789
einen und Versammlungen betätigen, aber auch
auf andere Art, z. B. durch bloße Verträge, die
keine Vereinsbildung bedeuten (s. Vereinigungs-
(Koalitions(recht). Andere wollen Berufsvereine
als sozialpolitische Zwecke verfolgend hingestellt
wissen, wenn sie nicht nur das Interesse ihrer
Mitglieder, sondern ganzer Berufsklassen verfolgen
und zur Erreichung ihrer Zwecke die Organe und
Funktionen des Staats in Anspruch nehmen wollen.
Jedenfalls ignorieren die Gewerkschaften usw. so-
wohl den §8 3 über die Vereine als auch den § 5
über die Anmeldepflicht öffentlicher politischer Ver-
sammlungen.
Es muß eine „Einwirkung“ auf politische
Angelegenheiten bezweckt werden. Einwirkung be-
deutet ein Handeln, das unmittelbar die Ande-
rung eines bestehenden Zustands zum Zweck hat.
Dieses Moment fehlt also z. B. da, wo es sich
lediglich um eine Belehrung oder Aufklärung
handelt.
3. Personenmehrheiten, die vorübergehend zu-
sammentreten, um im Auftrag von Wahlberech-
tigten Vorbereitungen für bestimmte
Wahlen zu den auf Gesetz oder Anordnung
von Behörden beruhenden öffentlichen Körper-
schaften zu treffen, gelten vom Tag der Bekannt-
machung des Wahltags bis zur Beendigung der
Wahlhandlung nicht als politische Vereine (§ 4).
Hiernach sollen die zur Vorbereitung einer Wahl
üblichen Wahlkomitees (Wahlvereine) von den im
§ 3 vorgeschriebenen Verpflichtungen entbunden
werden. Wahlen jeglicher Art kommen in Be-
tracht, also z. B. auch Handels-, Handwerks-
kammerwahlen, Wahlen zu den Gewerbegerichten,
Krankenkassenvorständen usw.
4. Wer eine öffentliche Versammlung zur Er-
örterung — nicht „Einwirkung“ wie bei §3 — poli-
tischer Angelegenheiten (politische Versammlung)
veranstalten will, hat hiervon mindestens 24 Stun-
den vor dem Beginn der Versammlung unter An-
gabe des Orts, der Zeit, bei der Polizeibehörde
Anzeige zu erstatten (§ 5). Also nur unter den
beiden Voraussetzungen, daß die Versammlung
öffentlich und zur Erörterung politischer Angelegen-
heiten veranstaltet wird, muß eine Versammlung
bei der Polizei angezeigt werden. Also alle
nicht öffentlichen und nicht politischen Versamm-
lungen brauchen überhaupt nicht angemeldet zu
werden. Was ist eine Versammlung? Unter Ver-
sammlung versteht man jede absichtliche Vereini-
gung an demselben Ort zu einem gemeinsamen,
schnell vorübergehenden Zweck. Wann ist eine
Versammlung öffentlich? Sie ist dann öffentlich,
wenn zu ihr nach der Art der Zusammenberufung
nicht nur ein bestimmter, begrenzter Personenkreis,
sondern jedermann oder doch eine unbestimmte
Menschenmenge Zutritt haben soll. Auch Vereins-
versammlungen, an denen nur Vereinsmitglieder
teilnehmen, können öffentlich sein, nämlich dann,
wenn die Vereinszusammenkunft durch die räum-
liche Ausdehnung des Vereinsgebiets, die große
Vereins= und Versammlungsrecht.
790
Zahl der Mitglieder, die lose Vereinsorganisation,
den leichten Erwerb der Mitgliedschaft die Merk-
male einer öffentlichen Versammlung in sich trägt.
5. Ausnahmen von der Anzeigepflicht für öffent-
liche politische Versammlungen. a) Einer Anzeige
bedarf es nicht für Versammlungen, die öffent-
lich bekannt gemacht worden sind; die Erforder-
nisse der Bekanntmachung bestimmt die Landes-
zentralbehörde (§ 6, Abs. 1). b) Einer Anzeige
bedarf es ferner nicht für Versammlungen der
Wahlberechtigten zum Betrieb der Wahlen zu den
auf Gesetz oder Anordnung der Behörden beruhen-
den öffentlichen Körperschaften vom Tag der amt-
lichen Bekanntmachung des Wahltags bis zur
Beendigung der Wahlhandlung (§ 6, Abs. 2).
Versammlungen zur Entgegennahme des Wahl-
resultats sind nicht anmeldepflichtig, wenn in ihnen
keine politischen Reden gehalten werden, also ledig-
lich das Resultat der Wahlen mitgeteilt wird;
denn nichtpolitische Versammlungen, auch wenn
sie öffentlich sind, sind nicht anzeigepflichtig. Fin-
det aber nach der Hauptwahl noch eine Stichwahl
statt, dann dürfen in einer solchen Versammlung
noch politische Reden gehalten werden, denn die
Wahlhandlung ist ja noch nicht geschlossen. c) Das
gleiche gilt für Versammlungen der Gewerbe-
treibenden, gewerblichen Gehilfen, Gesellen, Fa-
brikarbeiter, Besitzer und Arbeiter von Bergwerken,
Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdisch
betriebenen Brüchen und Gruben zur Erörterung
von Verabredungen und Vereinigungen zum Be-
huf der Erlangung günstiger Lohn= und Arbeits-
bedingungen, insbesondere mittels Einstellung der
Arbeit oder Entlassung der Arbeiter (§6, Abf. 3).
In gewerkschaftlichen Kreisen nimmt man an, daß
der Absatz 3 des § 6 von der gesetzlich bestehenden
Meldepflicht des § 5gerade solche öffentliche
gewerbliche Versammlungen ausnehmen, die die
Frage des Arbeitsverhältnisses in unmittel-
barer Beziehung auf den Staat oder seine
Organe behandeln; denn so folgert man, der 86,
Abs. 3 muß Versammlungen betreffen, die an sich
der Verpflichtung des § 5 unterliegen würden,
also öffentliche, die zur Erörterung politischer
Angelegenheiten bestimmt sind, sonst wäre der Ab-
satz ja ganz überflüssig.
Seitens der Gewerkschaften wird seit dem In-
krafttreten des R.V.G. in diesem Sinn verfahren,
Gewerkschaftsversamml werden nicht mehr
angemeldet.
III. Beschränkungen des Vereins= und
Versammlungsrechts. „Dieses Recht unterliegt
polizeilich nur den in diesem Gesetz und andern
Reichsgesetzen enthaltenen Beschränkungen.“ Durch
das Wort „polizeilich“ soll zum Ausdruck gebracht
werden, daß etwaige „den einzelnen beschränkende,
zivilrechtliche oder disziplinarische Bestimmungen“
durch das Vereinsgesetz nicht berührt werden sollen.
Es soll damit „kraft primären Rechts dem Vater
und dem Lehrherrn vermöge ihres Gewaltverhält-
nisses, der Schule aller Grade vermöge der Schul-