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Südamerika 29 006, Australien und Polynesien
44575, andere Länder 234 609, zusammen
270025 893. Das Gebiet der stärksten Einwan-
derung ist stets der Nordosten gewesen (in Rhode
Island waren 1900: 31,4 % der Einwohner im
Ausland geboren, in Massachusetts 30,2, Con-
necticut 26,.2, Neuyork 26,1, New Jersey 22,
New Hampfhire 21,4 %/), während der Süden
fast unberührt blieb. Die ethnographische Zu-
sammensetzung der Einwanderer hat im Lauf der
Zeit bemerkenswerte Veränderungen erfahren. In
den drei ersten Dezennien seit 1821 standen die
Iren an der Spitze, darauf folgten die Deutschen;
seit den 1850er Jahren jedoch traten die Deut-
schen an die Spitze und behaupteten sich darin bis
in die 1890er Jahre. Seither verschob sich der
Schwerpunkt der Einwanderung nach Italien und
Osteuropa (Rußland, Ungarn, Griechenland usw.).
Während so die Einwanderung in den früheren
Jahrzehnten meist aus germanischen Ländern kam
und größtenteils geistig und physisch wertvolles
Menschenmaterial brachte, ergänzt sie sich jetzt
hauptsächlich aus den romanischen und slawischen
Ländern und besteht meist aus armen, unwissen-
den und gedrückten Schichten, die vielfach auch
körperlich hinter den Einwanderern aus den ger-
manischen Ländern zurückstehen und nur zum kleinen
Teil Bauern sind; sie gehen auch nicht mehr wie
die früheren Einwanderer auf das flache Land,
sondern drängen sich in den Großstädten und In-
dustriebezirken zusammen. Ob das amerikanische
Volk auch gegenüber diesen heterogenen Elementen
die erstaunliche Assimilationskraft behält, die es
gegenüber den früheren höher stehenden Einwan-
derern aufgewiesen hat, muß erst die Zukunft
lehren. Jedenfalls war die Einwanderung früher,
wo sie zu verhältnismäßig weiter Zerstreuung über
das ganze Land veranlaßt wurde und von ein-
heimischen Elementen rings umgeben leichter assi-
miliert werden konnte, keine ernste Frage für die
Vereinigten Staaten; erst seit der Entwicklung
großer Bevölkerungs= und Industriezentren, in
denen sich regelrechte Kolonien fremder Nationali-
täten inmitten des amerikanischen Volks erhalten
können, wurde die Einwanderung ein ernstes so-
ziales Problem. Die Amerikaner sehen heute in
den Einwanderern nicht mehr wie früher einen
willkommenen Volkszuwachs, sondern suchen die
ihnen unerwünschten Elemente durch immer strenger
werdende Vorschriften über die Eigenschaften,
welche die Einwanderer aufzuweisen haben, einzu-
schränken. Seit 1882 sind zahlreiche Bestim-
mungen zur Beschränkung der Einwanderung er-
lassen worden; am strengsten ist das Gesetz vom
20. Febr. 1907. Von der Einwanderung sind
heute ausgeschlossen chinesische Arbeiter, physisch
und moralisch minderwertige Personen, d. h.
Kranke, Lahme, Blinde, Taubstumme usw.,
schwangere unverheiratete Personen, Mütter mit
ihren kleinen Kindern, deren Vater nicht in Amerika
ist, Verbrecher, Prostituierte, Mädchenhändler,
Vereinigte Staaten.
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Anarchisten, ferner auf Betreiben der Arbeiter-
verbände alle Kontraktarbeiter, d. h. Personen, die
schon vor ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten
mit einer Fabrik oder einer Privatperson einen
Vertrag abschließen, der ihnen Arbeit in Amerika
zusichert, oder deren Reisekosten von einer fremden
Firma bezahlt werden. Auf administrativem Weg
wurde ferner 1909 angeordnet, daß Personen, die
weniger als 25 Dollar haben, zurückgewiesen wer-
den können. Neue Einschränkungsmaßregeln (na-
mentlich gegen die nichtgeschulten Arbeiter) sind
Ende 1910 durch eine Einwanderungskommission
vorgeschlagen worden und die Presse hat ihre
Einführung in die Praxis fast allgemein verlangt.
III. Verfassung. Die heutige Verfassung der
Vereinigten Staaten beruht auf dem Verfassungs-
entwurf vom 17. Sept. 1787, der bis 1790 von
den damaligen 13 Staaten angenommen wurde,
auf 15 Zusatzartikeln von 1790, 1794, 1804
und 1868/70. Unter dem Einfluß des englischen
Staatsrechis ist die Trennung in die gesetzgebende,
vollziehende und richterliche Gewalt durchgeführt
worden, wenn auch aus Nützlichkeitsgründen der
vollziehenden Gewalt ein gewisser Einfluß auf die
Gesetzgebung durch das suspensive Veto und der
gesetzgebenden Gewalt in bestimmten Fällen eine
Teilnahme an der Exekutive gewahrt ist (s. unten,
Senat, Sp. 738); die richterliche Gewalt dagegen
ist von den beiden andern völlig unabhängig. Alle
drei Gewalten führen auf das Volk zurück, das die
einzige Quelle aller öffentlichen Rechte und Pflich-
ten ist. — Nach der heute herrschenden Lehre bilden
die Vereinigten Staaten von Amerika einen repu-
blikanischen Bundesstaat, keinen bloßen völker-
rechtlichen Verein; die Union übt als solche alle
Funktionen eines Staats aus und ist im Besitz
der Souveränität, während die aus der Sou-
veränität fließenden Rechte teils von der Union
teils von den Einzelstaaten ausgeübt werden (über
das Verhältnis zwischen der Union und den Einzel-
staaten s. unten Sp. 740; die Verfassungsbestim-
mungen sind im folgenden, soweit wörtlich ange-
führt, nach der Ubersetzung von Rentner gegeben).
Die gesetzgebende Gewalt liegt ausschließlich in
den Händen des Kongresses, der aus einem Senat
und einem Repräsentantenhaus besteht. Ein Gesetz
kommt nur zustande, wenn beide Häuser denselben
Gesetzentwurf annehmen; jedes Haus besitzt dem
andern gegenüber ein absolutes Veto, während der
Präsident der Union nur ein suspensives Veto be-
sitzt und auch kein Notverordnungsrecht hat. Jedes
Haus verhandelt und stimmt für sich allein ab,
jedes nach seiner vom Haus selbst bestimmten Ge-
schäftsordnung; nur zur eventuellen Wahl des
Präsidenten und Vizepräsidenten der Vereinigten
Staaten vereinigen sich beide Häuser zu einer ge-
meinschaftlichen Sitzung unter dem Vorsitz des
Senatspräsidenten. Beide Häuser nehmen an der
Gesetzgebung gleichmäßigen Anteil außer in einigen
bestimmten Fällen: ist der Präsident und Vize-
präsident der Union vom Kongreß zu wählen, so