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schäftsbetriebs bezwecken (Genossenschaften), na-
mentlich Vorschuß= und Kreditvereine, Rohstoff-
und Magazinvereine, Vereine zur Anfertigung von
Gegenständen und zum Verkauf der gefertigten
Gegenstände auf gemeinschaftliche Rechnung (Pro-
duktivgenossenschaften), Vereine zum gemeinschaft-
lichen Einkauf von Lebensbedürfnissen im großen
und Ablaß in kleineren Partien an ihre Mitglie-
der (Konsumvereine) und Vereine zur Herstellung
von Wohnungen für ihre Mitglieder, die durch
das gedachte Gesetz bezeichneten Rechte einer „ein-
getragenen Genossenschaft“ unter den in diesem
Gesetz angegebenen Bedingungen erwerben. Durch
ein deklaratorisches Reichsgesetz vom 19. Mai
1871 ist ausgesprochen worden, daß die vorstehend
bezeichneten Gesellschaften den Charakter von Ge-
nossenschaften im Sinn des Gesetzes vom 4. Juli
1868 dadurch nicht verlieren, daß ihnen die Aus-
dehnung ihres Geschäftsbetriebs auf Personen,
welche nicht zu ihren Mitgliedern gehören, im
Statut gestattet wird. Zu den mit Rechtspersön-
lichkeit ausgestatteten Vereinen gehören weiter noch
die im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch
aufgeführten Handels= oder Versicherungsgesell-
schaften, insbesondere die Kommanditgesellschaften,
die stille Gesellschaft, die Kommanditgesellschaft
auf Aktien und die Aktiengesellschaften in Gemäß-
heit des Gesetzes vom 11. Juni 1870 und 16. Mai
1897, ferner die eingetragenen Genossenschaften,
1. Mai 1889 und die Gesellschaften mit beschränk-
ter Haftung durch das Gesetz vom 20. April 1892
in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Mai
1898.
Mit dem Inkrafttreten des B.G.B. für das
Deutsche Reich (1. Jan. 1900) ist diese Rechts-
lage nicht unwesentlich geändert. Von dem ge-
nannten Zeitpunkt ab erhalten alle wissenschaft-
lichen, künstlerischen, geselligen, wohltätigen, Unter-
richts= und Erziehungsvereine ohne weiteres die
juristische Persönlichkeit lediglich durch Eintragung
in ein Register beim Amtsgericht. So können also
vom 1. Jan. 1900 ab alle katholischen Kasinos,
die Schutzvorstände der Gesellenvereine, alle Ver-
eine, welche Arbeiterinnenhospize, Lehrlingshäuser
usw., Schulen und Erziehungsanstalten aller Art
bauen wollen, ohne alles weitere juristische Per-
sönlichkeit erlangen, deren sie bedürfen, sobald sie
Grundbesitz erwerben oder veräußern, Hypotheken
geben oder aufnehmen wollen. Da der Vorstand
und alle Anderungen des Vorstands in das
Vereinsregister eingetragen werden müssen (§8 67ff
B.G.B.), so empfiehlt es sich, den Vorstand nur
aus wenigen Personen — höchstens 3 — bestehen
zu lassen und daneben einen Ausschuß zu wählen,
der nicht eingetragen zu werden braucht.
Das B. G. B. unterscheidet zunächst Vereine,
deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäfts-
betrieb gerichtet ist. z. B. ein Konsumverein, und
solche, die andere Zwecke verfolgen — ideelle Ver-
eine. Sofern die ersteren nicht zu den Gesell-
schaften gehören, deren Verhältnisse durch andere
Vereins= und Versammlungsrecht.
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Reichsgesetze normiert sind (Handelsgesellschaften
usw.) und welche nach diesen Rechtsfähigkeit be-
sitzen oder erwerben können, vermögen sie Rechts-
fähigkeitnur durch Verleihungdes Bundes-
staats, in dessen Gebiet der Verein seinen Sitz
hat, zu erlangen (§ 22 B.G.B). Die Vereine da-
gegen, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb gerichtet ist, können durch Ein-
tragung in das Vereinsregister des zu-
ständigen Amtsgerichts Rechtsfähigkeit erlangen
(§ 21). Doch unterstehen ausschließlich dem Landes-
recht diejenigen Vereine, welche den der Landes-
gesetzgebung vorbehaltenen Rechtsgebieten ange-
hören, wie Wassergenossenschaften, Deichverbände
usw. (vgl. Einf. Ges. Art. 65 ff). Auch bleiben die
landesgesetzlichen Vorschristen unberührt, nach
welchen eine Religionsgesellschaft oder eine geist-
liche Gesellschaft nur im Weg der Gesetzgebung
Rechtsfähigkeit erlangen kann (Preußen, Verfas-
sung Art. 13; Einf. Ges. Art. 84).
Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaft-
lichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, zu denen also
auch alle religiösen, politischen, sozialpolitischen
und geselligen Vereine gehören, können die Ein-
tragung in das Vereinsregister beantragen, wenn
die Zahl ihrer Mitglieder mindestens 7 beträgt
(§ 56). Bei der Anmeldung sind die Satzungen
des Vereins, die den Vorschriften des B. G. B.
(6 58) entsprechen müssen, sowie eine Urkunde
über die Bestellung des Vorstands beizufügen.
Das Amtsgericht hat von der Anmeldung der
zuständigen Verwaltungsbehörde Mitteilung zu
machen, welche binnen sechs Wochen Einspruch
erheben kann. Diese Bestimmung ist der Er-
wägung entsprungen, daß unter den ideellen Ver-
einen sich oft politische oder religiöse befänden.
deren Tätigkeit mit den Staatsinteressen in Wider-
spruch treten könne. Doch kann der Einspruch nur
erhoben werden, wenn der Verein nach dem öffent-
lichen Vereinsrecht unerlaubt ist oder verboten
werden kann, oder wenn er nach seiner politischen
Satzung einen sozialpolitischen oder religiösen
Zweck verfolgt (§ 61, Abs. 2). Erfolgt ein Ein-
pruch, so hat das Amtsgericht ihn dem Vorstand
mitzuteilen. Gegen den Einspruch kann in den
Staaten, in welchen ein Verwaltungsstreit-
verfahren besteht, d. h. in Preußen, Bayern,
Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Braun-
schweig, Klage vor den Verwaltungsgerichten er-
hoben werden, in den andern Staaten Rekurs
nach Maßgabe der 8§ 20, 21 G.O. Die Klage
kann sich aber nur darauf stützen, daß der
Verein nicht zu einer der angegebenen Arten von
Vereinen gehört. Die Verwaltungsgerichte haben
also nur darüber zu entscheiden, ob der Verein
solche Zwecke verfolgt oder nicht. Steht das erstere
fest, so ist es in das Ermessen der Verivaltungs-
behörde gestellt, ob ein solcher Verein zum Er-
werb der Rechtsfähigkeit zugelassen wird oder nicht.
Sind seit der Mitteilung der Anmeldung sechs
Wochen verstrichen und ist Einspruch nicht er-
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