Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Mitwirkung der weltlichen Behörden abzuschließen; 
der Kultusdiener braucht nur ein Zertifikat über 
die erfolgte Eheschließung dem mit der Führung 
des Standesamtsregisters beauftragten weltlichen 
Beamten zu übermitteln. In Fragen, wo die Ent- 
scheidung einer kirchlichen Behörde für ein Mit- 
glied der betreffenden Kirche in wirtschaftlicher oder 
bürgerlich-rechtlicher Beziehung von Bedeutung 
werden kann (wie bei der Disziplinierung eines 
Kultusdieners oder beim Ausschluß eines Mit- 
glieds aus der Kirche), erkennt der Staat, obwohl 
er der kirchlichen Jurisdiktion als solcher keine 
exekutive Gewalt leiht, das Recht der betreffenden 
Kirche an und prüft die Berechtigung der kirch- 
lichen Maßregel nicht nach dem materiellen Recht 
der betreffenden kirchlichen Organisation nach, 
sondern er prüft nur die Frage nach, ob das durch 
das Recht der betreffenden Gemeinschaft vorge- 
schriebene Verfahren eingehalten worden ist. 
Die katholische Kirche hat unter den ge- 
schilderten Verhältnissen sich eine freie, rechtlich 
und auch materiell gesicherte Stellung errungen. 
Den Bedürfnissen der katholischen Kirche ist das 
amerikanische bürgerliche Recht dadurch weit ent- 
gegengekommen, daß es den kirchlichen Organen 
einen auch in vermögensrechtlicher Beziehung über- 
wiegenden Einfluß in der Vorstandschaft der 
Trusts, als Trustees, gewährt. So sind im allge- 
meinen der Bischof, der Generalvikar der Dihzese, 
zu der eine inkorporierte Kirche gehört, und der 
Rektor dieser Kirche sowie ihre Nachfolger im Amt 
auf Grund ihres Amts ohne weiteres in der Vor- 
standschaft des Trusts (Trustees), wozu noch zwei 
Laientrustees kommen, die jeweils auf ein Jahr 
bestimmt, aber nicht von der Gemeinde, sondern 
von den kirchlichen Würdenträgern oder deren 
Mehrheit gewählt werden. Durch dieses System 
ist die kirchliche Hierarchie im bürgerlichen Recht 
formell anerkannt. Keine Handlung dieses Trustee- 
kollegiums ist gültig ohne Sanktion des Bischofs 
oder Generalvikars oder Administrators der Diö- 
zese, zu der die Kirchengemeinschaft gehört. Der 
Bischof ernennt die Pfarrer und Hilfsgeistlichen 
auf Grund seiner Stellung als Bischof und als 
Trustee und kann auch gegen den Willen einer 
Korporation einen Geistlichen nach einem rein 
kirchenrechtlichen Prozeß abberufen. Die katho- 
lische Kirche kann allgemein nach dem Trustsystem 
Vermögen erwerben; in vielen Staaten hat die 
Amterorganisation der Kirche außerdem noch die 
Eigenschaft einer COorporation sole (wor- 
unter die mit juristischer Persönlichkeit ausgestattete 
Einheit der aufeinander folgenden Träger eines 
Amts zu verstehen ist; Vertreter der Korporation 
ist der jeweilige Inhaber der Würde); auf Grund 
dieser Eigenschaft können den Organen der katho- 
lischen Hierarchie Schenkungen und Vermächtnisse 
für die von ihnen vertretenen Anstalten zugewendet 
werden, deren Verwaltung vollkommen frei nach 
kirchlichen Vorschriften durchgeführt werden kann, 
und die nach dem Tod des jeweiligen Inhabers 
Vereinigte Staaten. 
  
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von selbst auf seinen Nachfolger im Amt über- 
ehen. 
Da bei den Volkszählungen seit 1890 die 
Konfession der Bevölkerung nicht mehr 
erhoben wurde, ist die Zahl der Mitglieder der ein- 
zelnen Denominationen nicht genau bekannt. 1906 
wurden zwar Erhebungen von der Union veran- 
staltet, die aber nicht die Zahl aller Konfessions- 
angehörigen, sondern u. a. nur die der communi- 
cants oder members, d. h. der am Abendmahl 
teilnehmenden vollberechtigten Mitglieder mit Aus- 
schluß der Kinder erfaßten. Danach zählte die ka- 
tholische Kirche in den kontinentalen Vereinigten 
Staaten 12 482 organisierte Kirchengemeinden 
mit 12 079142 Mitgliedern, 10 755 Kirchen, 
518 „Hallen“ und einem kirchlichen Vermögen 
von 292,64 Mill. Dollar bei einer Schuldenlast 
von 49.49 Mill. Dollar. Nach den Angaben des 
Catholic Directory betrug die Zahl der Katho- 
liken in den eigentlichen Vereinigten Staaten 
1911: 14 618 750 (was sicher zu niedrig gegriffen 
ist), die der Weltpriester 12 650, der Ordens- 
priester 4434, der Kirchen mit regelrechter Pasto- 
ration 9017, der Filialkirchen 4441, der katho- 
lischen Pfarrschulen 4972 mit 1270 131 Schul- 
kindern, der Mädchenacademies 696, der höheren 
Lehranstalten für die männliche Jugend 225, der 
Priesterseminare 82, der Asyle 285. Die größte 
relative Zahl der Katholiken haben Neumexiko 
(an 58 % der Bevölkerung), Rhode Island 
(45% ), Louisiana (36), Neuyork (29), Illinois 
(26), Pennsylvanien (22% ). Die Hierarchie setzt 
sich aus 13 Erzbischöfen und 97 Bischöfen zu- 
sammen. Die Unterstellung der Hierarchie (mit 
Ausnahme der Apostolischen Präfekturen und 
Vikariate) der Vereinigten Staaten unter die Kon- 
gregation der Propaganda wurde 1908 aufgehoben. 
Mit Einschluß der Philippinen, von Porto Rico 
und Hawaii beträgt die Zahl der Katholiken unter 
der Herrschaft der Union 22 886 000 (/). 
Die oben angeführte Erhebung 1906 ergab 
insgesamt 186 religiöse Körperschaften (Bodies) 
oder Denominationen mit 212230 „Organi- 
sationen“ (Kirchengemeinden, Missionsstationen 
usw.), 32936 445 „Kommunikanten" oder „Mit- 
gliedern“, 185 040 kirchlichen Gebäuden, 14791 
„Hallen“ (Versammlungslokale usw.) und einem 
kirchlichen Vermögen von 1257,58 Mill. Dollar; 
davon waren 164 „Bodies“ mit 194 497 „Or- 
ganisationen“ und 20 287742 Mitgliedern pro- 
testantisch, 1 katholisch (s. oben), 1 mit 1769 
Organisationen und 101457 Mitgliedern jüdisch 
(unter Mitgliedern sind hier nur die Familien- 
väter verstanden), 2 mit 1184 Organisationen 
und 256 647 Mitgliedern mormonisch („Heilige 
der letzten Tage“), 4 mit 411 Organisationen 
und 129 606 Mitgliedern orientalisch-orthodox; 
766 Organisationen mit 81 851 Mitgliedern 
entfielen auf die übrigen 14 Denominationen. Unter 
den 164 protestantischen Denominationen sind die 
stärksten nach der Zahl der „Mitglieder“ die Metho-
	        
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