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tralstelle österreichischer Alkoholgegnervereine“ (Sitz
Wien); c) „Internationales Bureau zur Bekämp-
fung des Alkoholismus“ mit Abstinenzsekretariat
in Lausanne.
Den starken Einfluß der Bewegung erkennt man
aus der 1910 mit 1000 000 M dotierten Grün-
dung einer „Zentralstelle zur Bekämpfung der
Antialkoholbewegung“.
IV. Als Mittel zur Bekämpfung des Alkoho-
lismus kommen in Betracht:
1. Aufklärung. Sie wird amerfolgreichsten in
der Schule erteilt. Der erste Temperenzunterricht
schon 1830 in Amerika; durch Propaganda der
Miß Hunt (gest. 1906) seit 1882 allmählich in
allen Staaten der Union obligatorisch; 30 bis
10 Stunden durch neun Schuljahre; besonderes
Fach in der Lehrerausbildung; Unterrichtsbücher
der WWCTU(World Women's Christian Tem-
perance Union). Ebenso obligatorisch in Kanada
(seit 1885), Belgien (für alle Primarschulen
½ Stunde wöchentlich), Schweden (seit 1892;
besondere Kurse für Lehrer und Lehrerinnen durch
den Centralförbundet för Nykterhetsunder--
wisung). Norwegen, Frankreich. In Preußen
und Osterreich kein spezieller Abstinenzunterricht,
aber Berücksichtigung des Alkoholismus bei ge-
eigneter Gelegenheit vorgeschrieben. In England
wird er privat durch zahlreiche Wanderlehrer der
„Hoffnungsscharen“ erteilt. — Für Erwachsene
sind die stets zahlreicher stattfindenden Kurse
zum Studium des Alkoholismus bestimmt. —
Bei der Aufklärung durch das gedruckte Wort
nehmen außer den Zeitschriften den ersten Platz
ein: Belehrungskarten und Alkoholmerkblätter,
wie sie z. B. vom „Allgemeinen und Rheinischen
Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke“,
vom Kaiserlichen Gesundheitsamt, vom „Katho-
lischen Kreuzbündnis“ und „Mäßigleitsbund",
von Lehrer= und Lehrerinnenvereinen herausgegeben
werden. — Auf behördliche Anordnung werden
sie zahlreich bei Impfungen, auch beim Eintritt
der Rekruten ins Heer verteilt.
Der Aufklärung dienen auch die zahlreichen
Kongresse von Temperenzvereinen; von den grö-
ßeren sind zu nennen die internationalen Kongresse
gegen den Alkoholismus (der zwölfte 1909 in
London), die deutschen (der siebte 1910 in Augs-
Trunksuchtsbekämpfung.
burg) und die schweizerischen Abstinententage, die
österreichischen Alkoholgegnertage (der erste 1908
in Wien).
2. Gasthausreform. Sie ist im großen
Umfang durchgeführt in Schweden, Norwegen
System viel verbreitet ist, wonach die Wirts-
häuser von Gemeinden oder Mäßigkeitsgesellschaf-
ten übernommen werden; der Wirt erhält festes
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sind die Erfolge noch gering; insgesamt zählt
man in Deutschland über 30 solcher Gasthäuser,
in denen der Aufenthalt auch ohne Verzehr gegen
geringe Gebühr gestattet ist. Vollständig alkohol-
freie Gasthäuser gibt es besonders zahlreich in
England und der Schweiz; am bekanntesten sind
jene des „Frauenvereins für Volkswohl“ in Zürich.
— Hierhin gehört auch die Errichtung öffent-
licher Schankstätten mit alkoholfreien Getränken,
wie sie besonders durch die verschiedenen Gesell-
schaften für öffentlichen Milchausschank (Bonn,
Berlin, Breslau usw.) befördert wird.
3. Trinkerfürsorge. a) Zur Beratung
der Trinker bzw. ihrer Angehörigen dienen die von
mehr als 60 Städten und vielen Vereinen bei
ihren Ortsgruppen errichteten Fürsorgestellen oder
Sprechstunden für Alkoholkranke. Oktober 1909
erstmals eine Konferenz von Fürsorgestellen
(300 Teilnehmer). Einzelne Städte beginnen
Fürsorgerinnen für Alkoholkranke anzustellen.
b) Zur Heilung der Trinker (d. h. Gewöhnung
an Abstinenz) bestehen in Deutschland über
40 Trinkerheilstätten (die erste 1851 in Lin-
torf), meist in Preußen; katholische in Heidhausen,
Waldernbach, Maria-Veen, Tarnowitz, ferner
für Frauen in Mündt und Wassenberg. Seit
1900 „Verband der Trinkerheilanstalten des
deutschen Sprachgebiets“; 1909 „Verein zur
Gründung katholischer Trinkerheilstätten in
Bayern“. Die Schweiz hat fünf oder sechs (ka-
tholisch bei Sarnen, Pension Vonderflüh); Oster-
reich ist noch ganz zurück (doch 1907 „Verein
zur Errichtung von Trinkerasylen“ in Wien ge-
gründet).
4. Gesetzliche und Verwaltungsmaß-
nahmen. Am weitesten geht die prohibition
(Verbot der Produttion und des Verkaufs geistiger
Getränke), in elf Staaten der Union durchgeführt.
Milder und leichter durchführbar ist die local op-
tion, wonach den Gemeinden das Recht des Ver-
bots gegeben wird nach Abstimmung durch die
Bürger (zahlreich in Großbritannien und Fin-
land durchgeführt, neuerdings auch in Deutsch-
land angestrebt). Die meisten Staaten beschränken
sich auf Reglung des Ausschanks (Konzession für
Wirtschaften, Polizeistunde, Verbot der Verab-
reichung an Trinker und an Kinder) und auf Be-
steuerung der alkoholischen Getränke, besonders
des Branntweins; sie geschieht hauptsächlich in
der Form des Monopols, wobei nur in staatlichen
Schankstätten verkauft werden darf (so Brannt-
weinmonopol in Rußland; Alkoholmonopol in
und Finland, wo das sog. Gotenburger
der Schweiz, hier jedoch nur für den Großverkauf,
wobei ½/16 des Gewinns zur Bekämpfung des Al-
koholismus verwendet werden muß (Alkohol=
zehntel)), oder der Verbrauchsabgabe (in Deutsch-
Gehalt und außerdem Provision von Speisen und land 1,05/1,25 pro Liter Alkohol bei Brannt-
vom Verkauf alkoholfreier Getränke, die in großer wein, 14/20 M pro Doppelzentner Braustoffe
Zahl feilgeboten werden (daneben noch leichte bei Bier, 1/3 M pro Flasche Schaumwein) oder
alkoholische). Bei uns wirkt in gleichem Sinn der Schanksteuer. — Bestrafung der Trunksucht
der „Deutsche Verein für Gosthausreform“, doch kennen Belgien, Frankreich, Osterreich, Deutsch-