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stein, „daß die Trusts sich den außergewöhnlichen
Anforderungen kritischer Zeiten nicht gewachsen
gezeigt haben, und daß sie die gewaltigen Preis-
erhöhungen, die zur Verschärfung der Krisis ge-
dient haben, nicht verhüten konnten oder wollten“.
In sozialpolitischer Hinsicht können die
Trusts sich keiner besondern Verdienste rühmen.
Zwar sind die Arbeitslöhne vielfach gestiegen; das
genannte Amt führt z. B. neun Trusts an, in
welchen nach der Trustbildung der durchschnittliche
Jahreslohn gelernter Arbeiter um 13,71%, un-
gelernter um 19,39 % höher war wie vorher.
Dabei ist aber auch die Steigerung der einzelnen
Arbeitsleistungen infolge der mit der Vertrustung
bewirkten rationelleren Gestaltung der Produktion,
ferner der geschäftliche Aufschwung und nicht zu-
letzt der Einfluß der Arbeiterorganisationen in
Rechnung zu ziehen. Was die letzteren anlangt,
deren Notwendigkeit nirgends zwingender in die
Erscheinung tritt als angesichts der im Trust ver-
einigten ungeheuern Macht des organisierten
Unternehmertums, so haben sich die Trustleiter
zum Teil offen gegen sie erklärt. Verschiedentlich
hat sich den Arbeiterorganisationen auch die Anti-
trustgesetzgebung, obwohl gar nicht gegen diese ge-
richtet, als gefährlich erwiesen.
Die Wirkungen der Trusts auf das gewerb-
liche Leben im allgemeinen, speziell auf die kon-
kurrierenden kleineren Unternehmer, sind ähnlicher
Art wie diejenigen der Kartelle; diese Wirkungen
sind es ja auch, welche alsbald zu der oben bereits
erwähnten Antitrustbewegung führten. Besonders
hervorzuheben sind noch die Beziehungen der Trusts
zu andern wirtschaftlichen Einrichtungen der Ver-
einigten Staaten, wie zu den großen Eisen-
bahngesellschaften. Diese engen Beziehungen
liegen im beiderseitigen Interesse; während den
Trusts aus besondern Vergünstigungen im Eisen-
bahnverkehr ein wichtiges, oft vielleicht ausschlag-
gebendes Hilfemittel zur Uberwindung der Kon-
kurrenz erwuchs, haben auch die Eisenbahnen aus
dem Geschäftsverkehr mit den Trusts die dem
Großbetrieb eigentümlichen Vorteile gezogen. Es
ist längst erwiesen, daß trotz gesetzlicher Ver-
bote geheime Vorzugstarife für Trusts bestanden
haben.
Im politischen Leben der Vereinigten
Staaten spielen die Trusts eine große Rolle, vor
allem in den Wahlkämpfen zwischen Demokraten
und Republikanern (Schutzzöllnern). Nicht nur
zur Verstärkung der republikanischen Wahlfonds,
sondern sogar zu persönlichen Bestechungen käuf-
licher Politiker und Staatsbeamten haben die
Trusts große Summen geopfert, sofern von ihnen
solche nicht geradezu erpreßt wurden. „In vielen
Staaten“, so charakterisiert L. Katzenstein diesen
Zustand politischer Korruption, „werden alljährlich
trustfeindliche Gesetzentwürfe den Legislaturen vor-
gelegt, um dadurch den Trusts häufiger Gelegen-
heit zur Betätigung ihrer Freigebigkeit zu bieten;
und die Trustis sind stets willig, die Väter solcher
Trusts.
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Bills für ihre Kindesopfer zu belohnen. Auch
etwaige trustfreundliche Gesetzgebung wird nur
gegen gute Bezahlung durchgelassen. So konnte
in einem großen Staat der Union die Annahme
eines Gesetzes, das nicht nur dem Trust, sondern
auch der Gesamtheit zu nutzen bestimmt war, erst
erfolgen, nachdem der Führer der in jenem Staat
herrschenden Partei 600 000 M erhalten hatte."“
In den politischen Kampf um die Tlrusts ist
eine gewisse Unklarheit dadurch hineingetragen
worden, daß die von den Republikanern gewählten
Präsidenten Roosevelt und Taft scheinbar dem
Volkswillen Rechnung trugen und gegen die Trusts
vorgingen. Insofern fand also der Ruf nach Maß-
nahmen gegen die unerhörte Verteuerung mancher
Waren — infolge Ausnutzung der Schutzzölle
durch die Trusts — wohl Gehör. Doch blieb es
unklar, inwieweit dieses Vorgehen ernstgemeint
bzw. nur ein taktisches Manöver war. Die Börse
bäumte sich gegen Angriffe auf ihre Lieblinge (die
Trusts) auf und „machte flau“, sobald diesen
irgend etwas Ernstliches drohte. In den Jahren
1909 und 1910 ging die Regierung der Ver-
einigten Staaten gegen Eisenbahngesellschaften
vor, welche Frachten hatten erhöhen wollen.
Der Ausschuß für den zwischenstaatlichen Handel
(Interstate Commerce Commission) verbot
wiederholt verschiedene Erhöhungen von Frachten.
Teils fügten sich die Eisenbahnen, teils legten sie
beim Obersten Gerichtshof Berufung ein, welcher
das Verbot der Interstate Commerce Commis-
sion für gewisse Fälle tatsächlich wieder aufhob.
Die Regierung der Vereinigten Staaten leitete
ferner in den Jahren 1910/11 gerichtliche Ver-
fahren gegen den Petroleumtrust und gegen den
Tabaktrust ein. Beide große Gesellschaften sind
vom Oberbundesgericht im Mai 1911 für gesetz-
widrig (als gegen das Shermansche Antitrustgesetz
verstoßend) erklärt und zur Auflösung verurteilt
worden. Trotzdem betrachtet man auch diese Maß-
nahmen gegen die großen Ringe fast nur als
„einen Schlag ins Wasser“, weil die Geldmächte
schon wieder Auswege zur Verfolgung ihrer Ziele
finden dürften.
Bei diesem Stand der Dinge, die sich also stets
in Fluß befinden, ist es noch nicht möglich, ein
abschließendes Urteil über die zur Bekämpfung der
Auswüchse des Trustwesens in Betracht kommen-
den bzw. schon zur Anwendung gelangten Mittel
zu fällen. Mit allen bisher ergriffenen Maßnahmen
sind jedenfalls keinerlei durchschlagende Erfolge
erzielt worden. Zum mindesten muß gegenüber
den Trusts wie auch gegenüber den Kartellen die
Forderung voller Publizität erhoben wer-
den. Die Durchführung einer strengen öffent-
lichen Kontrolle dürfte ein nicht ganz un-
wirksames Mittel sein und sie erscheint vollauf
gerechtfertigt angesichts des weitreichenden, zum
sehr großen Teil schädlichen Einflusses, den die
Trusts auf das wirtschaftliche, soziale und poli-
tische Leben ausüben.