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Kündigung des Kapitals bei sinkendem Zinsfuß
zu gewärtigen haben, unter Umständen auf das
Anleihegeschäft einen günstigen Einfluß übt. Die
Zinsen werden meist halbjährlich bezahlt, öfters
nicht bloß an inländischen Kassen, sondern auch
durch Vermittlung von Bankgeschäften an aus-
ländischen Orten, wenn eine Anleihe im Ausland
abgeschlossen oder auf Beteiligung des Auslandes
gerechnet wurde. In solchem Fall werden auch
wohl das Kapital und die Zinsen auf ausländische
oder sowohl auf ausländische wie auf inländische
Währung gestellt.
Vielfach wird außer der Verzinsung auch die
allmähliche Tilgung der Schuld nach einem
bestimmten Tilgungsplan oder durch Verwendung
einer dafür bestimmten Einnahme versprochen,
wobei über die Nummern der Teilschuldscheine,
die jedesmal zur Einlösung kommen sollen, eine
Verlosung entscheidet. Die hiernach zu erwartende
künftige Heimzahlung im Nennwert gewährt bei
Anleihen, die unter dem Nennwert vergeben wer-
den, dem Gläubiger die Aussicht auf einen früher
oder später zu erlangenden Gewinn am Kapital.
Deshalb kann wohl dadurch bei der Kontrahierung
der Anleihe ein etwas höherer Preis erreicht wer-
den, als es ohne dies der Fall sein würde. Ander-
seits aber kann die übernommene Tilgungsverbind-
lichkeit dem Staat zum Nachteil gereichen, wenn
er unter eingetretenen schlimmen Zeitumständen
sie nur mittels neuer Anleihen, wofür er lästigere
Bedingungen eingehen muß, zu erfüllen vermag.
Die Übernahme einer starken Tilgungspflicht ist
daher immer bedenklich. Zugunsten einer mäßigen
läßt sich aber, auch abgesehen von einem etwaigen
günstigen Einfluß auf den Erfolg der Anleihe,
anführen, daß sie zur Erhaltung eines guten
Finanzstandes dienlich sei. Denn wenn der Staat
auch tilgen kann, ohne dazu durch eine erteilte Zu-
sicherung genötigt zu sein, so kommt es doch leicht
zu einer nicht ratsamen Unterlassung der Tilgung,
wenn jedesmal zwischen ihr und der Befriedigung
anderer Wünsche frei zu entscheiden ist. Legt man
dieser Erwägung kein Gewicht bei, so wird der
durch ein Tilgungsversprechen bei der Aufnahme
der Anleihe zu erreichende Vorteil, wenn er über-
haupt stattfindet, doch meist nicht so erheblich sein,
um deshalb eine Verbindlichkeit einzugehen, die
später lästig werden kann. Immer mehr wird da-
her auch, besonders in größeren Staaten, bei neuen
Anleihen von der Erteilung eines Tilgungsver-
sprechens ganz Abstand genommen.
In diesem Fall stehen die Anleihen gegen Ver-
schreibung eines verzinslichen Kapitals auf gleicher
Linie mit den Anleihen gegen Verschreibung einer
ständigen, jedoch ablösbaren Rente. Dies ist
die in England und Frankreich wie auch in man-
chen andern Staaten übliche Form. Hierbei wird
die Rente unter Bezeichnung des Zinsfußes der
Anleihe (als dreiprozentige, vierprozentige usw.)
verschrieben, und der Staat ist vermöge der An-
leihebedingungen, oder auch allgemeinen Gesetzes,
Staatsschulden.
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berechtigt, sich durch Zahlung des diesem Zinsfuß
entsprechenden Kapitals von der Schuld zu be-
freien. Solche Anleihen unterscheiden sich nur
formell von den Anleihen gegen Verschreibung
eines verzinslichen Kapitals mit einseitigem Kün-
digungsrecht des Staats, aber ohne Verpflichtung
zur Rückzahlung; denn materiell ist es gleichgültig,
ob eine Rente a verschrieben wird, die der Schuld-
ner beliebig mit einem Kapital b ablösen kann,
oder ein beliebig rückzahlbares Kapital b, das a
Zinsen trägt. Wenn auch im ersteren Fall ein
Nominalkapital nicht ausdrücklich genannt ist, so
hat doch das Kapital, womit die Rente abgelöst
werden kann, ganz dieselbe Bedeutung, und die
Rente ist dem Wesen nach nichts anderes als der
Zins dieses Kapitals.
In der Regel stimmt das Nominalkapital,
welches der Staat verschreibt oder womit er eine
verschriebene Rente einlösen kann, nicht mit dem
Betrag, den er wirklich empfängt, überein. Denn
da der Preis, welchen die Darleiher für die Er-
werbung einer Forderung an den Staat zu zahlen
geneigt sind, in den kleinsten Unterschieden sich be-
wegen, der Zinsfuß aber nicht wohl mit un-
bequemen Bruchteilen festgesetzt werden kann, so
verhandeln die Regierungen bei der Aufnahme
einer Anleihe gewöhnlich nicht über den Zinsfuß
des einzuzahlenden Kapitals, sondern auf Grund
eines festgesetzten Zinsfußes über die Höhe der
für das Nominalkapital einzuzahlenden Summe,
und diese deckt sich selten genau mit dem Nominal-
kapital, wenn auch beträchtliche Abweichungen
durch die Wahl eines angemessenen Zinsfußes
vermieden werden können. Manchmal geschieht
es, daß der Staat mehr als das Nominalkapital
erhält, wenn er guten Kredit hat und Überschuß
an Kapitalien, die Anlage suchen, vorhanden ist.
Sehr bedeutend kann aber dieser Mehrbetrag bei
unbeschränktem Kündigungsrecht der Regierung
niemals sein, weil die Gläubiger gewärtigen
müssen, nur das Nominalkapital zurückzuerhalten,
wenn die Kündigung erfolgt. In den meisten
Fällen erhält der Staat weniger als das Nominal-
kapital, um so weniger, je niedriger der Zinsfuß
gegriffen ist. Da jedoch außer dem hauptsächlich
maßgebenden Zinsgenuß auch die Aussicht auf
einen Kapitalgewinn durch Steigen des Kurses
oder demnächstige Rückzahlung in Anschlag ge-
bracht wird, und der Wert dieser Aussicht mit
der Größe des Unterschieds zwischen dem hin-
gegebenen und dem Nominalkapital wächst, so
sinkt der Preis, zu welchem eine Anleihe unter-
gebracht werden kann, nicht in völlig gleichem
Verhältnis mit der Höhe des bewilligten Zins-
fußes. Infolgedessen stellt sich die effektive Zinsen-
last für den Staat gewöhnlich bei der Wahl eines
niedrigen Zinsfußes etwas geringer als bei der
Wahl eines höheren, und dieser Gewinn an Zinsen
kann zur allmählichen Tilgung der Schuld benutzt
werden. Diesem Vorteil steht der Nachteil gegen-
über, daß eine Tilgung mittels Kündigung nur