Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

641 
Tüchtigkeit zu diesem Geschäft nachweisen und 
seinen Plan sowohl in Stellung der Erziehung 
als des Unterrichts zur Genehmigung vorlegen. 
Auch sind solche Privatschulen und Erziehungs- 
anstalten der Aussicht der Ortsschulbehörde unter- 
worfen. Die Aufsicht erstreckt sich auch auf die Ver- 
pflegung ebenso wie auf die physische und moralische 
Erziehung und den Unterricht (Allgem. Landrecht 
TI II, Tit. 12, § 3 f). Nach einer Staats- 
ministerialinstruktion vom 19. Okt. 1880 hängt 
die Konzessionserteilung von der Bedürfnisfrage 
ab und kann widerrufen werden. Die Privat- 
schulen unterliegen in allen Beziehungen genau 
denselben Aufsichtsbedingungen wie die entsprechen- 
den öffentlichen. Die Vorsteher sind verpflichtet, 
auch die allgemeinen Vorschriften über das Schul- 
wesen zu beachten, insbesondere rücksichtlich der 
Anstellung und Anderung der Lehrkräfte. Sogar 
Kleinkinderbewahranstalten und Warte- 
schulen unterstehen nach dieser Instruktion der 
Ortsschulbehörde, welche auch die Erlaubnis er- 
teilt. Auch Schulen für weibliche Handarbeiten, 
gleichviel ob sie von schulpflichtigen oder nicht mehr 
schulpflichtigen Mädchen besucht werden, unter- 
tehen ebenfalls der Ortsschulbehörde. Selbst der 
Privatunterricht, der nicht in Schulen erfolgt, 
ist der Ortsschulbehörde nach dem Allgem. Land- 
recht unterstellt (d. a. O. 8 8). Der § 14 der ge- 
nannten Instruktion bestimmt: Personen, welche 
ein Gewerbe daraus machen, in solchen Lehr- 
gegenständen die zum Kreis der verschiedenen 
öffentlichen Schulen gehören, Privatunterricht in 
Familien oder in Privatanstalten zu erteilen, 
müssen ein wissenschaftliches Prüfungszeugnis und 
ein Zeugnis über ihre sittliche Tüchtigkeit bei- 
bringen; für den Privatunterricht in andern 
Gegenständen als denen der öffentlichen Schulen 
brauchen sie indes nur ihre sittliche Tüchtigkeit 
nachzuweisen. Dies bezieht sich jedoch nur auf 
den Unterricht an jugendliche Personen; Unter- 
richt an Erwachsene zu erteilen, steht jedem frei. 
Die Art, in welcher die wissenschaftliche Tüchtig- 
keit der Privatlehrer nachzuweisen ist, ist im all- 
gemeinen dieselbe wie für die entsprechenden öffent- 
lichen Lehrer. Es wird ein wissenschaftlicher Er- 
laubnisschein für ein Jahr unentgeltlich erteilt. 
Geistliche und Lehrer bedürfen keiner Erlaubnis 
für den Privatunterricht. Die Privatlehrer unter- 
stehen in allen Beziehungen der Aussicht der Orts- 
schulbehörde. Hauslehrer ist derjenige, der 
als Mitglied des Hausstands aufgenommen ist. 
Hauslehrer und Erzieher oder Erzieherinnen haben 
sich mit einem Erlaubnisschein der Königl. Re- 
gierung zu versehen, der für den Regierungsbezirk 
erteilt wird. Bei Beurteilung der Befähigung 
eines Hauslehrers ist der Nachweis der Befähigung 
für ein Lehramt nicht erforderlich; nur die not- 
wendige Elementarbildung muß der Betreffende 
besitzen. So ist in Preußen das ganze Unterrichts- 
wesen bis zum Privat= und Hauslehrer ein staat- 
liches Monopol, und in ähnlicher Weise ist es in 
Staatslexikon. V. 3. u. 4. Aufl. 
Unterrichtswesen. 
  
642 
den andern Staaten geregelt (vgl. Petersilie, Das 
öffentliche Unterrichtswesen 1 432 ff). 
Die Unterhaltung der Elementarschule 
liegt in erster Linie den Eltern ob, und in der 
Vergangenheit haben ja die Eltern durch das 
Schulgeld die Schulen ganz oder wenigstens zum 
größten Teil unterhalten. Die Armenschulen 
galten als ein Werk der Barmherzigkeit, als ein 
Almosen, das aus freiem Willen von den einzelnen 
oder im Bedürfnisfall von der Gemeinde oder 
Kirche oder dem Staat geleistet wurde. Seitdem 
man jedoch zu der Überzeugung kam, daß die 
Schulen eine für das Bestehen der Gemeinde, der 
ganzen Gesellschaft und des Staats notwendige 
Einrichtung seien, wurde mehr und mehr den 
Eltern die Last abgenommen und der Gemeinde 
und dem Staat übertragen. So kam in Preußen 
die Erhebung von Schulgeld durch das Gesetz 
vom 14. Juni 1888 bei den Volksschulen allge- 
mein in Fortfall. Wo Lern= bzw. Schulzwang 
besteht, und soweit er mit Recht besteht, ist diese 
Entwicklung wohl gerechtfertigt. Wo die Ent- 
wicklung staatlicher Schulen die Gründung freier 
Schulen zu einem Bedürfnis macht, ist der Staat 
verpflichtet, entweder die Kosten der Schulen wieder 
den Eltern aufzuerlegen, soweit sie dazu fähig 
sind, oder den freien Schulen, welche den not- 
wendigen Forderungen entsprechen, dieselbe Geld- 
unterstützung zukommen zu lassen wie den staat- 
lichen Anstalten. 
In Preußen sollen die Mittel zur Errich- 
tung, Unterhaltung oder Erweiterung der öffent- 
lichen Volksschule nach Art. 25 der Verfassung 
von der Gemeinde und im Fall des nachgewiesenen 
Unvermögens ergänzungsweise vom Staat auf- 
gebracht werden. Unter den Gemeinden sind ge- 
wöhnlich die Schulsozietäten zu verstehen, d. h. 
die sämtlichen „Hausväter“ (wirtschaftlich selbstän- 
dige Personen) jedes Orts ohne Unterschied, ob 
sie Kinder haben oder nicht. Die Beiträge müssen 
vom Schulvorstand unter die „Hausväter“ nach 
Verhältnis ihrer Besitzungen billig verteilt werden. 
Da die hierbei in Frage kommenden Rechts- 
verhältnisse oft recht verwickelt und unklar sind, 
werden in neuerer Zeit die Schullasten vielfach 
freiwillig von der bürgerlichen Gemeinde über- 
nommen, besonders in Städten, wozu allerdings 
die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich 
ist. Auf Grund des am 1. April 1908 in Kraft 
getretenen neuen preußischen Schulunterhaltungs- 
gesetzes werden in den Gemeinden die Schullasten 
als Gemeindelast aufgebracht, in den Gutsbezirken 
vom Gutsbesitzer getragen, in den Gesamtschul- 
verbänden aber auf die den Verband bildenden 
Kommunalverbände verteilt. — In Bayern hat 
nach dem Schulbedarfsgesetz vom 28. Juli 1902 
die politische Gemeinde den gesamten Schulbedarf 
festzusetzen und aufzubringen. Auch in Olden- 
burg ist durch das neue Schulgesetz vom 4. Febr. 
1910 die Volksschule im Gegensatz zu dem bis- 
herigen Brauch ganz auf die politische Gemeinde 
21 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.