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mit verschiedenen Modifikationen hinsichtlich der
Erteilung von Zertifikaten über die eingetragenen
Forderungen für die Gläubiger und hinsichtlich
der Vorschriften für die Zinsenerhebung und Über-
schreibung nachgeahmt. Hierbei ist immer noch
die Erhebung der Zinsen und die Übertragung
der Forderungen mit Förmlichkeiten verbunden,
welche namentlich der Beteiligung ausländischer
Kapitalisten hinderlich sind. Dieselben fallen weg
bei der Form der Ausstellung von Teilschuld-
scheinen (Obligationen), die auf Summen von
verschiedener Höhe lauten und auf den Inhaber
ausgestellt sind, und welchen zum Zweck der Zinsen-
erhebung Zinsabschnitte (Zinskoupons) beigefügt
werden, deren Betrag nach Verfall ebenfalls an
jeden Inhaber ausgezahlt wird. Diese Form,
welche die leichteste Zirkulation der Wertpapiere
zuläßt, ist in den meisten Staaten die herrschende
geworden, und in neuerer Zeit auch in England
und Frankreich teilweise an die Stelle der Einschrei-
bungen getreten. So bequem diese Form, die auch
in großem Umfang auf andere als staatliche
Schuldurkunden Anwendung gefunden hat, für
den Gläubiger ist, so hat sie doch anderseits den
Nachteil, daß die Gefahr des Verlustes der For-
derung im Fall des Verlustes der Urkunde dabei
besteht. Diese Gefahr wird wohl vermindert,
wenn ein gesetzliches Amortisationsverfahren ein-
geführt ist, wonach unter gewissen Voraussetzungen
und Kautelen die gerichtliche Erklärung der Un-
gültigkeit der abhanden gekommenen Wertpapiere
und Aushändigung anderer, an deren Stelle treien-
der Urkunden an den Antragsteller erlangt werden
kann. Aber es verursacht Kosten und führt nicht
immer zum Ziel. Oft werden daher neben den
Obligationen auf Inhaber auch solche auf Namen
für Gläubiger, die es wünschen, ausgestellt, meist
jedoch mit Zinsabschnitten auf Inhaber, oder es
werden auf Verlangen die Obligationen auf In-
haber durch einen Vermerk auf der Urkunde außer
Kurs und wieder in Kurs gesetzt, oder es wird die
Einrichtung getroffen, daß sie auf Antrag in Ob-
ligationen auf Namen umgewandelt und wieder
zurück auf den Inhaber gestellt werden können,
oder man verbindet das System der Einschrei-
bungen in ein Staatsschuldbuch, das die beste
Sicherheit gewährt, mit dem der Inhaberpapiere,
indem man gestattet, letztere gegen Bucheinträge
auf Namen umzutauschen, und umgekehrt. In
Preußen wurde das Staatsschuldbuch durch Gesetz
vom 20. Juli 1883, im Deutschen Reich (Reichs-
schuldbuch) durch Gesetz vom 31. Mai 1891 ein-
Staatsschulden.
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Ausdehnung und Bedeutung zu geben, die er jetzt
besitzt, da er zum Welthandel geworden ist. An
den Börsenplätzen konzentriert sich dieser Handel,
und daselbst bilden sich aus Angebot und Nach-
frage täglich die Preise (Kurse) der verschiedenen
Gegenstände desselben. Dies gibt den Gläubigern
die Möglichkeit, zu jeder Zeit, wenn sie es wün-
chen, ihre Forderungsrechte leicht verwerten zu
können. Ohne diese Möglichkeit würde die Be-
teiligung an Staatsanleihen, bei welchen dem
Gläubiger kein Aufkündigungsrecht zusteht, eine
weit beschränktere sein. Zugleich dient der Börsen-
handel dazu, einen Gradmesser für das mehr oder
weniger günstige Urteil der Kapitalbesitzer über
die Zustände der Staaten, die Folgen von Re-
gierungsmaßregeln, die kommerziellen und poli-
tischen Konjunkturen durch die Kurse der Staats-
anleihen an die Hand zu geben. Jenes Urteil mag
oft genug falsch und irregeleitet sein; die Regie-
rungen müssen immer damit rechnen, da ihre Fi-
nanhoperattonen von den Börsenkursen abhängig
ind.
Bei der näheren Betrachtung der Bestand-
teile der Staatsschulden unterscheidet man zwi-
schen der festen oder konsolidierten, oder nach dem
häufigsten Ausdruck, fundierten Schuld und der
schwebenden Schuld. Eine scharf abgrenzende Be-
griffsbestimmung gibt es hierfür nur, wenn man
unter der fundierten Schuld nur solche Schulden
versteht, bei welchen gar keine bestimmte Ver-
pflichtung zur Rückzahlung des Kapitals über-
nommen ist, und alle andern zu der schwebenden
Schuld zählt. Gewöhnlich aber rechnet man zu
den fundierten Schulden nicht bloß diejenigen,
für die eine Rückzahlungsverbindlichkeit gar nicht
begründet ist, sondern auch solche, die nur inner-
halb eines längeren Zeitraums getilgt werden
müssen, und begreift unter den schwebenden Schul-
den solche, die in kurzer Frist rückzahlbar sind oder
rückzahlbar werden können.
In der Regel beruhen die fundierten Schulden
auf Anleihen, deren Bedingungen öffentlich be-
kannt gemacht, und welche da, wo eine Volks-
vertretung besteht, mit deren Zustimmung auf-
genommen wurden. Die Gegenleistungen, welche
der Staat dabei den Darleihern zusichert, können
in mannigfaltiger Weise bestimmt werden. In
den meisten, insbesondere in den deutschen Staaten
ist die gewöhnliche Art der Staatsanleihen die der
Verschreibung eines Kapitals, dessen Verzinsung
nach festgesetztem Zinsfuß versprochen wird. Der
Staat behält sich dabei das Recht vor, die An-
—
geführt. Zur Erleichterung der Benutzung wurden leihe ganz oder auch teilweise zu kündigen und
die Grundsatze der Eintragung und des geschäft- mittels Zahlung des verschriebenen Kapitals ab-
lichen Verkehrs, die Gebühren, das Vechaltnis zutragen, räumt aber den Gläubigern kein Kün-
der Staatsgläubigen usw. neu geregelt im Reich digungsrecht ein, da dieses zu ungünsliger Zeit
durch Gesetz vom 6. Mai 1910, in Preußen durch 1 große Verlegenheit verursachen könnte. Manchmal
Gesetz vom 22. Mai 1910. verzichtet auch der Staat für eine Reihe von
Die Leichtigkeit, die für den Verkehr mit Staats= Jahren auf das Kündigungsrecht, um eine An-
schuldanteilen geschaffen wurde, trug wesentlich da. leihe besser unterzubringen, da die Sicherung
zu bei, dem Handel mit diesen Werten die große dagegen, daß die Darleiher nicht die baldige