Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Kohler). Zu einer solchen materiellen Nutzung 
ihres geistigen Eigentums standen und stehen in 
alter und neuer Zeit den Schöpfern geistiger und 
künstlerischer Kulturwerte die mannigfachsten Wege 
offen. Wie in dem oben erwähnten Artikel mit- 
geteilt ist, war es von Römerzeiten bis über das 
Mittelalter hinaus üblich, daß Schriftsteller ihre 
Manufkripte verkauften und es den Käufern über- 
ließen, dieselben zu verwerten. Der Weg ist ihnen 
auch heute noch nicht verschlossen. Ja für Maler, 
Bildhauer und andere Künstler ist der Verkauf 
noch immer das Nächstliegende und Gebräuchliche, 
um die Originalwerke abzusetzen. Auch die Her- 
stellung und den Absatz von Vervielfältigungen 
kann der Schriftsteller und Künstler selbst vor- 
nehmen, und es ist auch dieses Verfahren bis in 
die neuere Zeit hinein nichts Ungewöhnliches ge- 
wesen, wissen wir doch, daß z. B. noch die ge- 
schäftskundige Frau Dürers mit dessen Kupfer- 
stichen und Holzschnitten auf Messen und Märkten 
umherzog. Praktischer mußte es sich indessen er- 
weisen, sämtliche für diese Zwecke dienlichen Ver- 
richtungen oder einen Teil derselben Personen zu 
übertragen, die sie geschäftsmäßig und darum er- 
folgreicher zu betreiben pflegen. Das konnte ehe- 
mals und kann auch heute noch mittels sehr ver- 
schiedener Rechtsgeschäfte als Auftrag, Werkvertrag, 
Dienstvertrag, Trödelvertrag, Kommissionsver- 
trag, Gesellschaft — alle in mannigfaltigen Varia- 
tionen — geschehen. Unter Entäußerung des ganzen 
Rechts am Werk alles in die Hand eines Druckers 
bzw. einer Kunstanstalt zu legen, war das Nächst- 
liegende und lange Zeit Ubliche. Was den Ver- 
trieb literarischer Erzeugnisse anlangt, so beauf- 
tragte der Drucker seinerseits wieder einen oder 
mehrere sog. Buchführer mit dem Vertrieb im 
kleinen. Diese Buchführer zogen mit ihren Bücher- 
wagen von Stadt zu Stadt und schlugen auf 
Messen und Märkten oder bei kirchlichen Festlich- 
keiten auf den öffentlichen Plätzen und vor den 
Kirchentüren ihre Verkaufsstände auf und boten 
in Universitätsstädten vor den Türen der Kollegien 
und Bursen ihre Waren an. Bald mußte bei dem 
Drucker der Gedanke auftauchen, das geschäftliche 
Risiko dadurch zu mindern, daß der Urheber nicht 
ein für allemal mit einer festen Summe abge- 
sunden, sondern je nach dem Erfolg beim Absatz des 
Buches oder Bildes bezahlt werde, oder aber für 
eine bestimmte Anzahl von Vervielfältigungen 
eine vereinbarte Summe erhalte. Letzterenfalls 
ergab sich von selbst, daß dann der Drucker einer- 
seits auch nicht das Recht haben durfte, eine 
größere Anzahl als die vereinbarte herzustellen 
und zu vertreiben, anderseits aber auch die ent- 
sprechende Pflicht hatte, und daß der Urheber im 
übrigen Herr seines Werkes blieb und nach dem 
erfolgten Absatz dieser Zahl einen weiteren Ver- 
trag über sein Werk abschließen konnte. Das war 
dann das, was Verlagsvertrag genannt wird, seinem 
wesentlichen Kern und Inhalt nach. Aber wie 
überall im geschäftlichen Leben, so machte sich auch 
Staatslexikon. V. 3. u. 4. Aufl. 
Verlagsrecht. 
  
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hier bald das Gesetz der Arbeitsteilung geltend, 
und es schob sich zwischen Urheber und Drucker 
eine Persönlichkeit ein, die, ohne Drucker zu sein, 
gewerbsmäßig Urhebern gegenüber Recht und 
Pflicht übernahm, auf eigne Kosten und eignes 
Risiko Werke zu vervielfältigen und zu vertreiben. 
Diese Persönlichkeit ist dann der Verleger. Diese 
Scheidung hat sich schon früh vollzogen. Was 
insbesondere den Verlag literarischer Erzeugnisse 
anlangt, so ist sie schon in den 1470er Jahren 
nachgewiesen, indem schon in dieser Zeit in Basel 
eine Kapitalistengesellschaft einen Drucker mit der 
Herstellung von Druckwerken beauftragte. Und 
1488 bestellte ein Ofener Buchhändler Theo- 
bald Feger bei dem Augsburger Drucker Erhard 
Ratdold den Druck der ungarischen Chronik des 
Johann von Thworz auf seine Kosten. Allgemein 
üblich scheint der Verlagsvertrag schon im ersten 
Viertel des 16. Jahrh. gewesen zu sein. Das 
schließt selbstverständlich nicht aus, daß Druck und 
Verlag auch noch weiterhin in einer Hand ver- 
bleiben konnten und auch noch heutigentags sich 
nicht selten in einer Person vereinigen, auch daß 
hie und da ein Verlagsvertrag vorkam und noch 
vorkommt, bei dem der Verleger nicht gewerbs- 
mäßig handelt. 
Das Verlagsrecht hat sich dann in Deutschland 
zunächst gewohnheitsrechtlich weitergebildet. Über 
seine juristische Konstruktion und sein Wesen hat 
noch lange Streit und Unklarheit geherrscht. Das 
stand zunächst fest, daß der Verlagsvertrag nur 
ein obligatorisches Verhältnis zwischen demjenigen, 
der ein Werk in Verlag gab, und dem Verleger 
begründete, dergestalt, daß jener diesem ein Werk 
zur Vervielfältigung zu überlassen hatte, dieser die 
Verpflichtung übernahm, das Werk zu verviel- 
fältigen und zu verbreiten. Davon, daß dem Ver- 
leger ein im Verhältnis zu Dritten wirksames 
Recht gegen Nachdruck verschafft wurde, ist zunächst 
bei einem solchen Vertrag keine Rede und konnte 
solange keine Rede sein, als der Schutz gegen 
Nachdruck nicht anerkannt war. Hier mußten die 
Privilegien gegen Nachdruck aushelfen, die ent- 
weder dem Verfasser oder Verleger, für ein ein- 
zelnes Werk oder für den gesamten Verlag eines 
bestimmten Verlegers gegeben wurden. Darüber, 
ob der Schutz gegen Nachdruck, soweit er Platz 
griff, ein Recht des Verfassers des Werkes sei und 
von diesem auf den Verleger übertragen werde, 
oder ob der Schutz in der Person des Verlegers 
entstehe, war man nicht einig. Das den Schutz 
gegen Nachdruck begründende Recht wurde als 
„Verlagsrecht“ bezeichnet, womit die Ansicht Aus- 
druck fand, daß das Recht erst durch den Verlag 
zur Entstehung komme. Die Auffassung, daß es 
sich bei dem Verlagsvertrag nicht lediglich um ein 
obligatorisches Verhältnis zwischen dem Verfasser 
und dem Verleger, sondern zugleich um die Schaf- 
fung eines gegen Dritte wirksamen ausschließlichen 
Rechts auf Vervielfältigung und buchhändlerische 
Verbreitung handle, tritt aber schon in den Ge- 
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