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rechts der gewerblichen Arbeiter in Deutschland
(1899); Cathrein, Der Sozialismus (°1910);
Francke, Die Rechtsfähigkeit der gewerblichen Be-
rufsvereine, in Soziale Praxis 1906, Nr 8; Ver-
handlungen des Frankfurter Arbeiterkongresses;
H. Herkner, Die Arbeiterfrage (61908); Hoffmann,
Gewerbeordnung (7—31910); Kollenscher, Rechts-
fähigkeit der Berufsvereine (1907); Das Koali-=
tionsrecht der deutschen Arbeiter (M.-Gladbach
1909; der Arbeiterbibliothek 7. Hft); Legien, Das
Koalitionsrecht der deutschen Arbeiter in Theorie
u. Praxis (1899); Leo, Die wirtschaftliche Organi-
sation der geistigen Arbeiter, in Jahrbuch für
Nationalökonomie u. Statistik 3. Folge, XXXVI
(1908); E. Loening, Das Vereins= u. Koalitions--
recht des Arbeiters: Verhandlungen des Vereins
für Sozialpolitik 1897 in Köln (1898); Th. Lö-
wenfeld, Koalitionsrecht u. Strafrecht, in Brauns
Archiv für Soziale Gesetzgebung u. Statistik XIV;
Lotman, Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht
des Deutschen Reichs (2 Bde, 1902/08); Maus-
bach, Die kathol. Moral, ihre Methoden, Grund-
sätze u. Aufgaben (31910); Ortloff, Das Koali-=
tionsrecht im Gewerbebetrieb (1907); Rosin, An
welche rechtlichen Voraussetzungen kann die freie
Korporationsbildung geknüpft werden? Verhand-
lungen des 19. deutschen Juristentages II 135 ff,
IIl 220 ff; Schack, Die Rechtsfähigkeit der Berufs-
vereine (1906); M. Schippel, Gewerkschaften u.
Koalitionsrecht (1899); Thorndike, Zur Rechts-
fahigkeit der deutschen Arbeiterberufsvereine (1908);
Tönnies, Vereins= u. Versammlungsrecht wider die
Koalitionsfreiheit (1902); Dierig, Die Koalitions-
freiheit der Gewerbetreibenden u. gewerblichen Ar-
beiter (1909); Treitz, Der moderne Gewerkschafts-
gedanke vom Standpunkt der Vernunft u. Moral
(1909); Verhandlungen des 17. Verbandstags der
deutschen Gewerkvereine (Hirsch-Duncker) (1910).
IB. Schmittmann.]
Vereins= und Versammlungsrecht.
Unter Verein im weitesten Sinn versteht man jede
auf die Dauer berechnete Verbindung einer Mehr-
heit von Personen zur Erreichung eines gemein-
samen Zwecks. In diesem Sinn ist auch die
Familie ein Verein; ebenso die Gemeinde, der
Staat, die Kirche. Gewöhnlich werden jedoch nur
jene Verbindungen Vereine genannt, welche inner-
halb des Staats und der Kirche auf Grund freier
Vereinbarung zur Erreichung eines besondern
Zwecks sich bilden. Je nach dem Zweck unter-
scheidet man politische, religiöse, wissenschaftliche,
wirtschaftliche, literarische usp. Vereine. Ferner
unterscheidet man private und öffentliche Vereine.
Das Recht der öffentlichen Vereine, und zwar in
ihren Beziehungen zum Staat, soll im nach-
folgenden in erster Linie erörtert werden. Voll-
ständig scheiden hier aus die kirchlichen Ver-
einigungen (Orden, Kongregationen).
A. Das Rechtk der öf#enklichen Bereine.
I. Geschichte. Die geschichtliche Entwicklung des
Vereinsrechts war in den verschiedenen Perioden
ein sehr verschiedene. In der römischen Kaiser-
zeit durste ein Verein nur mit staatlicher Ge-
nehmigung sich bilden, und die unerlaubte Bil-
dung von Vereinen war mit schwerer Strafe be-
Vereins= und Versammlungsrecht.
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droht. Im Mittelalter war das Vereinswesen,
welches das ganze öffentliche Leben umfaßte, von
jeder Einwirkung des Staats frei; es erfreute sich
einer durchaus selbständigen Entwicklung und
reichster Entfaltung. Unter dem Absolutismus
dagegen, welcher namentlich seit der zweiten Hälfte
des 17. Jahrh. mehr und mehr in den deutschen
Staaten sich festsetzte, wurde das Vereinswesen in
enge Grenzen gezwängt und allmählich in voll-
ständige Abhängigkeit von der Staatsgewalt ge-
bracht. Die Uberspannung des Staatsbegriffs zur
Omnipotenz führte insbesondere auch dahin, daß
das Preußische Landrecht (TI II, Tit. 6) dem Staat
unbedingt das Recht beilegte, an sich nicht unzu-
lässige Gesellschaften zu verbieten, sobald sich finde,
daß diese andern gemeinnützigen Absichten oder
anstalten hinderlich oder nachteilig seien. Maß-
gebend für die Beurteilung dieser Frage war
natürlich das subjektive Ermessen des jeweiligen
Regiments. Von derselben Anschauung ausgehend,
gelangt Lorenz v. Stein in seiner „Verwaltungs-=
lehre“ zu dem Satz: dem Staat müsse das Recht
zustehen, darüber zu entscheiden, ob er einen Verein
als mitarbeitendes Organ für seine Zwecke ge-
brauchen könne oder nicht. Jeder Verein bedarf
hiernach der Regierungsgenehmigung. Ee versteht
sich, daß diese Genehmigung jederzeit zurück-
genommen werden kann, und daß sie zurück-
genommen werden muß, sobald sich etwa infolge
eines Ministerwechsels die Ansichten der Regie-
rung über diese oder jene Verwaltungsfrage ge-
ändert haben.
Durch Beschluß des Deutschen Bundestags vom
5. Juli 1836 wurden der Vereinstätigkeit im
Bundesgebiet die engsten Schranken gezogen. Ganz
allgemein waren „alle Vereine, welche politische
Zwecke haben oder unter andern Namen zu poli-
tischen Zwecken benutzt werden“, in sämtlichen
Bundesstaaten verboten. Außerordentliche (nicht
übliche) Volksversammlungen und Volksfeste waren
nur mit Genehmigung der Behörde gestattet, auch
bei erlaubten Versammlungen und Festen „öffent-
liche Reden politischen Inhalts“ untersagt, das
Invorschlagbringen von Adressen oder Beschlüssen
auf Volksversammlungen „mit geschärfter Ahn-
dung“ bedroht.
Die neueren Verfassungen führen meist das
Vereins= und Versammlungsrecht unter den sog.
Grundrechten auf, während besondere Gesetze die
Beschränkungen enthalten, welche einer mißbräuch-
lichen oder gemeingefährlichen Ausübung vor-
beugen sollen.
So wurden in Preußen die Bestimmungen der
Verfassung vom 31. Jan. 1850, wonach „alle
Preußen berechtigt sein sollen, sich ohne vor-
gängige obrigkeitliche Erlaubnis friedlich und ohne
Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln“
(Art. 29), und wonach „alle Preußen das Recht
haben, sich zu solchen Zwecken, welche den Straf-
gesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu
vereinigen“" (Art. 30), durch die „Verordnung