Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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haben das Recht, in den Kammern zu sprechen, 
und müssen erscheinen, wenn diese es verlangen. 
Zurzeit bestehen sechs Ministerien: für Inneres, 
für Außeres, für Krieg und Marine, für Wohl- 
fahrt (Fomento), für öffentliche Arbeiten und für 
öffentlichen Unterricht. 
Der Staatsrat (Regierungsrat) besteht aus 
zehn vom Kongreß auf vier Jahre ernannten Mit- 
gliedern (für die zehn Stellvertreter auf die gleiche 
Weise bestimmt werden); für die Wahl werden 
die 20 Staaten in zehn bestimmte Gruppen ein- 
geteilt, deren jede ein Mitglied wählt. Die Staats- 
räte müssen die gleichen Eigenschaften wie der 
Bundespräsident haben. Der Präsident ist in ge- 
wissen Angelegenheiten an die Anhörung bzw. 
Zustimmung des Regierungsrats gebunden (s. 
oben), außerdem hat der Regierungsrat das Recht, 
die von den Ministern verlangten Zusatzkredite zu 
bewilligen oder zu verweigern, dem Kongreß jähr- 
lich ihm geeignet erscheinende Erkundungen oder 
Beobachtungen hinsichtlich der Gesetze und Ver- 
waltung zu unterbreiten und in allen von der 
Regierung ihm sonst unterbreiteten Angelegen- 
heiten Rat zu erteilen. 
Die Einzelstaaten sind unter sich rechtlich 
gleich und in den meisten innern Angelegenheiten 
vom Bund unabhängig; ihre Verfassungen müssen 
mit den Prinzipien der Bundesverfassung überein- 
stimmen. Die zwei Territorien können Staaten 
werden, falls sie mindestens 35.000 Einwohner 
zählen und vor dem Kongreß den Nachweis er- 
bringen, daß sie fähig sind, eine geordnete Ver- 
waltung einzurichten und zu unterhalten. Gegen- 
über dem Bund haben die Einzelstaaten unter 
anderem sich verpflichtet, zur Ausführung der Ver- 
fassung und der Bundesgesetze mitzuwirken, der 
Regierung des Bunds das nötige Land zur Er- 
richtung von Festungen, Arsenalen, Strafanstalten, 
Werften und Häfen, die Verwaltung des Bundes- 
distrikts und der Territorien, die Vertretung des 
ganzen Landes gegenüber dem Ausland, den 
Bundesgewalten die Jurisdiktion und Exekutive 
hinsichtlich der Küsten= und Flußschiffahrt, der 
Häfen und zwischenstaatlichen Wege zu überlassen, 
keine Auflagen von den zur Ausfuhr bestimmten 
Landeserzeugnissen zu erheben, den zwischenstaat- 
lichen Verkehr nicht zu erschweren, zu den Kosten 
des Bundes= und Kassationsgerichtshofs beizu- 
tragen, dessen Kompetenz in gewissen Sachen an- 
zuerkennen und sich seinen Entscheidungen zu 
unterwerfen, bei Streitigkeiten von Einzelstaaten 
unter sich neutral zu bleiben, dem Bund das Gesetz- 
gebungsrecht über den höheren Unterricht zu über- 
lassen, das auf den Staat fallende Truppenkontin- 
gent zu stellen, die Verwaltung der Odländereien, 
Salinen und Bergwerke, die Erträgnisse daraus, 
aus den Territorialsteuern und dem Branntwein 
dem Bund zu überlassen, der diese Einkünfte auf 
die Einzelstaaten gemäß ihrer Volkszahl verteilt, 
keine Münzen zu prägen und kein Papiergeld aus- 
zugeben. In den übrigen Angelegenheiten sind sie 
Venezuela. 
  
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vom Bund ganz unabhängig. Jeder Staat hat 
seine eigne Verfassung, seine gesetzgebende Körper- 
schaft, die nach den Wahlgesetzen des Staats zu 
wählen ist, einen auf drei Jahre gewählten Prä- 
sidenten, einen Generalsekretär und einen Regie- 
rungsrat. Für die innere Verwaltung sind sie 
eingeteilt in Distrikte und Munizipien; jeder Di- 
strikt hat einen Munizipalrat, jedes Munizipium 
eine Kommunaljunta. 
Die höchste richterliche Gewalt ruht beim 
Bundes= und Kassationsgerichtshof, dem höchsten 
Gericht für die Union wie für die Einzelstaaten; 
er besteht aus sieben, alle vier Jahre vom Kongreß 
in geheimer Abstimmung gewählten (und wieder 
wählbaren) Mitgliedern, die Venezolaner von Ge- 
burt, 30 Jahre alt und Advokaten der Republik 
sein müssen. Der Bundes= und Kassationsgerichts- 
hof ist höchste Kassations= und Revisionsinstanz 
und befindet unter anderem über die gegen den 
Präsidenten der Republik, gegen die Regierungs- 
räte, die Minister, den Generalprokurator, die 
Gouverneure des Bundesdistrikts und der Terri- 
torien und seine eignen Mitglieder erhobenen An- 
klagen, in Verwaltungsstreitigkeiten zwischen meh- 
reren Einzelstaaten oder zwischen diesen und dem 
Bund, in Prisensachen u. dgl.; er hat auch die 
Ungültigkeit der Gesetze des Bundes und der 
Einzelstaaten, die mit der Bundesverfassung in 
Widerspruch stehen, über die Ungültigkeit aller 
Akte der gesetzgebenden Körperschaften oder der 
Exekutive, welche die garantierten Rechte der 
Einzelstaaten verletzen, über Streitigkeiten, die sich 
aus den von den Bundesgewalten abgeschlossenen 
Verträgen ergeben, zu entscheiden. Die Staats- 
anwaltschaft ist vertreten durch einen General- 
prokurator der Nation, der Venezolaner von Ge- 
burt, 30 Jahre alt und Advokat der Republik sein 
muß und auf zwei Jahre von der Abgeordneten- 
kammer gewählt wird und nach Ablauf der Amts- 
dauer wieder wählbar ist. Im übrigen wird die 
Rechtspflege durch die Gerichte der Einzelstaaten 
besorgt; jeder Staat hat einen obersten Gerichts- 
hof (drei Mitglieder), ein Obergericht, Gerichte 
erster Instanz, Distrikts= und Munizipalgerichte. 
Staatskirche von Venezuela ist die römisch- 
katholische Kirche; seit 1854 herrscht volle Reli- 
gionsfreiheit, die jetzt auch in der Verfassung ga- 
rantiert ist. Der Staat hat über die Kirche das 
Patronatsrecht gemäß dem Gesetz vom 28. Juli 
1824, das durch die neue Verfassung ebenfalls als 
gültig anerkannt ist. Der Staat trägt zum Unter- 
halt der Kirchengebäude und des Klerus bei, er 
kontrolliert die kirchlichen Ernennungen und übt 
das Recht des Plazet bei allen Dekreten des Hei- 
ligen Stuhls aus. Der Zutritt auswärtiger Kultus- 
diener kann vom Präsidenten untersagt werden; 
tatsächlich herrscht auch vielfach großer Priester- 
mangel. Die Republik bildet die Kirchenprovinz 
Caracas mit den fünf Suffraganbistümern Mé- 
rida. Guayana, Calabozo, Barquisimeto, Maro- 
caibo; 1909 zählte man 407 Pfarreien, 547
	        
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