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Eisenbahnrabatte und Differenzierung der Tarife
im Handel zwischen mehreren Staaten verbietet,
und dem Shermanschen Antitrustgesetz vom 2. Juli
1890. Da der Bund über den Handel in den
einzelnen Staaten keine Bestimmungen treffen kann
und die großen Interessen im Senat ein festes
Bollwerk haben, richtete die Gesetzgebung nicht
viel aus. Erst seitdem sich Roosevelt (190 1/09)
zum Führer der öffentlichen Meinung machte,
kam eine Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen zu-
stande, deren Erfolg aber noch unsicher ist. Ins-
besondere bekam der Bund 1905/06 direkten
Einfluß auf die Frachttarife. Auf Grund des
Sherman-Gesetzes leitete die Regierung gegen
viele Trusts das Verfahren auf gerichtliche Auf-
lösung ein, die Juli 1911 über den Ol= und
Tabaktrust verhängt wurde. Das Gropßkapital
ging infolgedessen teilweise zu den Demokraten
über, die Nov. 1910 bei den Wahlen zum Re-
präsentantenhaus siegten. — Geringere Bedeu-
tung hat neben diesen Kämpfen der Kampf zwi-
schen Kapital und Arbeit. Das Zweiparteiensystem,
die günstige wirtschaftliche Lage, die demokratischen
Einrichtungen haben der Bildung einer stärkeren
sozialistischen Partei entgegengewirkt; erst 1910
kam ein Sozialist ins Repräsentantenhaus. Manche
Erfolge im Lohnkampf erreichte die 1881 gegrün-
dete Federation of Labour, der die meisten
organisierten Arbeiter angehören. Im übrigen ist
die Sozialpolitik (Arbeiterschutz, Haftpflicht, bis-
her jedoch keine Versicherung) größtenteils Sache
der Einzelstaaten; die Gesetzgebung des Bundes
wurde vielfach durch das Bundesgericht illusorisch
gemacht. Durch Roosevelts Eintreten für die
Sozialpolitik hat auch die bisher konservative
republikanische Partei einen radikalen Zug er-
halten.
Die auswärtige Politik ist seit einem Jahr-
zehnt ganz in das Zeichen der Expansion, des
Imperialismus eingetreten. Die ältere Expan-
sion bis zum Krieg mit Mexiko (1848) erstrebte
Gewinnung neuen Landes für die Besiedlung und
Plantagenkultur, Abrundung des Staatsgebiets,
Verdrängung fremder Mächte vom Kontinent
(Kauf Alaskas von Rußland 1867); die jetzige
sucht Absatzgebiete für die Industrie und mili-
tärische Stützpunkte. Diese Wendung datiert erst
seit dem Krieg mit Spanien; noch 18938 hatte der
Kongreß die Annexion von Hawaii# abgelehnt.
Durch den Frieden von Paris 1898 gewann die
Union die spanischen Kolonien Porto Rico, Guam
und die Philippinen und das Protektorat über
Kuba; gleichzeitig wurde jetzt Hawaii annektiert.
Die Stellung in Westindien wurde, nachdem
Dänemark den Verkauf seiner westindischen Inseln
abgelehnt hatte, verstärkt durch den Vertrag mit
der Dominikanischen Republik 1907, die ihr Fi-
nanzwesen der Union unterstellte; Hatti hat einen
ähnlichen Vertrag bisher abgelehnt. Mit der Ver-
stärkung der Interessen im Stillen Ozean (1899
kam noch ein Teil von Samoa hinzu) und in
Vereinigte Staaten.
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Ostasien wurde der Bau des Panamakanals drin-
gender. Nachdem sich die Union 1901 im Hay-
Pauncefote-Vertrag mit England die unbedingte
Herrschaft über den Kanal gesichert hatte, wurde
die Republik Panama von Colombia losgerissen
und diese trat 1903 einen 10 Meilen breiten
Streifen zum Bau des Kanals an die Union ab.
Seitdem begann diese auch in die Politik der
zentralamerikanischen Republiken und Mexikos
mehr einzugreifen und ihre Anhänger dort durch
Anstiftung und Unterstützung von Unruhen zur
Regierung zu bringen. Nicaragua und Honduras
mußten sich 1911 ihrem finanziellen Protektorat
unterstellen. — Dem übrigen Amerika gegenüber
spielen sich die Vereinigten Staaten als Vor= und
Schutzmacht auf. Das Vorgehen europäischer
Mächte gegen Venezuela 1902 wurde in der Union
fast wie eine Verletzung der Monroedoktrin auf-
genommen, und auf dem Haager Kongreß 1907
setzte sie durch, daß solche Fälle erst dem Schieds-
gericht zu unterbreiten sind. Die panamerikani-
schen Bestrebungen, die in den 1880er Jahren
vom Staatssekretär Blaine verfochten wurden und
im Grund auf eine politische Oberhoheit der
Union hinauslaufen, blieben ohne Erfolg; doch ist
ihr politischer und wirtschaftlicher Einfluß in Süd-
amerika im Wachsen und wird sich nach Voll-
endung der panamerikanischen Bahn und des
Panamakanals noch stärker geltend machen.
II. Fläche und Bevölkerung. Die Ver-
einigten Staaten bestehen aus dem Hauptland,
den „Staaten und Territorien“ (einschließl. der
Außenterritorien) und den „Dependenzien“. Über
Größe und Bevölkerung der einzelnen Staaten,
Territorien und Außenbesitzungen gibt die Tabelle
auf Sp. 725/728 Aufschluß (die Anordnung der
Staaten ist nach den großen natürlichen Land-
schaften gegeben; die Zahlen nach dem Gothaer
Hofkalender und Petermanns Mitteilungen 1911
1 127 ffl.
(Im folgenden ist im allgemeinen nur auf die
kontinentalen Vereinigten Staaten Rücksicht ge-
nommen.) Am dichtesten ist die Bevölkerung in
den Nordstaaten, auf welche noch immer, trotz des
Zuges nach Westen, der Hauptteil der Bevölke-
rung entfällt (18 bei ½ der Fläche), und zwar in
den atlantischen Staaten (besonders Neuyork,
New Jersey, Nhode Island, Massachusetts)) die ihre
überwiegende Stellung der Industrie und dem
Handel verdanken; dünner ist sie schon in den
vorwiegend landwirtschaftlichen Zentralstaaten
(unter denen Jowa als der einzige Staat der
Union eine Volksverminderung aufzuweisen hat)
und in den Weststaaten, am dünnsten in den
Felsengebirgsstaaten wie Wyoming, Nevada,
Arizona, die weniger als 1 Einwohner auf den
Quadratkilometer aufweisen. Der Süden steht
nahezu auf dem Durchschnitt der Union. Die
Zunahme der Bevölkerung seit der ersten Zählung
1790 ist aus der zweiten Tabelle auf Sp. 727
zu ersehen.