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Kirchen, 409 Priester (355 Venezolaner, 42
Spanier, 5 Italiener usw.). 1891 waren von der
Bevölkerung (2 323527) 2220 987 Katholiken,
3361 Protestanten, 247 Israeliten, 98932 An-
hänger anderer Bekenntnisse.
Der Volksschulunterricht ist nach der Ver-
jassung obligatorisch und unentgeltlich, der in den
Kunst= und Gewerbeschulen unentgeltlich. Der
höhere Unterricht unterliegt der Gesetzgebung des
Bundes, während im übrigen die Einzelstaaten
zuständig sind. 1909 gab es 1367 Volksschulen
(24 168 Knaben, 19 411 Mädchen), davon 883
der Einzelstaaten, 184 des Bundes, 220 der Ge-
meinden, 110 private, 37 Volksschulen zweiten
Grades, 102 Anstalten für den Mittelschulunter-
richt (58 für Knaben, 38 für Mädchen, 6 ge-
mischt; 63 privat, 37 staatlich, 2 gemeindlich);
für den höheren Unterricht gibt es 2 Universitäten
(in Caracas und Mérida), 1 Ingenieurschule, 6
kirchliche Seminarien, für den Spezialunterricht
8 Kunstschulen und 6 Kunst= und Gewerbeschulen.
Die bewaffnete Macht besteht aus den
Kontingenten, die von den Einzelstaaten nach der
Höhe ihrer Bevölkerungsziffer gestellt werden; das
stehende Heer besteht aus 20 Bataillonen Infan-
terie (zu je 100 Mann) und 8 Batterien Artillerie
Czu je 200 Mann). Die Flotte hatte 1910: 3 Ka-
nonenboote, 1 bewaffnetes Transport= und 1 be-
waffnetes Schleppschiff, 1 Torpedoboot und 1
Aviso; die Bemannung bildet 1 Bataillon Ma-
rinesoldaten.
Das Wappen, ein guergeteilter, in der
oberen Hälfte gespaltener Schild, zeigt oben links
in Rot eine gelbe Korngarbe, rechts in Gold eine
Trophäe von Waffen und Fahnen; unten in
Blau ein über drei gelbe Berge springendes weißes
Roß. Das Ganze ist umgeben von einer Devise:
Libertad, 19 de Abril 1810, 5 de Julio 1811.
Die Nationalfarben sind Gelb, Blau, Rot. Die
Kriegsflagge ist horizontal gestreift: gelb, blau,
rot mit sechs weißen Sternen, welche kranz-
förmig inmitten des blauen Streifens um einen
siebten geordnet sind; der obere gelbe Streifen
trägt am Flaggenstock einen von Zweigen um-
rahmten, halbgespaltenen (rot und gelb) und ge-
teilten (blau) Wappenschild; der Handelsflagge
fehlt das Wappen.
IV. Die wirtschaftlichen Berhältnisse bauen
sich vor allem auf der Ausnutzung der pflanzlichen
Produktion des Landes auf. Das wichtigste Er-
zeugnis des Landes ist der Kaffee, der große Werte
für die Ausfuhr liefert, dann Zucker und Kakao,
während von den übrigen Erzeugnissen des Feld-
baus wie Weizen, Mais, Tabak, Bananen, Erbsen,
Bohnen, Bukka, Kartoffeln usw. wenig zur Aus-
fuhr kommt; der Anbau von Baumwolle und
Indigo ist gegen früher stark zurückgegangen. In
den Wäldern des südlichen Berglands (Guayana)
wird Kautschuk, Balata, Vanille, Kopaivabalsam,
Gerbstoffe usw. gesammelt. Von größter Bedeu-
tung ist die Viehzucht, die besonders in den weiten
Venezuela.
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Llanos des Orinocoflußgebiets betrieben wird.
wo riesige halbwilde Herden von Rindern, Pfer-
den usw. weiden; man schätzt den Viehbestand
auf 2 Mill. Rinder, 1,7 Mill. Ziegen, 1,6 Mill.
Schweine, 190 000 Pferde, 90 000 Maultiere,
3100000 Esel, 180 000 Schafe. Der Reichtum
des Landes an Mineralschätzen wird noch unvoll-
kommen ausgebeutet; am wichtigsten sind die
Goldfunde im Yuruari (bei El Callao), das Vor-
kommen von Kupfer (bei Aroa), Silber, Eisen,
Kohlen, Zinn, Blei, Petroleum und Asphalt. Die
Industrie ist wenig entwickelt, weshalb viele Indu-
strieprodukte eingeführt werden müssen; vorhanden
sind Zuckerraffinerien, Fabriken von Schokolade,
Likör, Seifen, Zündhölzern, Wagen, Nudeln,
Essig, Ol, Tongeschirr, Stickereien us. Der
Handel, für den hauptsächlich die Häfen La
Guayra, Puerto Cabello, Maracaibo, Ciudad
Bolivar in Betracht kommen, liegt zum großen
Teil in den Händen fremder (auch deutscher)
Firmen. Die Einfuhr belief sich 1908/09 auf
49,18, die Ausfuhr auf 83.145 Mill. Bolivares.
(= 0,80 JM); die wichtigsten Artikel der Ausfuhr
waren Kaffee (10.49), Kakao (17,9), Kautschuk
und Balata (9,13), Häute (6.4), Gold (1.59).
Rinder (1.05) und Federn (1,01 Mill. Boli-
vares). Den größten Anteil am Außenhandel
hatten die Vereinigten Staaten, dann Frankreich,
Großbritannien und Deutschland. Der Schiffsver-
kehr betrug 1909: 939 Fahrzeuge mit 1 081 782
Tonnen im Einlauf, die Handelsmarine besaß
8 Dampfer mit 2046 Tonnen netto und 254
Segelschiffe mit 10 314 Tonnen. Einigermaßen
Ersatz für die außerordentlich schlechten Landver-
bindungen bieten die Wasserwege (an 17 800 km),
besonders der Orinoco, der bis Ciudad Bolivar
mit Seeschiffen befahren werden kann. Im Norden
des Landes gibt es einige Eisenbahnen von der
Küste über die Randgebirge ins Innere (1909:
869 km). An Telegraphen gab es 7839 km,
die Zahl der Postanstalten betrug 282, der Tele-
phonsprechstellen 222.
Die Finanzen des Landes sind ungünstig;
jahrelang konnten nicht einmal die Zinsen der
Staatsschuld aufgebracht werden, doch sind die
Abschlüsse in den letzten Jahren besser geworden
(1908/09 ein Überschuß von 2.8 Mill. Bolivares),
Im Budget 1909/10 sind Einnahmen und Aus-
gaben auf 50 Mill. veranschlagt; Hauptposten der
Einnahmen sind Zölle (22,5) und ein 55% Zu-
schlag (12.237), Salz-, Spirituosensteuer und
Stempeln (12.5 Mill.); der Ausgaben: Finanzen
und Staatsschuld (19,08), Inneres (10,53),
Krieg und Marine (9,57), Unterricht (4,27),
Wohlfahrt (3.3 Mill.). Die Staatsschuld be-
lief sich Anfang 1910 auf 207 995,000 Boli-
vares. Venezuela hat Doppelwährung, will aber
seit langem zur Goldwährung übergehen. Das
Recht zur Notenausgabe haben die Bank von
Venezuela, die Bank von Caracas und die von
Maracaibo. Gesetzlich ist das metrische Maß= und