Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Universitäten und Colleges sind sog. Sommer- 
schulen (Ferienkurse) und Vorbereitungsschulen, an 
vielen auch Volksuniversitätskurse (Extension 
Work) eingerichtet. Die Mittel der nichtstaatlichen 
Colleges und Universitäten fließen meist aus Stif- 
tungen; die Freigebigkeit reicher Amerikaner für 
Bildungszwecke, die sich öfters in Millionen- 
schenkungen äußert, ist eine der besten Seiten des 
amerikanischen Charakters. Die reichsten Schen- 
kungen sind die von Rockefeller für die Universität 
Chicago (an 40 Mill. Dollar) und für den Ge- 
neral Education Board (Üüber 50 Mill. Dollar), 
von Carnegie für die Carnegie Institution in 
Washington und die Carnegie Foundation (je 
über 10 Mill. Dollar), von Gerard für das 
Gerard College, von John Hopkins für die nach 
ihm benannte Universität usw. 
Für den gewerblichen Unterricht bestehen eine 
große Reihe von gewerblichen Abend= und Tages- 
schulen, die meist durch Stiftungen unterhalten 
werden; Schulen höheren Grads sind die großen 
Ingenieur= und technologischen Schulen, die staat- 
lichen Landwirtschaftsschulen und die Mechaniker- 
colleges; außerdem gibt es besondere Anstalten für 
Taubstumme, Schwachsinnige, Verwahrloste usw. 
Die Union als solche unterhält einige militäri- 
sche Schulen (Militärakademie in West Point, N. J., 
Marineakademie in Annapolis, Marinekriegsschule 
in Newport, R. J. usw.); außerdem hat die Union 
seit den 1880er Jahren an 400 Anstalten für die 
Indianer eingerichtet, in denen an 29000 In- 
dianerkinder (von etwa 50 000) unterrichtet wer- 
den (zum Teil fern von den Reservationen). Für 
die Bildung der Indianer wirken auch zahlreiche 
Missionsschulen, namentlich katholische. 
1908/09 gab es 266 026 staatliche Volks- 
schulen (darunter 9317 High Schools) mit 
506 453 Lehrkräften (398 153 weibliche) und 
17506175 Schülern, 1301 private High Schools 
und „Akademien“, 193 öffentliche und 64 private 
Normalschulen, 493 Universitäten und Colleges 
mit 391 Vorbereitungsschulen, 113 Colleges für 
Frauen mit 89 Vorbereitungsschulen, 162 Schulen 
für Theologie, 109 für Rechtswissenschaft, 144 
für Medizin, 54 für Zahnheilkunde, 78 für 
Pharmazie, 19 für Tierheilkunde, 547 „Ge- 
schäfts“-, 105 Reformschulen, 127 für Taube, 
41 für Blinde, 43 für Schwachsinnige. — Über 
konfessionelle Schulen wurde 1906 eine Erhebung 
veranstaltet. Danach hatten alle Denominationen 
2532 Colleges, „Akademien“ usw. mit 401 018 
Schülern; davon die Protestanten 1472, die 
Katholiken 1011, die Juden 14, die Heiligen vom 
letzten Tage 17, die orientalischen Orthodoxen 2. 
Als ein charakteristisches Kennzeichen des ameri- 
kanischen Bildungswesens gilt, neben der größeren 
Freiheit in der Wahl der Unterrichtsfächer, die 
Koedukation, die Gemeinschaftserziehung sie über- 
wiegt zwar tatsächlich in allen Schulgattungen, ist 
aber weder allgemein durchgeführt noch unbedingt 
anerkannt. Die Existenz der Gemeinschaftserziehung 
Vereinigte Staaten. 
  
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beruht weniger auf einem prinzipiellen Uberwiegen 
der Koedukationsidee im Erziehungswesen der Ver- 
einigten Staaten als auf Nühtzlichkeitserwägungen 
materieller Natur; die Hauptgründe dafür sind 
einerseits der Mangel an männlichen Lehrkräften 
(von etwa 480 000 Lehrpersonen sind fast 380 000 
weiblich), anderseits der Mangel an Geldmitteln 
oder die Scheu vor Aufwendungen, um in den 
Gemeinden eigne Schulen für beide Geschlechter 
einzurichten. Wo diese Erwägung zurücktritt, ob- 
siegt das Trennungsprinzip, das seit Beginn der 
1880er Jahre im Voranmarsch ist, namentlich auf 
dem Gebiet der höheren Schulen; in den Groß- 
städten des Ostens ist überwiegend oder aus- 
schließlich die getrennte Form eingeführt. 
Von dem Bildungstrieb der Amerikaner zeugt 
auch das rasche Anwachsen der Bibliotheken, deren 
Zahl auf weit über 8000 gestiegen ist (an 60 mit 
je über 100 000 Bänden); am bedeutendsten ist 
die Kongreßbibliothek in Washington und die 
Offentliche Bibliothek in Neuyork. Für die Mehr- 
zahl der Amerikaner ist jedoch die dauernde Bil- 
dungsquelle die Zeitung, die an Größe und Um- 
fang (nicht an innerem Wert) die Presse Deutsch- 
lands weit hinter sich läßt. 1910 erschienen 
22730 Zeitungen und Zeitschriften, davon an 
2400 täglich. 
VIII. Staat und Kirche; Konfessionen 
G. T. nach Rothenbücher, Trennung von Staat u. 
Kirche). Obwohl das Bundesrecht den Einzelstaaten 
die Reglung der kirchenpolitischen Verhältnisse, des 
Rechts der religiösen Vereine und Korporationen 
vollkommen überläßt, so hat das gemeine Recht 
fast durchweg eine einheitliche Form für das Ver- 
hältnis zwischen Staat und Kirche geschaffen. In 
den Verfassungen aller Staaten ist in der einen 
oder andern Form der Grundsatz ausgesprochen, 
daß die Institute, deren Zweck die Unterstützung 
und Ausbreitung der Religion ist, von der staat- 
lichen Gewalt völlig zu trennen seien. Die Union 
kennt nicht etwa nur allgemeine Duldung, sondern 
absolute Religionsfreiheit; die religiös-kirchlichen 
Verhältnisse als solche sind aus der Aktionssphäre 
des Staats und der politischen bürgerlichen Ver- 
bände niedriger Ordnung im allgemeinen völlig 
ausgeschieden, wenn auch diese Ausscheidung nicht 
immer mit voller Konsequenz durchgeführt ist. In 
allen Staaten ist es verboten, eine Staatskirche zu 
errichten oder eine Religionsgemeinschaft irgend- 
wie zu unterstützen, irgend eine Steuer zu reli- 
giösen Zwecken aufzulegen, die Beteiligung an 
irgend welchen religiösen Ubungen oder Gebräuchen 
zu erzwingen, die freie Ausübung irgend einer 
Religion zu verhindern und das Aussprechen und 
Verfechten einer religiösen Ansicht in Wort und 
Schrift zu untersagen oder zu beschränken; Vor- 
aussetzung ist dabei, daß dadurch nicht die Gesetze 
des Staats, die öffentliche Ordnung und Sittlich- 
keit oder die Rechte, die andern aus dem Recht ihrer 
Ülberzeugung erwachsen, verletzt werden (so wurde 
z. B. die Vielweiberei der Mormonen, trotz ihres
	        
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