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lösen, wenn sich in ihr gesetzwidrige Vorgänge er-
eignen, Gegenstände verhandelt werden, welche
außerhalb des statutenmäßigen Zwecks des Ver-
eins liegen, oder wenn die Versammlung einen die
öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter an-
nimmt. Auch kann jeder Verein aufgelöst werden,
wenn er Beschlüsse faßt, die den Strafgesetzen zu-
widerlaufen, wenn er seinen Wirkungskreis über-
schreitet oder „überhaupt den Bedingungen seines
rechtlichen Bestands nicht mehr entspricht“. Gegen
den die Bildung eines Vereins untersagenden Be-
schluß sowie gegen den Auflösungsbeschluß ist Re-
kurs an das Reichsgericht zulässig. Alle erlaubten
Vereine haben aber in Osterreich nach dem Bürger-
lichen Gesetzbuch juristische Persönlichkeit. Offent-
liche Versammlungen, welche drei Tage vorher
unter Angabe des Zwecks, der Zeit und des Orts
angemeldet werden müssen, sind zu untersagen,
wenn ihr Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft
oder ihre Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder
das öffentliche Wohl gefährdet, und aufzulösen,
wenn sich in ihnen gesetzwidrige Vorgänge ereignen
oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung be-
drohenden Charakter annehmen. Die Verfassung
von Ungarn enthält keinerlei Bestimmung über
Vereins= und Versammlungsfreiheit. Selbst die
Statuten von Vereinen zur Gründung von An-
stalten behufs Förderung der Kunst, der Wissen-
schaft, der Landwirtschaft, des Handels bedürfen
der staatlichen Genehmigung. In Italien unter-
liegt die Bildung und die Tätigkeit der Vereine
keiner besondern Beschränkung. Versammlungen,
welche 24 Stunden vorher anzumelden sind, kön-
nen, wenn strafbare Handlungen in ihnen verübt
werden, aufgelöst werden. In Spanien besteht
weitgehende Vereins= und Versammlungsfreiheit.
Die Auflösung eines Vereins kann nur durch ge-
richtliches Urteil ausgesprochen werden, und zwar
nur, wenn der Verein Zwecke verfolgt, die der
öffentlichen Sittlichkeit zuwiderlaufen oder auf
Begehung strafbarer Handlungen gerichtet sind,
oder wenn die Vorschriften des Vereinsgesetzes ver-
letzt werden. Nach der Bundesverfassung der
Schweiz, welche allen Bürgern das Recht, Ver-
eine zu bilden, gewährleistet, kann die Kantonal=
gesetzgebung über den Mißbrauch dieses Rechts
Bestimmungen treffen. In den meisten Kantonen
sind jedoch beschränkende Bestimmungen nicht er-
lassen. Den Grundsatz der Vereins= und Ver-
sammlungsfreiheit proklamieren auch die Ver-
fassungen von Belgien, Dänemark und den
Niederlanden z in den letzteren enthält ein be-
sonderes Gesetz einzelne Beschränkungen. Für
Frankreich standen bis zum Jahr 1901 die Vor-
schriften des Code pénal und des diese Vorschriften
noch verschärfenden Gesetzes vom 10. April 1834
in Kraft, wonach selbst genehmigte Vereine jeder-
zeit aufgelöst werden konnten. Nur die Unter-
stützungsvereine und die Gewerkvereine (syndi-
cats professionels) unterlagen diesen Beschrän-
kungen nicht. Erst das Gesetz vom 1. Juli 1901
Verfassung — Verlagsrecht.
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hat in Frankreich die Vereinsfreiheit für weltliche
Vereine begründet, gleichzeitig aber die Unter-
drückung der kirchlichen Vereinigungen (Orden,
Kongregationen) eingeleitet. Den Versammlungen
ist in Frankreich weiter Spielraum gelassen; der
Vertreter der Behörde darf Versammlungen nur
auflösen, wenn Tätlichkeiten vorkommen. Weder
Vereins- noch Versammlungsfreiheit besteht in
Rußland. Die Teilnahme an jedem Verein
oder jeder Zusammenkunft, die von der Behörde
nicht ausdrücklich genehmigt ist, wird mit Strafe
bedroht. In England genießen heute alle Ver-
eine und Versammlungen, die nicht ungesetzliche
Zwecke verfolgen, unbeschränkte Freiheit. Zwar
bestehen einzelne beschränkende Gesetze, teilweise
aus früheren Jahrhunderten, noch fort; die-
selben sind jedoch längst außer Anwendung ge-
kommen. Ebenso besteht in den Vereinigten
Staaten von Amerika tatsächlich volle Vereins-
und Versammlungsfreiheit. Die Verfassung ver-
bietet ausdrücklich dem Kongreß den Erlaß von
Gesetzen, durch welche das Recht des Volks, sich
friedlich zu versammeln, beschränkt würde. In
allen einzelnen Staaten ist durch die Verfassungen
die Versammlungsfreiheit in gleicher Weise ge-
währleistet.
Literatur. Zirkel, Das Assoziationsrecht der
Staatsbürger (1834); Gierke, Deutsches Genossen-
schaftsrecht (3 Bde, 1868/81); Ball-Friedenthal,
V.= u. V. in Deutschland (!1907); Puschmann, Das
deutsche Vereins= u. Gesellschaftswesen nach B. G. B.
u. sonstigem Reichsrecht (21898); Altmann, Hand-
buch des deutschen Vereinsrechts (1905); L. Vossen,
Kommentar u. System des öffentlichen u. privaten
deutschen Reichsvereinigungsrechts (1909); Ebner,
Das deutsche Vereinsrecht (1910); Kommentare zum
R.V. G. von Friedenthal, Sartor, Adolph, Romen
usw.; Berichte u. Beschlüsse der XIV. Kommission
zur Vorberatung des Entwurfs eines Reichsver-
einsgesetzes I. u. II. Lesung.
[B. Schmittmann.)
s. Staatsverfassung.
ständische s. Stände.
s. Garantien, staatsrecht-
liche.
Verfügung s. Gesetzgebung.
Verlagsrecht. I. Allgemeines, Geschicht-
liches. Die Entwicklung des Urheberrechts, wie
sie in dem gleichnamigen Artikel zur Darstellung
gelangt ist, ist dem berechtigten Verlangen der
Urheber geistiger Erzeugnisse entsprungen, auch
die Früchte ihrer Arbeit zu ernten. Gesichert wurde
ihnen der Genuß erst durch die Anerkennung des
Urheberrechts. „Diese neue Rechtsbildung ist ein
Ruhmeslitel des modernen Rechts. Auf ihr ruht
großenteils die gewaltige Entwicklung der neueren
Kultur. Indem die Nationen Schriftstellern, Künst-
lern. Erfindern Rechte an den Erträgnissen ihrer
Geistesschöpfungen zuteilen, verleihen sie ihnen
Muße zum geistigen Schaffen und gewähren ihnen
damit eine reelle Anerkennung, auf welche auch hoch-
angelegte Naturen Wert legen müssen“ (Dernburg-