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scheinigung versehen und versiegelt, nach der
Bundeshauptstadt an den Senatspräsidenten ge-
sandt; dieser öffnet am zweiten Montag im darauf-
folgenden Januar in Gegenwart des Senats und
des Repräsentantenhauses die versiegelten Beschei-
nigungen, worauf die Stimmen gezählt werden.
Wer die größte Zahl der für den Präsidenten
bzw. Vizepräsidenten abgegebenen Stimmen er-
halten hat, ist gewählt, wenn diese Zahl die Mehr-
heit aller aufgestellten Wahlmänner umfaßt. Hat
niemand die Mehrheit erlangt, so wird der Präsi-
dent unter bestimmten Formalitäten von dem
Repräsentantenhaus, der Vizepräsident von dem
Senat gewählt (doch ist der Kongreß bisher nur
zweimal in die Lage gekommen, die Wahl vor-
nehmen zu müssen: 1825 wählte das Repräsen-
tantenhaus J. O. Adams zum Präsidenten, 1837
der Senat R. M. Johnson zum Vizepräsidenten).
Die Wahlmänner sollen ihre Stimme nach freiem
Ermessen abgeben; faktisch aber sind sie auf einen
bestimmten Parteikandidaten verpflichtet, und es
hat noch kein Wahlmann je nach eignem Gut-
dünken abgestimmt. Die Kandidaten für die Prä-
sidenten- und Vizepräsidentenwürde werden von
den Parteien auf sog. Nationalkonventionen nomi-
niert, die keinerlei rechtliche Existenz haben und
deren Mitglieder ohne jede gesetzliche Kontrolle
erwählt werden; diese Nationalkonventionen ver-
treten weniger die große Masse der Partei als
vielmehr die professionellen Politiker.
Zum Präsidenten und Vizepräsidenten ist jede
männliche, als amerikanischer Bürger geborne Per-
son wählbar, die das 35. Lebensjahr zur Zeit der
Wahl vollendet hat, seit 14 Jahren, von der
Wahl zurückgerechnet, in den Vereinigten Staaten
wohnt und nicht durch Urteil des Senats die
Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Unionsämter
verloren hat. Der Präsident und Vizepräsident
sind nach Ablauf ihrer Amtszeit wieder wählbar,
doch ist es üblich, daß dieselbe Person nur noch
einmal zur Wahl gestellt und gewählt wird. Wenn
der Präsident von seinem Amt entfernt wird, stirbt
oder zurücktritt oder unfähig wird, sein Amt zu
versehen, so geht dieses auf den Vizepräsidenten
über; falls auch dieser verhindert ist, so wird der
Präsident nach einem Gesetz von 1886 in folgen-
der Reihenfolge vertreten: Staatssekretär, Sekre-
tär des Schatzes, des Kriegs, der Marine, des
Innern. Der Vertreter des Präsidenten hat die
gleichen Rechte und Pflichten wie dieser; er führt
die Vertretung, bis entweder der Behinderungs-
grund gehoben ist oder bis zu dem 4. März, an
dem die Amtszeit des Präsidenten von selbst ab-
gelaufen sein würde. Der Präsident erhält eine
Entschädigung (jetzt 75.000 Dollar), die während
seiner Amtszeit weder erhöht noch verringert wer-
den kann. Solange der Präsident im Amt ist, darf
er weder von der Union noch von einem einzelnen
Staat irgendwelche Nebeneinkünfte beziehen. Von
seinem Amt kann der Präsident nur wegen be-
sonders schwerer Vergehen auf eine Anklage des
Vereinigte Staaten.
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Repräsentantenhauses hin durch einen mit Zwei-
drittelmehrheit erfolgten Beschluß des Senats ent-
fernt werden. Vor seinem Amtsantritt leistet der
Präsident einen Eid, sein Amt gewissenhaft aus-
zuüben und die Verfassung der Vereinigten Staa-
ten nach bestem Können beobachten, schützen und
verteidigen zu wollen. Sitz des Präsidenten ist das
gewöhnlich „Weißes Haus“ genannte Executive
Mansion in Washington.
Befugnisse des Präsidenten. Der
Präsident ist der oberste Befehlshaber der Streit-
kräste der Union zu Wasser und zu Land und
der Miliz der Einzelstaaten, falls sie zur Dienst-
leistung für die Union einberufen sind (er führt
aber den Oberbefehl in der Regel nicht per-
sönlich); er kann von dem leitenden Beamten
jeder Abteilung über jeden auf die Obliegen-
heiten der betreffenden Amter bezüglichen Gegen-
stand eine schriftliche Außerung einfordern (ohne
aber an die Außerung gebunden zu sein); er
hat das Recht, wegen strafbarer Handlungen
gegen die Union Strafausschub zu gewähren
und zu begnadigen (außer bei einem impeach-
ment), unter Beirat und mit Zustimmung von
Zweidritteln der anwesenden Senatoren Ver-
träge zu schließen (falls zur Durchführung dieser
Verträge Geldmittel notwendig sind, muß die Zu-
stimmung des ganzen Kongresses durch ein Gesetz
erfolgen); er hat das Recht, unter Beirat und mit
Zustimmung des Senats Botschafter und andere
diplomatische Beamte, die Richter des höchsten
Gerichtshofs und alle andern Beamten der Union
zu ernennen, soweit die Verfassung keine andere
Ernennungsweise vorsieht. Der Kongreß kann das
Recht, die unteren Beamten zu ernennen, durch
Gesetz dem Präsidenten allein oder den Gerichts-
höfen oder den leitenden Beamten der einzelnen
Abteilungen übertragen; während der Senat nicht
versammelt ist, kann der Präsident alle frei werden-
den Stellen vorläufig besetzen, muß aber bis zum
Ende der nächsten Session des Senats dessen Zu-
stimmung einholen oder einen neuen Vorschlag
machen. Der Präsident gibt dem Kongreß von
Zeit zu Zeit (dem Herkommen nach in jedem Jahr
bei Zusammentreten des Kongresses im Dezember)
über die Lage der Union Auskunft; er empfiehlt
seiner Erwägung die Maßregeln, die er für not-
wendig und nützlich hält. Er kann bei außer-
ordentlichen Gelegenheiten beide Häuser des Kon-
gresses oder eines von ihnen berufen und bei einer
Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen über die
Zeit der Vertagung den Kongreß auf so lange
vertagen, als es ihm nützlich erscheint; er kann
Botschafter und andere diplomatische Beamte
empfangen. Der Präsident hat dafür Sorge zu
tragen, daß die Gesetze ordnungsgemäß vollzogen
werden. Gegenüber der Gesetzgebung des Kon-
gresses hat der Präsident nur ein aufschiebendes
Vetorecht. Er kann zwar einen vom Kongreß an-
genommenen Gesetzentwurf mit seinen Einwen-
dungen innerhalb zehn Tagen, nachdem er ihm