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diesem Grundsatz ist gemacht für die Kur= und
Pflegekosten derjenigen Personen, welche an einem
Ort mindestens eine Woche hindurch gegen Lohn
oder Gehalt in ein und demselben Dienstverhäll-
nis gestanden haben und während der Fortdauer
dieses Dienst= oder Arbeiterverhältnisses oder inner-
halb einer Woche nach seiner Beendigung erkranken.
Die Kur= und Pflegekosten dieser Personen wie
auch ihrer Angehörigen, die sich bei ihnen be-
finden und ihren Unterstützungswohnsitz teilen,
trägt für die ersten 26 Wochen endgültig der
Ortsarmenverband des Dienst= oder Arbeitsorts.
Soweit nach Bestimmung der Landesgesetze ein-
zelne Zweige der öffentlichen Armenpflege den
Landarmenverbänden übertragen sind, gehen auf
diese die Rechte und Pflichten der Ortsarmen-
verbände über (§ 32a).
Das Verfahren in Streitsachen der Armen-
verbände, welchem eine eingehende Vernehmung
des Unterstützten über seine Heimats-, Familien=
und Aufenthaltsverhältnisse durch den betreffenden
Ortsarmenverband vorherzugehen hat, richtet sich
nach den Vorschriften der §§ 34/37 des Gesetzes.
Der Anspruch auf Kostenersatz muß bei Ver-
meidung des Verlustes binnen sechs Monaten
nach begonnener Unterstützung bei dem vermeint-
lich verpflichteten Armenverband angemeldet wer-
den, und falls dieser nicht zu ermitteln ist, bei der
zuständigen vorgesetzten Behörde des beteiligten
Armenverbands. Streitigkeiten zwischen verschie-
denen Armenverbänden ein und desselben Bundes-
staats werden auf dem durch die Landesgesetze
vorgeschriebenen Weg entschieden. Gehören die
streitenden Armenverbände verschiedenen Bundes-
staaten an, so kommen die Bestimmungen der
§58 38/51 des Gesetzes in Anwendung. Über den
erhobenen Anspruch wird im Verwaltungsweg ent-
schieden. Die Zuständigkeit, den Instanzenzug
sowie das Verfahren bestimmt innerhalb jedes
Bundesstaats, vorbehaltlich der Vorschriften dieses
Gesetzes, die Landesgesetzgebung. Die Entschei-
dung erfolgt durch schriftlichen, mit Gründen ver-
sehenen Beschluß. Ist dabei für den in Anspruch
genommenen Armenverband eine Verpflichtung
zur Ubernahme eines Hilfsbedürftigen gegründet,
so muß dies im Beschluß ausdrücklich ausge-
sprochen werden (8 40). Bildet die Organisation
oder örtliche Abgrenzung der einzelnen Armen-
verbände den Streitgegenstand, so ist die Entschei-
dung der höchsten landesgesetzlichen Instanz eine
endgültige, im übrigen findet gegen deren Ent-
scheidung nur die Berufung an das Bundesamt
für das Heimatwesen statt, welche binnen 14tägiger
ausschließender Frist von Behändigung der ange-
fochtenen Entscheidung an bei der Behörde, welche
diese Entscheidung erlassen hat, schriftlich anzu-
melden ist (§ 116). Das Bundesamt ist eine
ständige kollegiale Behörde mit dem Sitz in Ber-
lin. Sie besteht aus einem vom Bundespräsidium
auf Vorschlag des Bundesrats auf Lebenszeit
ernannten Vorsitzenden und mindestens vier in
Urheberrecht. 662
gleicher Weise bestellten Mitgliedern. Der Vor-
sitzende und mindestens die Hälfte der Mitglieder
muß die Fähigkeit zum höheren Richteramt be-
sitzen. Die Abfassung einer gültigen Entschei-
dung des Bundesamts erfordert die Anwesenheit
von mindestens drei Mitgliedern, von welchen
mindestens eines die vorgeschriebene richterliche
Fähigkeit haben muß. Gegen die Entscheidung
des Bundesamts gibt es kein weiteres Rechts-
mittel. Die Vollstreckung der Entscheidung regeln
die §§ 53/59 des Gesetzes. Wurde gemäß § 5
des Freizügigkeitsgesetzes vom 1. Nov. 1867
auf Ausweisung eines Hilfsbedürftigen erkannt,
so können die zur vorläufigen Unterstützung bzw.
zur Ubernahme eines Hilfsbedürftigen verpflich-
teten Armenverbände die tatsächliche Vollstreckung
der Ausweisung durch eine unter sich zu treffende
Einigung über das Verbleiben der auszuweisen-
den Person in ihrem bisherigen Aufenthaltsort
gegen Gewährung eines bestimmten Unterstützungs-
betrags seitens des letztgedachten Armenverbands
dauernd oder zeitweilig ausschließen. Unter ge-
wissen Umständen, wenn z. B. mit der Aus-
weisung Gefahr für Leben oder Gesundheit des
Auszuweisenden oder seiner Angehörigen ver-
bunden wäre, kann auch ohne eine solche Eini-
gung durch die zur Entscheidung in erster In-
stanz zuständige Behörde des Ortsarmenverbands
des Aufenthaltsorts Umgangnahme von dem Voll-
zug der Ausweisung verfügt werden. Aus-
länder müssen vorläufig von demjenigen Orts-
armenverband unterstützt werden, in dessen Bezirk
sie sich beim Eintritt der Hilfsbedürftigkeit be-
finden, vorbehaltlich des Kostenersatzes bzw. der
Übernahme des betreffenden Ausländers durch den-
jenigen Bundesstaat, dem der Ortsarmenverband
der vorläufigen Unterstützung angehört. Jeder
Bundesstaat kann jedoch diese Verpflichtung durch
Landesgesetz auf seine Armenverbände übertragen.
Durch das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz
werden Rechte und Verbindlichkeiten nur zwischen
den zur Gewährung öffentlicher Unterstützung nach
Vorschrift dieses Gesetzes verpflichteten Verbänden
(Orts= und Landarmenverbänden, Bundesstaaten)
begründet, die auf andern Titeln (z. B. Familien-,
Dienstverhältnis, Vertrag usw.) beruhenden Ver-
pflichtungen zur Unterstützung eines Hilfsbedürf-
tigen aber nicht berührt (88 60. 61).
Literatur. Wohlers, Das Reichsgesetz über
den U., 12. Aufl. von Krech (1910); Eger, Das
Reichsgesetz über den U. (51909); Schmedding, Das
deutsche Armenrecht (1909).
[Widder, rev. Schmedding.]
Untertan s. Staatsangehörigkeit.
Urheberrecht. LAllgemeines; Urheberrecht
an Werken der Literatur und der Tonkunst; Ur-
heberrecht an Werken der bildenden Künste und
der Photographie; Gesetzgebung des Auslands;
Internationales Urheberrecht.)]
I. Allgemeines. Der Art. 4 der Verfassung
des Norddeutschen Bunds, später des Deutschen