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legaten in Konstantinopel abhängen; 2) die unier-
ten Bulgaren, seit 1909 als Millet anerkannt,
die unter den zwei Apostolischen Vikariaten Maze-
donien (Sitz in Saloniki) und Thrakien (Adria-
nopel) stehen; an 14.000 Seelen; 3) die Mel-
chiten oder unierten Griechen Syriens, deren meist
im Kolleg Ain Tras auf dem Libanon residieren-
der „Patriarch von Antiochien" von den unter ihm
stehenden Bischöfen gewählt wird; seine Wahl be-
darf der Bestätigung durch Papst und Sultan.
Die melchitischen Patriarchate von Alexandrien
und Jerusalem werden jetzt vom Patriarchen durch
Titularbischöfe verwaltet. Der Ritus zählt drei
Erzbistümer und acht Bistümer, an 130 000 An-
hänger. Syrischen Ritus haben: 1) die unierten
Syrer oder Jakobiten, deren in Mardin residie-
render „Patriarch von Antiochien“ von den ihm
untergebenen Bischöfen gewählt wird und der Be-
stätigung durch Papst und Sultan bedarf; seiner
Jurisdiktion unterstehen in acht Erzbistümern und
drei Bistümern sämtliche Jakobiten in Mesopo-
tamien, Kurdistan, Syrien und Ostindien, an
80 000 Seelen; 2) die syrisch-chaldäischen Christen;
der in Mossul oder Hilla residierende „Patriarch
von Babylon“ wird ebenfalls von seinen Bischöfen
gewählt und vom Papst und Sultan bestätigt;
der Ritus zählt zwei Erzbistümer, neun Bistümer,
an 70000 Anhänger; 3) die Maroniten, an
130 000; der „Patriarch von Antiochien“ resi-
diert teils im Kloster Kannobin im Libanon teils
in Kesruan; seine Wahl durch die ihm unter-
gebenen Bischöfe (sieben Metropoliten, zwei Bi-
schöfe) bedarf der Bestätigung durch den Papfst,
dagegen erfolgt eine solche durch den Sultan nicht.
Über die Kopten in Agypten siehe dort.
Die „lateinische“ Kirche umfaßt alle die katho-
lischen Untertanen der Pforte, die der römischen
Liturgie folgen und deren geistliche Oberhirten
von Rom ganz unabhängig von der türkischen
Regierung ernannt werden. Die Hierarchie um-
faßt einen Apostolischen Delegaten, der zugleich
Patriarchalvikar von Konstantinopel ist (das la-
leinische Patriarchat von Konstantinopel ist jetzt
nur mehr Titularpatriarchat und der Inhaber
residiert in Rom), die Erzbischöfe von Bagdad
Gugleich Apostolischer Delegat von Mesopotamien,
Kurdistan und Armenien), Durazzo, Usküb, Sku-
tari und Smyrna, die Bischöfe von Alise, Pu-
lati, Sappa und Chios (dieser unter dem Erz-
bischof von Naxos) und einen Apostolischen Dele-
gaten für Syrien (in Beirut). Die Vertretung
der lateinischen Untertanen bei der Pforte und die
Verwaltung der bürgerlichen Angelegenheiten ruht
in der Hand eines Wekil, des Chefs der „Kanzlei
der lateinischen Rajas“. Über das Protektorat
verschiedener Mächte über die Katholiken und den
Plan der Errichtung einer päpstlichen Nuntiatur
s. d. Art. Protektorat.
V. Auterricht. Die Volksbildung in der
Türkei läßt noch viel zu wünschen übrig; auch die
konstitutionelle Regierung hat bisher zu wenig für
Staatslexikon. V. 3. u. 4. Aufl.
Türkei.
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den Unterricht getan. Es fehlt namentlich an Lehr-
kräften, nicht nur in der Provinz, sondern auch in
der Hauptstadt (es sollten an 50 000 Lehrer mehr
vorhanden sein). Das heutige Schulwesen ist zum
großen Teil auf die Wirksamkeit Abdu'l-Hamids II.
zurückzuführen. Sämtliche Schulen stehen nach
der Verfassung unter der Aufsicht des Staats;
auch soll nach der Verfassung eine einheitliche
Neuordnung des Unterrichts durchgeführt werden,
wobei jedoch die Systeme, welche die verschiedenen
Religionsgemeinschaften bei ihrem Glaubensunter-
richt befolgen, unberührt bleiben sollen. Der Unter-
richt ist frei, und jeder ottomanische Untertan ist
berechtigt, öffentlichen oder privaten Unterricht zu
erteilen, vorausgesetzt daß die gesetzlichen Bestim-
mungen eingehalten werden. Die Leitung des
öffentlichen Unterrichtswesens liegt im allgemeinen
in den Händen des Unterrichtsministers, einige
Schulen unterstehen den Kriegs-, Marinc= und
Ackerbauministerien, die geistlichen Schulen dem
Scheichu'l-Islam.
Die jetzt bestehenden mohammedanischen öffent-
lichen Schulen können in vier Klassen eingeteilt
werden: Volks-, Mittel-, Spezial= und Hoch-
schulen. Die Volksschule, Ibtidaije, deren in jedem
Dorf eine sein soll, vermittelt den Elementarunter-
richt; der dreijährige Besuch ist gesetzlich obligato-
risch (die Durchführung des Schulzwangs wird
allerdings nicht streng gehandhabt), der Lehrgang
beschränkt sich auf Lesen und Schreiben, Lernen
und richtiges Lesen des Korans, Religionsunterricht
(der vielfach vom Imam erteilt wird). Rechnen
und osmanische Geschichte. Einziges Unterrichts-
buch ist der Koran. In den größeren Städten gibt
es auch Volksschulen für Mädchen mit Lehrerinnen.
in denen größeres Gewicht auf Handfertigkeit ge-
legt wird, in den Provinzen auch Schulen für
Knaben und Mädchen gemeinsam. Aus der Volks-
schule kann der Schüler ohne Aufnahmeprüfung
übergehen in die Rüschdije, die im wesentlichen
eine Vorbereitungsschule für die Mittelschule und
in den Städten, wo es diese gibt, damit verbunden
ist; der Unterricht, der drei Jahre dauert und von
Fachlehrern erteilt wird, enthält als Gegenstände
den Koran, Begründung der Religion (nur für
die Moslim), türkische, arabische und persische
Sprache, Geographie, Geschichte, einige natur-
wissenschaftliche Fücher, Zeichnen und Hygiene.
In den größeren Städten gibt es auch Rüschdije
für Mädchen mit fast dem gleichen Lehrplan. Die
türkische Mittelschule, Idadije, mit vier Jahr-
gängen hat außer den Lehrgegenständen der
Rüschdije noch Gesetzeskunde, französische Sprache,
mohammedanische Literatur, Religionsunterricht
(nur für Mohammedaner), Nationalökonomie usw.
Eine Idadije mit erweitertem Lehrplan ist das
Lycée Impérial in Galata, auch Sultanije ge-
nannt, 1868 zur Heranbildung von Beamten und
Diplomaten gegründet. Spezialschulen sind die
Mülkije in Konstantinopel, aus der die Zivil-
beamten des Landes hervorgehen, das Lehrer= und
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