Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Columbiauniversität ausgewählt. Zur Förderung 
der geistigen Beziehungen zwischen Deutschland 
und Amerika, namentlich für die Universitäts- 
kreise, besteht außerdem das „Amerika-Institut“ 
in Berlin. Humboldts Absicht, neben der Universi- 
tät und der Akademie der Wissenschaften noch ein 
selbständiges Forschungsinstitut zu errichten, das 
mit jenem in enger Fühlung bleiben soll, wurde 
durch Wilhelm II. gelegentlich der Jahrhundert- 
feier der Berliner Universität bei dem Festakt am 
11. Okt. 1910 verwirklicht, als er die Gründung 
einer Gesellschaft proklamierte, die sich die Errich- 
tung und Erhaltung von Forschungsinstituten zur 
Aufgabe stellt. In Süddeutschland wurde 1826 
von König Ludwig I. die einzige große Universi- 
tät der südlichen Stämme in der Haupt= und Re- 
sidenzstadt München angelegt als Erbin der beiden 
altbayrischen Hochschulen Ingolstadt und Lands- 
hut. An ihr sollten nach dem ausdrücklichen 
Wunsch ihrer Stifter auch „Kunstanschauungen, 
Kunstgefühle, Kunsturteile“ angeregt und gepflegt 
werden, was bisher an keiner der bestehenden In- 
stitutionen der Fall gewesen war. Die letzte wich- 
tige Neugründung war die in der Westmark des 
Deutschen Reichs 1872 ins Leben gerufene, mit 
fünf Fakultäten ausgestattete Kaiser-Wilhelms- 
Universität in Straßburg; ihr wurde im Jahr 
1902 eine katholisch -theologische Fakultät an- 
gegliedert, die im Herbst 1903 ins Leben trat. 
Das Reich leistet zur Universität Straßburg einen 
jährlichen Beitrag von 400 000 M. Die Aka- 
demie Münster wurde im Herbst 1902 durch die 
Wiederherstellung einer juristischen Fakultät neuer- 
dings zum Rang einer Universität erhoben. 
Deutschland besitzt heute 22 mit dem Recht der 
Verleihung der akademischen Grade ausgestattete 
Universitäten. 
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träger und Verfechter des deutschen Einheits= und 
Freiheitsgedankens waren, gewannen sie in hohem 
Maß die Sympathien des deutschen Volks, beson- 
ders da im Jahr 1837 die Göttinger „Sieben“ — 
die Professoren Albrecht, Dahlmann, Ewald, Ger- 
vinus, Gebrüder Grimm und Weber — gegen 
die Aufhebung der hannoverschen Verfassung Ein- 
pruch erhoben und sich lieber ihres Amts ent- 
setzen, als sich zum Huldigungsrevers zwingen 
ließen. Im Jahr 1848 wurde daher auch eine 
große Zahl Universitätsprofessoren in das Frank- 
furter Nationalparlament gewählt. 
Die geistigen Strömungen werden in dieser 
Zeit noch geleitet von der philosophischen Fakul- 
tät; in ihr betrachtet die spekulative Philosophie 
Kant als ihren Mittel= und Ausgangspunkt. Noch 
bis zum Jahr 1840 blieb auf den meisten deut- 
schen Universitäten der Rationalismus und ein 
abstrakt= wissenschaftlicher Betrieb vorherrschend. 
Allmählich kamen indes alle Fakultäten unter dem 
Einfluß der historischen Betrachtungsweise, die 
sich am stärksten zunächst in der philosophischen 
bemerkbar machte. Die klassische Philologie nebst 
ihren Hilfswissenschaften eroberte unter der Ein- 
wirkung von F. A. Wolf, Niebuhr, Lachmann u. a. 
von Begeisterung für das antike Bildungsideal 
durchdrungenen Philologen den Rang einer selb- 
ständigen Wissenschaft, die an der Universität 
wenigstens den Charakter einer Hilfswissenschaft 
verlor. Die alte kollektive professio litterarum 
wurde, zuerst an den großen Universitäten, seit 
1848 in eine Anzahl von Einzelfächern gegliedert, 
nämlich: griechische, lateinische, germanische, ro- 
manische, englische, semitische, indische Philo- 
logie; daneben die Fächer für slawische und orien- 
talische Sprachen sowie vergleichende Sprach- 
— 
  
  
  
Universitäten: Berlin, Bonn, Braunsberg, Bres= wissenschaft; ferner Altertumswissenschaft, alte, 
lau, Erlangen, Freiburg, Gießen, Göttingen, mittlere, und neue Geschichte nebst den histori- 
Greifswald, Halle, Heidelberg, Jena, Kiel, schen Hilfswissenschaften, Kunstgeschichte, und in 
Königsberg, Leipzig, Marburg, München, Mün= Berlin, Leipzig und Straßburg die theoretische 
ler E Straßburg, Tübingen, Würzburg. Musik. Dorus erklärt sich auch, daß über die 
m ommer- Ws4 soll die Universität Frank- Hältea 6P Dozenten der philosophischen Fakultät 
surtht ins rden teien welsk rin deremk engerget. ie noßn als 1900 Lonenten unsan. 
Stiftungen, Sammlungen und Bibliotheken dar- protestantische Theologie hat im 19. Jahrh. eine 
stellt und ganz aus privaten und städtischen Mit- 1 ganz wesentliche Förderung und Ausbildung er- 
leln unterhalten wird. Eine weitere Universität fahren. Die Angriffe des Rationalismus und Kriti- 
ist in Hamburg vorgesehen mit den Fakultäten zismus auf die Heilige Schrift und das Urchristen- 
Jurisprudenz, Geisteswissenschaften, Naturwissen- tum haben eine auf eindringendem Quellenstudium 
schaften und Kcolonialwse schaften. hreßtag d iene Bünffrlusse Behandlung der r*% 
am 17. . er Jahrestag der samten theologischen Fächer angebahnt, die in 
Leipziger Schlacht und zugleich der Gedächtnistag zahlreichen bahnbrechenden und höchst bedeutenden 
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aus der Warlburg durch die deutsche Burschen- ihren Ausdruck gefunden hat. Die Disziplinen 
schaft gefeiert wurde, ließen sich einige „Unbedingte“ der Apologetik, der biblischen und christlichen. 
im Uberschwang ihrer Gefühle zu verhängnisvollen 
Ausschreitungen hinreißen, die die Karlsbader Be- 
schlüsse und damit die Überwachung der Hoch- 
schulen und die harte Bestrafung vieler Studenten 
und akademischen Lehrer zur Folge hatten. Da 
in jener Zeil die Universitätskreise auch Haupt- 
Archäologie, der Einleilung in die Heilige Schrift 
sowie der Patrologie und die Missionswissen- 
schaft sind neu entstanden; als jüngste Disziplin 
die vergleichende Religionswissenschaft. Die Jahre 
1830/60 sind die eigentliche Blütezeit der deut- 
sihen spekulativen Theologie. Später fand eine 
 
	        
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