Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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brechen“ erst in jüngerer Zeit aufgekommen ist, 
so sind doch die Tatbestände, die man darunter 
zu begreifen pflegt, zu allen Zeiten und bei allen 
Völkern als die schlimmsten verbrecherischen Hand- 
lungen gebrandmarkt und mit den schwersten 
Strafen belegt worden. Aus den Darlegungen 
im Artikel Strafrecht ist ersichtlich, daß gerade 
diejenigen Handlungen, welche vorstehend zu ver- 
schiedenen Malen als politische Verbrechen im 
eminenten Sinn bezeichnet wurden, regelmäßig 
die ersten gewesen sind, welche in einem beginnen- 
den staatlichen Gemeinwesen unter staatliche öffent- 
liche Strafe gestellt wurden. Ist auch das Wesen 
der politischen Verbrechen, die ihren Grundzug 
bildende Auflehnung gegen die bestehende Staats- 
ordnung, keinem Wechsel unterworfen, so wechselte 
doch mit den im Lauf der Zeit wechselnden Staats- 
formen, also mit ihrem Objekt, auch ihr Inhalt 
und wuchs mit der weiteren Durchbildung der 
Staatsformen die Mannigfaltigkeit ihrer Tat- 
bestände. 
Schon das altrömische Recht zur Königszeit 
kannte und bestrafte den Hochverrat, perduellio, 
und den Landesverrat, proditio, mit der Todes- 
strafe. Mit Abschaffung der Königswürde und 
Einführung der Republik erhielt der Hochverrat 
ein anderes Objekt und die Strafgesetze paßten 
sich der neueren Staatsform an. Die auf den 
König bezüglichen Bestimmungen des bisherigen 
Rechts waren gegenstandslos geworden und wur- 
den durch solche ersetzt, welche die Republik und 
ihre Magistrate schützen sollten. Auch zu dieser 
Zeit stand auf Hochverrat und Landesverrat die 
Todesstrafe und daneben die Strafe des Exils 
und die aquae et ignis interdictio. In der 
Kaiserperiode ging der ganze römische Staat in 
der Person des Kaisers und jedes politische Ver- 
brechen in dem Majestätsverbrechen, dem crimen 
laesae maiestatis auf. Auch nur so ist es mög- 
lich geworden, daß jede Handlung, die sich nur 
irgend mit der Person des Kaisers in Bezug setzen 
ließ, als politisches Verbrechen gedeutet werden 
konnte, das Tragen eines Purpurkleides ebensogut 
wie ein wirklicher Mordversuch an der Person des 
Kaisers. Alles, was nötig war, um den fehlenden 
Tatbestand eines andern Verbrechens zum Ver- 
derben eines Unschuldigen zu ergänzen, ließ sich 
durch die Konstruktion eines Majestätsverbrechens 
erreichen. Neben Todesstrafe und Exil trat in 
dieser Zeit die Güterkonfiskation und die Erb- 
unfähigkeitserklärung für die Kinder der für schul- 
dig Befundenen, so daß ihnen, „in steter Ent- 
behrung schmachtend, der Tod eine Erlösung, das 
Leben eine Qual sein sollte“. — Das altger- 
manische Staatswesen war auf der militärischen 
Gefolgschaft aufgebaut. Treulosigkeit und Verrat 
an dieser waren daher, als unmittelbar gegen den 
Bestand des Gemeinwesens gerichtet, politische 
Verbrechen, mit Ehrlosigkeit und Tod bedroht und 
konnten nicht im Weg des sonst üblichen Kom- 
positionensystems (vgl. d. Art. Strafrecht) gefühnt 
Verbrechen, 
  
politische. 714 
werden. Diese Richtung wurde noch gesteigert 
mit der Ausbildung des Lehnswesens, welches 
das ganze innere Staatswesen des Mittelalters 
ausfüllte und beherrschte. Die Tatbestände der 
politischen Verbrechen wurden hier durch Ver- 
letzung der versprochenen Lehnstreue, die Felonie, 
bereichert, die mit dem Verlust des Lehns bestraft 
wurde. Im weiteren Verlauf der Zeit, und zwar 
mit der Goldenen Bulle (1356), lebte das crimen 
laesae maiestatis wieder auf, wenngleich nicht 
in der oben erwähnten Ausartung. Die Bestim- 
mungen darüber galten nicht bloß zugunsten des 
Kaisers, sondern auch der Kurfürsten und aller 
andern Landesherren. Die Peinliche Gerichts- 
ordnung (1532) stellte wieder Verrätereien in 
allen Beziehungen an Land, Stadt und dem 
eignen Herrn — ohne Sonderstellung des Landes- 
herrn —, daneben Landzwang, d. h. gewaltsame Zu- 
sammenrottung, und Landfriedensbruch in erster 
Linie als politische Verbrechen hin, die mit Vier- 
teilen bei Männern, mit Ertränken bei Weibern 
bestraft wurden. „Das Laster der beleidigten 
Majestät" fand darin keine bestimmte Abgrenzung, 
was zur Folge hatte, daß die Praxis, namentlich 
in der nun folgenden Zeit des fürstlichen Absolu- 
tismus, diesem Verbrechen, das auch mit Ver- 
mögenskonfiskation bestraft werden konnte, wieder 
eine ungebührliche Ausdehnung gab. Die um die 
Mitte des 18. Jahrh. lebhafter einsetzende partiku- 
läre Strafgesetzgebung brachte zwar eine schärfere 
Unterscheidung zwischen Hoch= und Landesverrat, 
aber weder eine ausreichend bestimmte Abgrenzung 
dessen, was unter die Staatsverbrechen gerechnet 
werden sollte, noch überall eine Abschaffung der 
qualifizierten Todesstrafen. Letzteres war erst der 
neueren Gesetzgebung vorbehalten, die denn auch, 
vornehmlich dank der Arbeiten Feuerbachs, mehr und 
mehr eine genauere Bestimmung der Tatbestände 
der Staatsverbrechen einführte. — Schlimmer noch 
als in Deutschland stand es in den andern Staaten 
Europas, namentlich Frankreich und England, um 
die Strafgesetzgebung in Ansehung der politischen 
Verbrechen. Uberall unbestimmte, jeder Ausdeh- 
nung und Auslegung fähige Vorschriften und die 
grausamsten Strafen. Auch dort hat erst die neuere 
und neueste Zeit Wandel geschaffen, bis selbst auf 
die Abschaffung der Todesstrafe für alle politischen 
Verbrechen. 
Der Stand unserer heutigen Strafgesetzgebung 
in Ansehung der politischen Verbrechen ist unter 1 
bereits ausreichend klargelegt. Unser Strafgesetz- 
buch kennt die politischen Verbrechen als eine be- 
sondere Gattung der strafbaren Handlungen nicht; 
es stellt die Merkmale für die einzelnen Tatbe- 
stände der letzteren fest und überläßt es der Wissen- 
schaft, erforderlichenfalls zu entscheiden, welche 
davon unter den Begriff der politischen Delikte zu 
bringen sind. Von praktischer Bedeutung ist also 
insoweit die Feststellung des Begriffs dieser letz- 
teren überhaupt nicht. Indessen verdient doch 
folgendes der Erwähnung. Von allen Verbrechen,
	        
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