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und Börsengeschäfte reich gewordenen Männern
sind die Petroleum-, Eisen-, Zucker-, Vieh- und
Fleischmagnaten getreten, und diese Gruppen oder gung dieses Trusts betrug im Jahr 1908 nur
die einzelnen Hauptkapitalisten derselben haben 43,5 % der gesamten Roheisenproduktion der Ver-
begonnen, ihre Beteiligung über die Sphäre der einigten Staaten, die Rohstahlerzeugung 56,4 ⅝%
eignen ursprünglichen Unternehmungsgebiete hin= der Gesamtproduktion, während sie bei Gründung
aus auszudehnen. Sie verteilen ihre Risiken in des Trusts zwei Drittel (genau 66,3 %%) der
industriellen Anlagen auf verschiedene Industrien, amerikanischen Rohstahlproduktion umfaßt hatte.
was alsdann weiterhin dazu führt, die betreffenden Nicht zu übersehen ist auch die Erscheinung, daß
kanischen Eisenindustrie, der Stahltrust, besitzt eine
solche Stellung keineswegs. Die Roheisenerzeu=
Gewerbe zu einem geschlosseneren Interessenkomplex
zusammenzufügen. Hier tritt dann das finanzielle
und privatkapitalistische Interesse in den Vorder-
grund und macht die verschiedenen Unternehmungs-
gebiete seinem einheitlichen Zweck dienstbar.“ Es
sei nur erinnert an den bekannten weitreichenden
die Trustbildung selbst vielfach eine Gegenwir-
kung erzeugt hat; es entstanden Konkurrenzunter-
nehmungen, an deren Spitze nicht selten gerade
solche Unternehmer traten, deren frühere Fabriken
die Trusts an sich gebracht und dabei sehr oft
weit über ihren Wert bezahlt hatten.
Einfluß, welchen der Rockefellersche Petroleum- Weas die finanzielle Seite der Trust-
trust mit seinen gewaltigen, nach neuer Anlage bewegung anlangt, so haben die angeführten wirt-
suchenden Kapitalien auf die Vertrustung anderer schaftlichen Vorteile zunächst eine bedeutende Stei-
Industriezweige (Blei, Leder, Tabak, Branntwein, gerung der Unternehmergewinne bewirkt. Die
Stahl usw.) ausgeübt hat. Dividendender Standard Oil Companybeispiels-
Die wirtschaftlichen Vorteile des weise stiegen von 5 ¼% im Jahr 1882 auf 33%
Trusts für seine Mitglieder bestehen zunächst in im Jahr 1899; sie betrugen in den folgenden
rationellerer Gestaltung der Produktion und in Jahren 48, 48, 45, 44, 36 und von 1905 bis
billigerer Organisation des Absatzes. Nach der 1908 je 40% . Auf den amerikanischen Geldmarkt
Gründung des Whiskytrusts z. B. wurden von hat die Ansammlung gewaltiger Kapitalien und
84 Fabriken 72 außer Betrieb gesetzt und zu an= die Vereinheitlichung der Finanzgebarung, welche
dern Zwecken verkauft. Mit dem hierdurch frei
gewordenen Kapital wurden die übrig gebliebenen
12, nämlich die bestgelegenen und besteingerichteten
Fabriken, weiter verbessert und in vollen Betrieb
gesetzt. Der Ertrag dieser 12 Fabriken kam bereits
in den ersten Jahren der früher von 84 Fabriken
erzielten Produktion gleich. Ahnliche Erfolge er-
zielte der Zuckertrust. Durch die Trustorganisation
wird ferner die Arbeitsteilung in hohem Maß be-
günstigt; so hat z. B. der Stahlreifentrust eine
weitgehende Spezialisierung der Betriebe ermög-
licht und dadurch, daß nun in jedem Betrieb nur
bestimmte Größen und Arten desselben Produkts
hergestellt werden, eine erhebliche Ersparnis an
Produktionskosten herbeigeführt. Der Trust ist
sodann in der Lage, mit den Abfällen seines Haupt-
produkts eine nutzbringende Nebenproduktion zu
betreiben, deren Gewinn z. B. beim Petroleum-
trust oft den aus der Hauptproduktion erreicht hat.
Dazu kommt bei den verschiedene Produktions-
stufen umfassenden Trusts, wie bei dem Stahl-
trust, der Vorteil völliger Unabhängigkeit auch
hinsichtlich des Bezugs der Rohstoffe, der Ver-
frachtung usw. In betreff des Absatzes bietet der
Trust gleichfalls große Vorteile. Durch die Ver-
sorgung der lokalen Märkte von verschiedenen
Zentralpunkten aus erspart er Transportkosten;
die Verringerung der Konkurrenz gestattet ihm eine
bedeutende Einschränkung der Reklamekosten und
der Zahl der Geschäftsreisenden. Auf der andern
Seite darf man die wirtschaftliche Macht der
Trusts aber auch nicht überschätzen. Die weitaus
überwiegende Mehrzahl der trustartigen Gebilde
ist von einer monopolartigen Stellung weit ent-
Fernt. Selbst der bedeutendste Vertreter der ameri-
Staatslexikon. V. 3. u. 4. Aufl.
sich als Folgen der Trustbildung ergaben, insofern
einen günstigen Einfluß ausgeübt, als er von
Europa unabhängiger und in den Stand gesetzt
wurde, nach außen als Kapitalverleiher aufzu-
treten. Auf der andern Seite hat das spekula-
tive Moment, welches bei der Organisation
und dem Geschäftsbetrieb der Trusts, ganz be-
sonders aber bei ihrer Gründung und Kapitali-
sierung eine so große Nolle spielt, verhindert, daß
den großen Vorteilen auf seiten der Nächstinter-
essierten ebensolche für die Abnehmer, die Kon-
sumenten entsprechen. Eine oft sehr erhebliche
UÜberkapitalisation der meisten Unternehmungen,
welche die Verzinsung erschwert, in Verbindung
mit dem Streben nach größtmöglicher Steigerung
der Unternehmergewinne hat zur Folge gehabt,
daß die Preise der Trustwaren, abgesehen von
starkem Schwanken, nicht nur nicht den vermin-
derten Produktionskosten entsprechend gesunken,
sondern vielfach sogar gestiegen sind. Der Preis
des raffinierten Exportöls z. B. war von 1866
bis 1882 um 88% gesunken; dann kam der Pe-
troleumtrust, und 1899 stand der Preis 4,7 %
höher wie Ende 1881. Der Preis des Drahts
und der Stahlnägel war nach kaum einjährigem
Bestehen der American Steel and Wire Com-
pany (Jan. bis Dez. 1899) um 74 bzw. 72%
gestiegen, während er im Jahrzehnt vorher um
27 bzw. 28 % heruntergegangen war. Zu einer
Herabsetzung der Preise haben sich die Trusts
allerdings immer dann verstanden, wenn es sich
um Bekämpfung neuer Konkurrenten handelte.
Auf Grund der Statistik des Washingtoner Amts
für Handel und Arbeit über die Großhandels-
preise zahlreicher Trustwaren behauptet L. Katzen-
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