilung des Kirchenguts, die Kultus-
und Kultusfreiheit und der Ausschluß jeder Staals= vereine und die Kultuspolizei. Aber bei der Ver-
kirche sestgesetzt. Alles übrige aber blieb den ein= wersung des Trennungsgesetzes durch Pius X. in
zelnen Staaten überlassen. der Enzyklika Vehementer Nos“ vom 11. Febr.