Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

661 Untertan — 
diesem Grundsatz ist gemacht für die Kur= und 
Pflegekosten derjenigen Personen, welche an einem 
Ort mindestens eine Woche hindurch gegen Lohn 
oder Gehalt in ein und demselben Dienstverhäll- 
nis gestanden haben und während der Fortdauer 
dieses Dienst= oder Arbeiterverhältnisses oder inner- 
halb einer Woche nach seiner Beendigung erkranken. 
Die Kur= und Pflegekosten dieser Personen wie 
auch ihrer Angehörigen, die sich bei ihnen be- 
finden und ihren Unterstützungswohnsitz teilen, 
trägt für die ersten 26 Wochen endgültig der 
Ortsarmenverband des Dienst= oder Arbeitsorts. 
Soweit nach Bestimmung der Landesgesetze ein- 
zelne Zweige der öffentlichen Armenpflege den 
Landarmenverbänden übertragen sind, gehen auf 
diese die Rechte und Pflichten der Ortsarmen- 
verbände über (§ 32a). 
Das Verfahren in Streitsachen der Armen- 
verbände, welchem eine eingehende Vernehmung 
des Unterstützten über seine Heimats-, Familien= 
und Aufenthaltsverhältnisse durch den betreffenden 
Ortsarmenverband vorherzugehen hat, richtet sich 
nach den Vorschriften der §§ 34/37 des Gesetzes. 
Der Anspruch auf Kostenersatz muß bei Ver- 
meidung des Verlustes binnen sechs Monaten 
nach begonnener Unterstützung bei dem vermeint- 
lich verpflichteten Armenverband angemeldet wer- 
den, und falls dieser nicht zu ermitteln ist, bei der 
zuständigen vorgesetzten Behörde des beteiligten 
Armenverbands. Streitigkeiten zwischen verschie- 
denen Armenverbänden ein und desselben Bundes- 
staats werden auf dem durch die Landesgesetze 
vorgeschriebenen Weg entschieden. Gehören die 
streitenden Armenverbände verschiedenen Bundes- 
staaten an, so kommen die Bestimmungen der 
§58 38/51 des Gesetzes in Anwendung. Über den 
erhobenen Anspruch wird im Verwaltungsweg ent- 
schieden. Die Zuständigkeit, den Instanzenzug 
sowie das Verfahren bestimmt innerhalb jedes 
Bundesstaats, vorbehaltlich der Vorschriften dieses 
Gesetzes, die Landesgesetzgebung. Die Entschei- 
dung erfolgt durch schriftlichen, mit Gründen ver- 
sehenen Beschluß. Ist dabei für den in Anspruch 
genommenen Armenverband eine Verpflichtung 
zur Ubernahme eines Hilfsbedürftigen gegründet, 
so muß dies im Beschluß ausdrücklich ausge- 
sprochen werden (8 40). Bildet die Organisation 
oder örtliche Abgrenzung der einzelnen Armen- 
verbände den Streitgegenstand, so ist die Entschei- 
dung der höchsten landesgesetzlichen Instanz eine 
endgültige, im übrigen findet gegen deren Ent- 
scheidung nur die Berufung an das Bundesamt 
für das Heimatwesen statt, welche binnen 14tägiger 
ausschließender Frist von Behändigung der ange- 
fochtenen Entscheidung an bei der Behörde, welche 
diese Entscheidung erlassen hat, schriftlich anzu- 
melden ist (§ 116). Das Bundesamt ist eine 
ständige kollegiale Behörde mit dem Sitz in Ber- 
lin. Sie besteht aus einem vom Bundespräsidium 
auf Vorschlag des Bundesrats auf Lebenszeit 
ernannten Vorsitzenden und mindestens vier in 
  
  
Urheberrecht. 662 
gleicher Weise bestellten Mitgliedern. Der Vor- 
sitzende und mindestens die Hälfte der Mitglieder 
muß die Fähigkeit zum höheren Richteramt be- 
sitzen. Die Abfassung einer gültigen Entschei- 
dung des Bundesamts erfordert die Anwesenheit 
von mindestens drei Mitgliedern, von welchen 
mindestens eines die vorgeschriebene richterliche 
Fähigkeit haben muß. Gegen die Entscheidung 
des Bundesamts gibt es kein weiteres Rechts- 
mittel. Die Vollstreckung der Entscheidung regeln 
die §§ 53/59 des Gesetzes. Wurde gemäß § 5 
des Freizügigkeitsgesetzes vom 1. Nov. 1867 
auf Ausweisung eines Hilfsbedürftigen erkannt, 
so können die zur vorläufigen Unterstützung bzw. 
zur Ubernahme eines Hilfsbedürftigen verpflich- 
teten Armenverbände die tatsächliche Vollstreckung 
der Ausweisung durch eine unter sich zu treffende 
Einigung über das Verbleiben der auszuweisen- 
den Person in ihrem bisherigen Aufenthaltsort 
gegen Gewährung eines bestimmten Unterstützungs- 
betrags seitens des letztgedachten Armenverbands 
dauernd oder zeitweilig ausschließen. Unter ge- 
wissen Umständen, wenn z. B. mit der Aus- 
weisung Gefahr für Leben oder Gesundheit des 
Auszuweisenden oder seiner Angehörigen ver- 
bunden wäre, kann auch ohne eine solche Eini- 
gung durch die zur Entscheidung in erster In- 
stanz zuständige Behörde des Ortsarmenverbands 
des Aufenthaltsorts Umgangnahme von dem Voll- 
zug der Ausweisung verfügt werden. Aus- 
länder müssen vorläufig von demjenigen Orts- 
armenverband unterstützt werden, in dessen Bezirk 
sie sich beim Eintritt der Hilfsbedürftigkeit be- 
finden, vorbehaltlich des Kostenersatzes bzw. der 
Übernahme des betreffenden Ausländers durch den- 
jenigen Bundesstaat, dem der Ortsarmenverband 
der vorläufigen Unterstützung angehört. Jeder 
Bundesstaat kann jedoch diese Verpflichtung durch 
Landesgesetz auf seine Armenverbände übertragen. 
Durch das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz 
werden Rechte und Verbindlichkeiten nur zwischen 
den zur Gewährung öffentlicher Unterstützung nach 
Vorschrift dieses Gesetzes verpflichteten Verbänden 
(Orts= und Landarmenverbänden, Bundesstaaten) 
begründet, die auf andern Titeln (z. B. Familien-, 
Dienstverhältnis, Vertrag usw.) beruhenden Ver- 
pflichtungen zur Unterstützung eines Hilfsbedürf- 
tigen aber nicht berührt (88 60. 61). 
Literatur. Wohlers, Das Reichsgesetz über 
den U., 12. Aufl. von Krech (1910); Eger, Das 
Reichsgesetz über den U. (51909); Schmedding, Das 
deutsche Armenrecht (1909). 
[Widder, rev. Schmedding.] 
Untertan s. Staatsangehörigkeit. 
Urheberrecht. LAllgemeines; Urheberrecht 
an Werken der Literatur und der Tonkunst; Ur- 
heberrecht an Werken der bildenden Künste und 
der Photographie; Gesetzgebung des Auslands; 
Internationales Urheberrecht.)] 
I. Allgemeines. Der Art. 4 der Verfassung 
des Norddeutschen Bunds, später des Deutschen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.