Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Reichs, unterwirft der Beaufsichtigung und Ge- 
setzgebung desselben unter Ziffer 5 die Erfindungs- 
patente und unter 6 den Schutz des geistigen 
Eigentums. Auf Grund und in Ausführung 
dieser Verfassungsbestimmung sind dann im Lauf 
der Zeit Bundes= bzw. Reichsgesetze über die 
unter II und III bezeichneten Rechte, ferner über 
das Patentrecht, das Geschmacksmusterrecht, das 
Gebrauchsmusterrecht und das Warenzeichenrecht 
ergangen. Die vier letzteren sind in dem Art. 
Patentrecht mitbehandelt worden; die beiden 
ersteren sind Gegenstand der folgenden Erörte- 
rungen. 
Aus der gesonderten Hervorhebung der Erfin- 
dungspatente in der vorerwähnten Ziffer 5 neben 
dem geistigen Eigentum in Ziffer 6 in Art. 4 der 
Reichsverfassung ist zunächst nicht zu folgern, daß 
nach Auffassung der letzteren das Erfinderrecht 
von anderer juristischer Beschaffenheit sei als 
diejenigen Rechte, welche die Ziffer 6 im Auge 
hat, und weiterhin ebensowenig, daß mit der in 
dieser letzteren Ziffer angewendeten zusammenfas- 
senden Bezeichnung der hierher gerechneten Rechte 
als geistiges Eigentum deren juristische Natur 
hätte festgelegt werden sollen. Diese Zusammen- 
fassung hat vielmehr nur technische Bedeutung, sie 
will nichts anderes sein als ein Hinweis darauf, 
daß es sich um den Schutz geistiger Erzeugnisse 
handeln solle, „um dem Recht einen Namen zu 
geben, nicht um sein Wesen zu kennzeichnen“. Die 
ergangenen Gesetze vermeiden es, von geistigem 
Eigentum zu sprechen; sie bezeichnen sich als Ge- 
setze betreffend das „Urheberrecht“ usw. und wollen 
die juristische Konstruktion der Wissenschaft und 
Praxis überlassen. Von diesen ist aber eine Ein- 
heitlichkeit in dieser Richtung nicht erzielt worden 
und wird auch wohl in absehbarer Zeit nicht er- 
reicht werden. An das Wort Urheberrecht läßt 
sich keine Konstruktion anknüpfen. Mit ihm ver- 
bindet sich nur die Vorstellung, daß das Recht den 
Interessen der Urheber an der Verwertung ihrer 
geistigen Schöpfungen dienen soll; es gibt aber 
keinerlei Aufschluß über Inhalt und Wesen des 
Rechts. Um diese zu erfassen, muß man dann auf 
die einzelnen Urheberrechtsgesetze zurückgreifen, 
womit nichts gewonnen ist. Ebensowenig brauch- 
bar als juristischer Begriff ist die Bezeichnung 
des Urheberrechts als Immaterialgüterrecht, d. h. 
also ein „Recht an einem außerhalb des Menschen 
stehenden, aber nicht körperlichen, nicht faß= und 
greisbaren Rechtsgut“, welches von beachtens- 
werten Gelehrten empfohlen wird. So zutreffend 
diese Bezeichnung an sich auch ist, so sagt sie doch 
bloß aus, daß der Gegenstand des Rechts kein 
körperlicher ist und daß also neben den Rechten 
an körperlichen Sachen auch solche an unkörper- 
lichen Gegenständen anerkannt werden, deutet 
aber nicht im geringsten an, was denn der Inhalt 
des Rechts ist. Eine andere Ansicht bringt das 
Urheberrecht unter den Begriff der Persoönlich- 
keits= oder Individualrechte, und das Reichsgericht, 
Urheberrecht. 
  
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welches ein allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht 
gelten läßt, sondern nur einzelne besondere ge- 
setzlich geregelte Persönlichkeitsrechte, erkennt an, 
daß im Urheberrecht persönlichkeitsrechtliche Be- 
standteile enthalten seien. Wieder andere erblicken 
im Urheberrecht an sich überhaupt kein positives 
Recht, sondern nur die Reflexwirkung von Ver- 
botsgesetzen oder, positiv ausgedrückt, ein „durch 
Gesetz verliehenes, zeitlich beschränktes, an gewisse 
Bedingungen geknüpftes Monopol“, „eine Be- 
schränkung der allgemeinen Gewerbefreiheit, indem 
die gewerbliche Verwertung der geistigen Arbeit 
allen außer dem Autor oder seinem Rechtsnach- 
folger untersagt und an die Verletzung dieses 
Verbots eine Strafe und eine Schadensersatzpflicht 
oder eine Buße geknüpft ist“. Ein ebenso bedeut- 
samer Teil der Wissenschaft endlich konstruiert im 
Urheberrecht ein dem Eigentum an körperlichen 
Sachen analoges geistiges Eigentum. Nach den 
Vertretern dieser Anschauung ist das Urheberrecht 
im objektiven Sinn der „Inbegriff der Normen, 
welche die Rechtsordnung an eine in äußere Er- 
scheinung getretene geistige Schöpfung knüpft“, 
und im subjektiven Sinn „die ausschließliche, 
prinzipiell unbeschränkte, vollständige Herrschaft 
des Urhebers über seine geistige Schöpfung“. 
Darin sind die Merkmale des Eigentums, wie sie 
sonst unsere Wissenschaft aufstellt, gegeben und 
auf das Recht an dem unkörperlichen Geistesgut 
übertragen. Diese Konstruktion erscheint durchaus 
unbedenklich, sofern man nur, was für zulässig 
erachtet werden muß, das Wort Eigentum nicht 
auf die äußere Erscheinung der geistigen Schöpfung, 
sondern auf ihren geistigen Gehalt in dieser äußeren 
individuellen Gestaltung, also auf das Imma- 
terielle der Schöpfung bezieht. Die Bezeichnung 
entspricht auch der volkstümlichen Gewohnheit, 
schließt sich der Ausdrucksweise der deutschen Reichs- 
verfassung an und folgt auch dem Sprachgebrauch 
der einschlägigen Gesetzgebung der meisten fremden 
Nationen. 
Mit dieser konstruktiven Zurückführung der 
Urheberrechte auf einen einheitlichen Begriff kommt 
klar zum Ausdruck, daß deren Rechtsnatur ein und 
dieselbe ist. Auch in ihrer positiven Ausgestaltung 
in den verschiedenen Urheberrechtsgesetzen weisen 
sie neben den durch den Gegenstand naturgemäß 
gegebenen Abweichungen voneinander viele ge- 
meinsame Grundzüge auf, deren gemeinsame Be- 
handlung sowohl gesetzgeberisch wie wissenschaftlich 
an sich nicht ausgeschlossen ist. Dahin gehören 
z. B. die Grundsätze über die Begründung des 
Urheberrechts, über seine Beendigung, über Ver- 
erbung und Ubertragung. über den zivil- und den 
strafrechtlichen Schutz, über die Unzulässigkeit der 
Zwangsvollstreckung. Es erscheint indessen prak- 
tischer, auch diese Punkte gesondert zu behandeln. 
Nicht zu übersehen ist, daß die zu erörternde 
Spezialgesetzgebung das Urheberrecht nicht er- 
schöpft, daß vielmehr neben ihr noch das B.G.B., 
soweit es sich um privatrechtliche Fragen, und das
	        
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