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oder auch ein Extraordinariat verliehen. Mate-
rielle Unterstützung erfolgt in Preußen, wenn auch
nicht regelmäßig, durch Verleihung von Staats-
stipendien. Altere verdiente Forscher und Gelehrte
können als unbesoldete Honorarprofessoren mit dem
Rang der Extraordinarien zu der Universität in
ein engeres Verhältnis treten. Die ordentlichen
und außerordentlichen Professoren erhalten ihren
Lehrauftrag für ein oder mehrere Fächer vom
Staat. Im Fall dauernder Behinderung, das
Lehramt auszufüllen, tritt statt Pensionierung eine
Befreiung von der Lehrpflicht ein. In Osterreich
ist für die Professoren als Altersgrenze für die
Ausübung des Lehramts das 70. Lebensjahr fest-
gesetzt; sie behalten zwar auch nach dieser Zeit ihr
Gehalt und das Recht, zu lehren, aber die Pro-
fessur selbst wird von einem Nachfolger verwaltet.
Pflichten und Ahndung von Vergehungen sind in
Preußen für die Professoren der Hochschulen durch
das Disziplinargesetz für nichtrichterliche Beamte
vom 11. Juli 1852 geregelt. — Ist ein Lehrstuhl
frei geworden, so schlägt die Fakultät dem Kultus-
ministerium gewöhnlich drei Kandidaten vor, aus
denen die Staatsregierung nach eignem Ermessen
die Wahl treffen kann. Bei der Errichtung von
neuen Lehrstellen kommt ein Vorschlagsrecht der
Fakultäten nicht zur Geltung.
Die Besoldung und das Honorar der Hochschul-
dozenten waren am Ende des 19. Jahrh. Gegen-
stand wiederholter Untersuchungen und Reform-
vorschläge in den Verwaltungen und bei Privaten.
Bei manchen Regierungen bestand der Plan, die
Honorare der Studenten für die Vorlesungen ab-
zuschaffen und dafür das Gehalt der Professoren
auf Grund eines Normaletats zu erhöhen und
auszugleichen (s. G. Runze, Die akademische
Laufbahn und ihre ökonomische Reglung (1895)j;
L. Elster, Die Gehälter der Universitätsprofessoren
und die Vorlesungshonorare, in Conrads Jahr-
büchern für Nationalöfonomie [1897); E. Horn,
Kolleg und Honorar [18971l). Das Gehalt der
Professoren ist in Preußen nach der seit dem 1. April
1909geltenden letzten Besoldungsordnung geregelt.
Das Grundgehalt für den ordentlichen Professor
beträgt danach 4200, für den außerordentlichen
2600 M. Dann steigen fünf Gehaltsstufen in je
vier Jahren bis zu 6600 M’ bzw. 4800 M. Hierzu
tritt das Einkommen aus dem Honorar der Hörer
für die Privatvorlesungen, Seminarien und Prak-
tika. (Die Lage der außerordentlichen Professoren
an den preußischen Universitäten (19111.) In
Osterreich wurde im Jahr 1896 das Kollegien-
honorar verstaatlicht; statt wie bisher an die Uni-
versitälskasse (Quästur), wird es an die Staatskasse
entrichtet und den Professoren der dadurch ent-
standene Ausfall durch ein höheres Gehalt ersetzt.
Die für den Privatdozenten geltenden
Rechtsbestimmungen sind in den einzelnen deut-
schen Staaten verschieden. An den meisten Uni-
versiläten erhält er die Befugnis zur Abhaltung
von Vorlesungen, Ubungen, Kursen (venia le-
Universitäten.
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zendi) von der Fakultät. Durch seine Habili-
tation wird er Mitglied des Lehrkörpers, ist aber
ohne Amtscharakter. Sein Recht, zu lehren, erlischt,
wenn er zwei Semester hindurch keine Vorlesungen
mehr ankündigt. In Bayern erhält er die Befug-
nis und zugleich die Pflicht zur Abhaltung von
mindestens einer Vorlesung durch den Landes-
herrn, durch den auch dieses Recht wieder entzogen
werden kann. In Osterreich bedarf die Zulassung
durch die Fakultät der Genehmigung des Unter-
richtsministeriums. — Das Disziplinarrecht gegen-
über den Privatdozenten wird von der Fakultät
geübt. Bei Ordnungsstrafen kommt in Preußen
durch Gesetz vom 17. Juni 1898 (lek Arons)
das Ministerium als zweite Instanz hinzu; soll
die Entziehung der venia legendi ausgesprochen
werden, so ist ein regelrechtes Disziplinarverfahren
vonnöten, das in erster Instanz durch die Fakul-
tät, in zweiter durch das Ministerium gehand-
habt wird.
Literatur. 1. Allgemeines: Erman u. Horn,
Bibliographie der deutschen U.; F. Schleiermacher,
Gelegentliche Gedanken über U. in deutschem
Sinn. Nebst einem Anhang über eine neu zu er-
richtende (1808); Fr. K. v. Savigny, über Wesen
u. Wert der deutschen U., in Rankes Histor. polit.
Zeitschrift, Jahrg. 1832; J. H. Newman, Wesen
u. Wirken der U. (1858); F. Hettinger, Organis-
mus der Universitätswissenschaften (1862); J. J.
Döllinger, Die Ul. sonst u. jetzt (1867); H. v. Sy-
bel, Die deutschen u. die auswärtigen U. (1868);
Jürgen Bona Meyer, Deutsche Universitätsentwick-
lung. Vorzeit, Gegenwart u. Zukunft (1875); A.
Dechevrens S. J., Les universités catholiques
autrefois et aujourd'’hui (1895); J. M. Hart,
German Universities (1874); H. Rashdall, The
Universities of Europe in the Middle Ages (2 Bde,
Oxford 1895). Vgl. d. Art. in folgenden Lexika:
Bezzer u. Weltes Kirchenlexikon, 2. Ausg.; Bluntschli
u. Brater, Deutsches Staatswörterbuch; Grand
Dictionnaire universel du XIXe siecle (1875);
Encyclopacdia Britannica (°1888); Fr. v. Bezold,
Die ältesten deutschen U. in ihrem Verhältnis zum
Staat, in der Histor. Zeitschrift LXXX (1898);
E. v. d. Leyen, Deutsche Universität u. deutsche Zu-
kunft (1906); Jos. Sachs, Hochschulfragen; darin:
Zur Entwicklung der kgl. Lyzeen in Bayern (1910).
2. Geschichtliches: C. Meiners, Geschichte der
Entstehung u. Entwicklung der hohen Schulen un-
seres Erdteils (4 Bde, 1802/05); Fr. K. v. Savi-
cny, Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter
(3 Bde, 2. Ausg., 1834); A. Tholuck, Das akadem.
Leben des 17. Jahrh. mit besonderer Beziehung auf
die protestantisch-theolog. Fakultäten Deutschlands
(2 Bde, 1853/54); Th. Muther, Aus dem Univer-
sitäts- u. Gelehrtenleben im Zeitalter der Refor-
mation (1866); R. v. Stinhing, Geschichte der
deutschen Rechlswissenschaft (1880/84); Fr. Paul-
sen, Die Gründung der deutschen U. Organisation
u. Lebensordnungen der deutschen U. im Mittel-
alter, in Sybels Histor. Zeitschrift XI,V (1881);
D. Heinrich Denifle, Die Entstehung der U. des
Mittelalters bis 1100 (1885); G. Kaufmann, Die
Geschichte der deutschen U. (2 Bde, 1888/96); da-
zu: Histor. Jahrbuch der Görresgesellschaft X
(1889); TAh. Puschmann, Geschichte des medizini-