Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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müssen. Die Eisenbahnen (1910 an 382000 km) 
sind sämtlich im Besitz von Privaten oder Gesell- 
schaften; doch hat der Kongreß zur Sicherung des 
Verkehrs von seiner verfassungsmäßigen Zuständig- 
keit, hinsichtlich des Tarifwesens und der Siche- 
rung der Beförderung die Oberaufsicht auszu- 
üben, weitgehenden Gebrauch gemacht; so wurde 
1887 zur Kontrolle der Gesellschaften und ihrer 
Frachtpolitik eine Interstate Commerce Com- 
mission gebildet, deren Befugnisse 1910 be- 
trächtlich erweitert wurden. Eine der schlimmsten 
Seiten des amerikanischen Eisenbahnwesens bildet 
die in keinem andern Land in ähnlichem Grad 
vorhandene Unsicherheit des Betriebs, die in einer 
geradezu erschreckenden Höhenzahl von Unfällen 
zum Ausdruck kommt (1908/09 betrug die Zahl 
der Toten und Verletzten 63 920, die der Zu- 
sammenstöße 4411, der Entgleisungen 5259, der 
Materialschaden 7480 200 Dollar; 1906/07 so- 
gar 12 855700 Dollar). Die Länge der elek- 
trischen Straßenbahnen belief sich 1909 auf 
64 800 km. Das Postwesen (1910; 59580 
Bureaus, Einnahmen 224,1, Ausgaben 229,98 
Mill. Dollar) ist ausschließlich Sache des Bundes 
(oberste Postbehörde das Generalpostamt in Wa- 
shington), der allein das Recht hat, den Trans- 
port von Briefen usw. von einem Ort zum 
andern durch ständige Einrichtungen zu bewerk- 
stelligen; Briefe in gestempelten Umschlägen dürfen 
jedoch auch von Privaten befördert werden. Die 
Eisenbahn= und Dampf,schiffgesellschaften haben 
das Recht und die Pflicht, Postsachen anzunehmen. 
Der Paketdienst wird größtenteils von „Expreß“ 
gesellschaften besorgt. Das Telegraphenwesen liegt 
in den Händen von Privatunternehmern, mit denen 
die Unionsregierung Verträge abgeschlossen hat 
(1909/10:344 900 km Linien, 24 825 Bureaus), 
ebenso das Telephonwesen; beide wurden 1910 
der Beaufsichtigung der Interstate Commerce 
Commission unterstellt. 
Einen Ersatz für die Straßen bieten auch die 
Wasserwege. Die Vereinigten Staaten besitzen 
295 schiffbare Flüsse (42 500 km), von denen 
aber nur 40 auf 4200 km für Schiffe von 3 und 
mehr Meter Tiefgang, 70 auf 5200 km für Fahr- 
zeuge von 1,8 bis 3m Tiefgang fahrbar sind. 
Die wichtigste und längste Wasserstraße sind die 
Großen Seen mit den sie verbindenden Flüssen 
und Kanälen und der Mississippi mit Ohio, im 
Osten der Hudson. Die Länge der staatlichen 
Kanäle beträgt an 2200, der dem Verkehr 
dienenden pridaten 1020 km; eine Reihe von 
Kanalstrecken werden von den Eisenbahngesell- 
schaften, die den Besitz erworben haben, un- 
benutzt gelassen, um die Eisenbahnfrachten hoch- 
zuhalten. 
Im Seeverkehr liefen im Außenhandel 1909/10 
35192 Schiffe mit 40 235 806 Registertonnen 
ein (davon 15 001 mit 8 888 459 R.-T. vereins- 
staatlich), 34 603 Schiffe mit 39705 858 R.-T. 
aus (14527 mit 8 808 603 R.-T. amerikanisch). 
Staatslexilon. V. 3. u. 4. Aufl. 
Vereinigte Staaten. 
  
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Die eigne Handelsflotte umfaßte 1910: 25740 
Fahrzeuge mit 7 508 082 R.-T. sie besorgt jedoch 
weniger den Außenhandel (1909/10 nur 8,17 % 
des Werts) als den Verkehr an den Küsten der 
Union oder auf den großen Binnenseen. 
Finanzen. Die Vereinigten Staaten als 
Ganzes stehen finanziell auf eignen Füßen und 
sind nicht abhängig von Zuschüssen oder Beiträgen 
der Einzelstaaten. Die Haupteinnahmequellen der 
Union sind, von einigen Lizenzsteuern abgesehen. 
fast nur indirekte Steuern, besonders Zölle (die 
für manche Warengattungen weit über die Hälfte 
des Werts betragen) und Verbrauchssteuern auf 
Bier, Branntwein, Tabak, Opium usw. Die 
Union als solche hat die Kosten zu tragen für das 
Heer und die Flotte, für die Pensionen der Frei- 
heitskämpfer und ihre Familien, für den aus- 
wärtigen Dienst; sie leistet auch Beiträge für 
Hafenbauten, Flußkorrektionen, Kanäle (z. B. 
Panamakanal), für wissenschaftliche und praktische 
Untersuchungen auf dem Gebiet der Landwirt- 
schaft, des Verkehrswesens, der Einwanderung, 
Besiedlung usw., für die Indianer, während sonst 
im allgemeinen die sog. Kulturaufgaben (Unter- 
richt, Rechtspflege und Verkehrswesen zum Teil, 
Armen-, Kranken-, Irrenpflege, Besserungs= und 
Strafanstalten), auch Miliz und Polizeiwesen 
Sache der Einzelstaaten und der Gemeinden ist. 
Die Einzelstaaten und Gemeinden haben ihre 
Haupteinnahmegquellen in direkten Steuern, beson- 
ders allgemeinen Vermögenssteuern (meist Steuer 
vom beweglichen und unbeweglichen Reinvermögen, 
wobei geringere Vermögen meist frei bleiben), Ge- 
werbe-, Korporations-, spezielle Vermögens= und 
Erbschaftssteuern, Getränkelizenzsteuern usp. — 
Die Aufstellung des jährlichen Etats für die Union 
erfolgt durch den Kongreß (für die Einzelstaaten 
meist durch die zwei Repräsentantenkammern bzw. 
ihre Ausschüsse), wobei die vom Schatzamts- 
sekretär gegebenen Mitteilungen wenigstens formell 
nur eine Art von informierendem Material dar- 
stellen (faktisch allerdings von ausschlaggebender 
Bedeutung sind). Einen außerordentlichen Etat 
kennt das Finanzwesen der Vereinigten Staaten 
nicht. 1909/10 ergaben die Einnahmen 675,51, 
die Ausgaben 659,71 Mill. Dollar, außerdem 
balancierte der Etat für die Post mit 224.13 
Mill. Dollar (das Defizit von 8,5 Mill. Dollar 
wird vom Schatzamt getragen); Hauptposten der 
Einnahmer sind Zölle (333,7) und innere Steuern 
(289,9 Mill. Dollar), der Ausgaben Inneres, 
Zivildienst usw. (180,1), Heer (155,9), Marine 
(123,2), Pensionen (160,7), Panamakanal (33,9), 
Schuldzinsen (33 Mill. Dollar) usw. Die Na- 
tionalschuld betrug 1. Juli 1910: 2652,7, nach 
Abzug des Kassenbestands aber nur 1046,5 
Mill. Dollar. 
Geldwesen. Die Währung der Vereinigten 
Staaten ist seit 1873 die Goldwährung. Münz- 
einheit ist der Golddollar (an 4,2 M) zu 100 
Cents; geprägt werden Goldmünzen zu 20, 10 
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