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keit zu ersetzen, während der Darleiher, der von
dem hingegebenen Kapital Zinsen bezieht, dazu
keinen Antrieb habe. Die Steuer werde daher aus
dem Einkommen bezahlt und schwäche das Pro-
duktivkapital des Volks nicht; die Anleihe dagegen
entziehe Kapitalien der produktiven Verwendung
in der Volkswirtschaft und wirke zugleich auf all-
gemeine Erhöhung des Zinsfußes zum Vorteil
der Kapitalisten, aber zum Nachteil der Industrie
und Landwirtschaft. Außerdem ist zu berücksich-
tigen, daß erfahrungsmäßig die Tendenz zur Er-
weiterung der Staatsaufgaben und damit zur Er-
höhung des zukünftigen Staatsaufwands besteht,
daß die Ereignisse der Folgezeit leicht neue schwere
Anforderungen an die Finanzkraft des Staats
stellen können, sowie daß die andauernde Nutz-
wirkung einer Ausgabe immer mehr oder weniger
zweifelhaft ist. Es kann daher wohl geraten sein,
auch solche Ausgaben, deren Deckung durch Kredit-
benutzung nicht unzulässig wäre, statt dessen durch
Forterhebung der bestehenden Steuern zu be-
streiten, wenn diese dazu ausreichen, oder auch
eine mäßige Steuererhöhung zu diesem Zweck
nicht zu scheuen. Selbst wenn die Ausgabe einer
rentabeln Kapitalanlage dient, deren Erträgnis
die Zinsenlast für eine dafür aufzunehmende
Schuld ausgleichen würde, ist die ausschließliche
Benutzung des Kredits nicht unbedingt geboten.
In günstigen Zeiten den Staat für spätere Wechsel-
fälle zu stärken, indem man Nutzauellen für die
Zukunft schafft, ohne diese dafür zu belasten,
kann eine weise Maßregel vorsorglicher Finanz-
politik sein. Je mehr aber die Bestreitung einer
außerordentlichen Ausgabe auf dem Weg der Be-
steuerung einen empfindlichen Steuerdruck verur-
sachen würde, um so mehr ist es angezeigt, diesen
durch Benutzung des Kredits zu vermeiden. Eine
ungewohnte hohe Steuerbelastung kann nicht
nur durch die entstehende Unzufriedenheit poli-
tische Gefahren erzeugen, sondern auch volkswirt-
schaftlich weit nachteiliger wirken als eine Anleihe.
Nicht alle Steuerpflichtigen werden sich die Ent-
behrungen und Anstrengungen auferlegen wollen
und können, die erforderlich wären, um eine neue
hohe Steuer aus dem Einkommen zu bezahlen.
Viele werden ihr Kapital angreifen müssen oder
Schulden machen und damit auch den Zinsfuß
steigern, oder sie werden zu ihrem wirtschaftlichen
Ruin der Steuerexekution verfallen. Dabei ist zu
erwägen, daß es keine Steuer und kein Steuersystem
gibt und bei den entgegenstehenden praktischen
Schwierigkeiten jemals geben wird, wodurch den
Anforderungen an gerechte Steuerverteilung voll-
ständig Genüge geleistet würde, und womit nicht
auch Nachteile verbunden wären, die sich aus der
Art der Steuererhebung ergeben. Die Ungleich-
heiten und Mängel einer Besteuerung werden aber
um so fühlbarer, je höher die Steuersätze sind.
Bei mäßigen Sätzen können sie erträglich sein, bei
hohen aber zu den größten Beschwerden und übel-
ständen führen. Zudem sind selbst bei der gerech-
Staatsschulden.
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testen Steuerverteilung für gleich Besteuerte die
Wirkungen hoher Steuern, die aus entbehrlichen
Einnahmen nicht bestritten werden können, sehr
verschieden. Dem einen ist es nicht schwer, Kapital
dafür flüssig zu machen, dem andern kostet es
Opfer, die seiner Wirtschaft verderblich werden.
Durch eine Anleihe zieht der Staat nur solche
Kapitalien an sich, die sich ihm freiwillig anbieten.
Soweit diese aus bisheriger Verwendung in hei-
mischer Produktion herausgezogen werden, wird
allerdings die Volkswirtschaft dadurch beeinträch-
tigt. In allen vorgeschrittenen Staaten finden sich
aber viele disponible Kapitalien, die ohne Schmä-
lerung des Kapitalfonds der inländischen Pro-
duktion zu Darlehen an den Staat hingegeben
werden können, und immer werden es wenigstens
die bisher am mindesten vorteilhaft verwendeten
Kapitalien sein, die man dem Staat anbietet.
Überdies kann die Heranziehung ausländischen
Kapitals zu Hilfe kommen, wenn es an disponi-
belem inländischen fehlt. Freilich werden durch
eine Anleihe die Steuerzahlenden in der Zukunft
mit Beiträgen zu ihrer Verzinsung und Tilgung
belastet. Aber darin liegt eben der Vorzug der
Anleihe, daß durch sie eine große Steuerlast, die
sonst unter schwerem Druck auf einmal zu tragen
wäre, sich auf eine Reihe von Jahren verteilt. Wo
es sich um ungesäumte Verfügung über hohe
Summen handelt, wie dies bei dem Ausbruch
eines Kriegs der Fall ist, dessen Erfolg von mög-
lichst rascher, starker Machtentfaltung abhängt,
zwingt ohnehin, was vorhin schon angedeutet
wurde, das Bedürfnis zur Benutzung des Kredits,
da der Weg einer außerordentlichen Besteuerung
nicht schnell und sicher genug die erforderlichen
Mittel liefern würde. Damitistnicht ausgeschlossen,
kann vielmehr sehr empfehlenswert sein, daß für
einen Teil des Kriegsaufwands auch die Steuer-
kraft des Volks in Anspruch genommen werde,
um die künftige Belastung nicht zu groß werden
zu lassen, zumal dann, wenn der Staatskredit nur
unter ungünstigen Bedingungen benutzt werden
kann. Unter Umständen bleibt auch bei tief ge-
sunkenem Kredit im Drang der Not nichts anderes
übrig, als sich durch außerordentliche Besteuerung,
wenn auch unter der weniger drückenden Form der
Zwangsanleihe, oder durch übermäßige Ausgabe
von Papiergeld mit Zwangskurs, so gut es gehen
mag, zu helfen.
Oben ist bereits darauf hingewiesen worden,
daß der Mangel an inländischen Kapitalien, die
ohne Nachteil für die inländische Produktion dem
Staat dargeliehen werden können, durch Heran-
ziehung fremdländischer Kapitalien ersetzt
werden kann. Sovweit dieses bei einer Anleihe
geschieht, bleiben die Mittel zur Fortführung und
weiteren Entwicklung der heimischen Produktion
ungeschwächt, zum Vorteil der Volkswirtschaft,
sofern nur die Leistung des Kapitals, welches in-
folgedessen der produktiven Verwendung im In-
land verbleibt, an Wert die an die ausländischen