Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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satz von Analphabeten (10,70/, von der 10 und 
mehr Jahre alten Bevölkerung, im Süden 25%; 
die Gegensätze sind die Staaten Jowa mit 2,3% 
und Louisiana mit 38.5%). Der Schulzwang 
beginnt zwischen dem 6. und 8. Jahr und dauert 
in der Regel 8 Jahre, in einigen Staaten bis 
zum 18. Lebensjahr. Schulgeld wird in den öffent- 
lichen Volksschulen nicht erhoben, die Lehrmittel 
werden in zahlreichen Gemeinden den Kindern 
kostenlos geliefert; die Mittel für die öffentlichen 
Schulen werden aus Fonds und Grundpachten, 
aus den Steuern, die Staat und Gemeinde er- 
heben, aus Strafgeldern usw. aufgebracht. Die 
Elementarschulen zerfallen in die Primary Schools, 
gewöhnlich die vier unteren Klassen, und die Gram- 
mar Schools, meist die vier oberen Klassen, in 
denen zu den Fächern der ersten Abteilung (Lesen, 
Schreiben, Rechnen, Erdkunde, Naturgeschichte 
usw.) noch Geschichte, Arithmetik, Physik, Bürger- 
kunde usw. treten. Den im Lehrplan fehlenden 
Religionsunterricht suchen die Sonntagsschulen zu 
ersetzen, die von den Religionsgemeinschaften unter- 
halten und geleitet werden (1906 insgesamt 
178214). Neben den öffentlichen Volksschulen 
gibt es zahlreiche private, von denen etwa die 
Hälfte kirchliche Schulen (Pfarrschulen) sind (an 
drei Fünftel davon sind katholisch, an zwei Fünftel 
protestantisch, ein kleiner Teil mormonisch). Für 
die Heranbildung von Lehrkräften für die Volks- 
schule bestehen staatliche und private Normalschulen, 
Normalcolleges und pädagogische Abteilungen an 
den privaten und öffentlichen Colleges und Uni- 
versitäten; eine Anzahl von Normalschulen be- 
reitet auch für den Unterricht an höheren Schulen 
vor. Die Normalschule dient vielfach auch als 
Ersatz für die High School und wird daher auch 
von solchen Schülern besucht, die nicht Lehrer 
werden wollen. Die Mehrzahl der Lehrkräfte an 
den Volksschulen ist weiblich. 
Die Fortsetzung der oberen Klassen der Ele- 
mentarschulen bilden die High Schools, die eine 
allgemeine Bildung vermitteln wollen und eine 
Vorbereitungsstufe für die Colleges und Universi- 
täten sind; der Lehrkurs dauert in der Regel vier 
Jahre. Oft bestehen mehrere Parallelkurse (für 
klassische Sprachen, Englisch, Deutsch, Handels- 
kurse usw.) und den Schülern ist, namentlich in 
den letzten Klassen, bedeutende Freiheit in der 
Wahl der Unterrichtssächer gelassen. Auch hier 
sind die Frauen als Lehrkräfte zugelassen; zur 
Heranbildung von Lehrkräften bestehen besondere 
Normalschulen und Normalcolleges. Von den 
High Schools ist in der Regel der Übergang zu 
den Colleges und Universitäten möglich, wenig- 
stens streben die Stadtgemeinden danach, ihre 
High Schools auf eine solche Stufe zu bringen, 
daß ihre Graduierten zu den Universitäten zuge- 
lassen werden. Die meisten High Schools sind 
öffentlich. 
Die Colleges und Universitäten werden nur 
zum kleineren Teil vom Staat unterhalten, na- 
Vereinigte Staaten. 
  
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mentlich in den mitlleren und westlichen Staaten, 
zum größeren Teil sind sie privat. Die Bedingungen 
zum Eintritt gestalten sie nach Belieben und sie 
unterwerfen jeden Schüler der Mittelschulen, der 
Aufnahme begehrt, einem Eintrittsexamen nach 
ganz verschiedenen Prinzipien, was eine völlige 
Zerfahrenheit des Prüfungswesens zur Folge hatte. 
Zur Besserung dieses Zustands wurde auf Be- 
treiben von Neuyorker Schulmännern in den letzten 
Jahren eine gemeinsame Prüfungskommission (der 
College Entrance Examination Board) ins 
Leben gerufen, der sich nach und nach die meisten 
Colleges und Universitäten angeschlossen haben; 
das Resultat der Kommission wird von jedem an- 
geschlossenen College unbedingt angenommen. 
Eine strenge Scheidung zwischen den Collegefakul- 
täten und den Universitätsfakultäten gibt es nicht, 
und der Übergang vom College zur Universität ist 
in der Regel ein allmählicher, da die oberen Col- 
legekurse teilweise oder ganz einem speziellen Fach- 
studium gewidmet sind und so in die Fakultätskurse 
hineinwachsen. Fast alle größeren Universitäten sind 
mit einem oder mehreren Colleges verbunden (die 
oft sogar an verschiedenen Orten sich befinden) 
und bei mehreren spielt dieses sogar die Haupt- 
rolle. Besonders die größeren Staatsuniversitäten 
(wie die von Michigan, Wisconsin, Nebraska, 
Kalifornien) und einige der älteren privaten Uni- 
versitäten (wie die Harvard in Cambridge, Mass., 
Yale in New Haven und Princeton-Universität) 
widmen dem Collegeihre Hauptkraft, während dieses 
an den modernen privaten Universitäten (wie Co- 
lumbia in Neuyork, John Hopkins in Baltimore, 
Leland Stanford zu Palo Alto in Kalifornien) 
sehr zurücktritt. Die Verbindung des College mit 
der Universität hat zur Folge, daß fast jeder Pro- 
fessor einen großen Teil seiner Zeit dem Gymna- 
sialunterricht und der Aufrechterhaltung der Diszi- 
plin zu opfern hat, daß der gelehrte Universitäts- 
unterricht mit dem Schulunterricht verquickt wird 
und viele Kräfte der eigentlichen Universilätstätig- 
keit entzogen werden; anderseits müssen die Uni- 
versitätsfakultäten ihren Lehrkörper durch billige 
Lehrkräfte vermehren, die zwar dem Schulunter- 
richt und den rein schulmäßigen Ansprüchen des 
College, nicht aber den Anforderungen eines wirk- 
lichen Universitätsunterrichis (in unserem Sinn) 
genügen, so daß akademische Lehrstühle mit rein 
pädagogisch beanlagten Naturen ausgefüllt werden 
müssen. Seit etwa einem Dezennium besteht daher 
in den Vereinigten Staalen eine Bewegung, das 
College zu beseitigen, die High School um zwei 
Jahre zu erhöhen und die Universität um zwei 
Jahre nach unten zu verlängern, wodurch das 
Unterrichtssystem mehr dem deutschen angeglichen 
würde; es gibt auch an manchen Orten bereits 
sechsklassige High Schools, doch ist das College- 
system als traditionelle höhere Schule zu sehr im 
amerikanischen Volksleben festgewurzelt, als daß 
seine Beseitigung zu erwarten wäre. Die Colleges 
sind meist mit Internaten verbunden. An manchen
	        
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