Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Versicherungswesen. 
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der finanziellen Lage und des gesamten Geschäfts= Bestimmung bestand, da nach dem Handelsgesetz- 
ergebnisses verlangt wird, so wendet kein Ver- 
sicherer etwas dagegen ein, zumal sie dazu schon 
durch die Handelsgesetzgebung meistens verpflichtet 
sind. Indes ist hiermit wenig erreicht, weshalb 
auch die Gesetzgebung viel weiter geht. Zunächst 
behält sie der Regierung die Konzession vor und 
erteilt diese erst, nachdem sie die Vertrauenswürdig- 
keit der Versicherer, die Existenz hinreichender 
Garantiemittel und deren sichere Anlage sowie die 
Statuten geprüft hat. In manchen Staaten 
müssen auch Kautionen zur Sicherstellung der Ver- 
sicherten hinterlegt werden; dies gilt besonders 
für ausländische Gesellschaften, die überdies einen 
Generalbevollmächtigten mit Domizil im Staats- 
gebiet wählen und ihre Rechtsstreitigkeiten den 
inländischen Gerichten unterwerfen müssen. Das 
sind im großen und ganzen die wichtigsten Be- 
dingungen, die als erfüllt nachgewiesen werden 
müssen, falls Konzession erteilt werden soll. Ebenso 
wichtig sind die Bestimmungen über die fort- 
währende ÜUberwachung des Geschäftsbetriebs nach 
Erteilung der Konzession. Danach hat der Staat 
das Recht, jederzeit Einsicht zu nehmen in die 
Geschäftsbücher, um sich davon zu überzeugen, ob 
die genehmigten Rechnungsgrundlagen, z. B. 
zur Feststellung der Prämienreserve, eingehalten 
werden; auch verlangt er nach vorgeschriebenen 
Formularen jährlich Rechenschaftsablage, behält 
sich die Bestätigung der Agenten vor und verlangt 
für die ganze Betriebszeit eine Staatsgebühr. 
Nach diesen Gesichtspunkten ist in der Schweiz 
das Bundesgesetz vom 25. Juni 1885 betreffend 
die Überwachung der privaten Versicherungs- 
unternehmungen ergangen. Zur Ausführung des 
Gesetzes ist eine eigne Behörde, das eidgenössische 
Versicherungsamt, eingesetzt worden, das auf 
Grund der von den zugelossenen Gesellschaften zu 
erstattenden Berichte eine übersichtliche Zusammen- 
stellung von allen in der Schweiz arbeitenden 
Gesellschaften alljährlich veröffentlicht. Diese 
„Jahresberichte des eidgenössischen Versicherungs- 
amts über die privaten Versicherungsunterneh- 
mungen in der Schweiz“ sind von großer wissen- 
schaftlicher Bedeutung für das ganze Versiche- 
rungswesen. Zur Bestreitung der durch diese Art 
der Uberwachung entstehenden Kosten müssen die 
Gesellschaften 1 %% ihrer in der Schweiz ver- 
einnahmten Prämien beitragen. Nach dem näm- 
lichen Konzessions- und Uberwachungssystem wird 
auch in Osterreich verfahren laut einer auf 
Grund früherer Verordnungen und Gesetze er- 
lassenen Ministerialverordnung vom 5. März 
1896. Das dem Ministerium des Innern unter- 
stellte versicherungstechnische Bureau hat die näm- 
liche Aufgabe wie das eidgenössische Versiche- 
rungsamt; seine Arbeiten erreichen jedoch nicht 
die wissenschaftliche Bedeutung der schweizerischen 
Behörde. 
In Deutschland war die Gesetzgebung bis 
vor kurzem zurückgeblieben. Nur eine allgemeine 
  
buch auf die „Versicherungen gegen Prämie“ die 
Bestimmungen desselben über die Gründung und 
Verwaltung von Aktiengesellschaften Anwendung 
finden. Sonst herrschte aber in den deutschen 
Bundesstaaten ein buntes Durcheinander; ja nicht 
einmal im nämlichen Staat galten die gleichen 
Bestimmungen. Während z. B. in Preußen im 
allgemeinen durch eine Reihe von Verordnungen 
das Konzessions= und Überwachungssystem ein- 
geführt war, besaßen für die seit 1866 einver- 
leibten neuen Landesteile die vor 1866 erlassenen 
gesetzlichen Verfügungen keine Gültigkeit, so daß 
z. B. für Frankfurt a. M. überhaupt keine Ein- 
schränkungen bestanden, für Hannover und Hessen- 
Komburg bloße Konzessionierung, für Nassau 
onzessionierung und Überwachung der Feuer- 
versicherungsgesellschaften usw. Bayern und Würt- 
temberg standen im allgemeinen auf dem Stand- 
punkt des Konzessions= und Überwachungssystems, 
wenn sie auch in Einzelheiten voneinander ab- 
wichen. Das gleiche gilt von den übrigen deut- 
schen Bundesstaaten, wenigstens in bezug auf 
die Feuerversicherung. Die Verschiedenheit dieser 
öffentlich-rechtlichen Bestimmungen bereitete den 
Gesellschaften große Schwierigkeiten, besonders 
wenn ein und dieselbe Gesellschaft in mehreren 
Staaten arbeitete. Mit Recht riefen die Ver- 
sicherer nach Abhilfe, und es ist im Interesse des 
Versicherungswesens sehr zu begrüßen, daß diese 
Buntscheckigkeit beseitigt und für das ganze Reich 
ein einheitliches Gesetz nach dem Vorbild des 
schweizerischen erlassen wurde. 
Aus verschiedenen Vorarbeiten ging 1898 ein 
erster Gesetzentwurf hervor, der nach verschiedenen 
Anderungen am 12. Mai 1901 Gesetz wurde. 
Nach § 125 desselben sind Reichsaufsichtsamt und 
Landesaussichtsbehörden am 1. Juli 1901 in 
Tätigkeit getreten. Die privatrechtliche Seite des 
Versicherungsvertrags wird nur da berührt, wo 
sie derart mit den geregelten Fragen in Verbin- 
dung steht, daß sie nicht ausgeschaltet werden 
konnte, z. B. bei dem Recht der Versicherungs- 
vereine auf Gegenseitigkeit (§ 15 ff), bei gewissen 
konkursrechtlichen Bestimmungen (8 61); im übri- 
gen aber wird das Versicherungswesen nur öffent- 
lich-rechtlich durch das Gesetz vom 12. Mai 1901 
geregelt. Das Gesetz zerfällt in neun Abschnitte. 
Der erste (Einleitende Vorschriften) unterwirft alle 
Privatunternehmungen, welche den Betrieb von 
Versicherungsgeschästen zum Gegenstand haben, 
mit Ausnahme einiger, die im Gesetz namhaft ge- 
macht werden, der staatlichen Beaussichtigung. 
Diese wird, sofern der Geschäftsbetrieb der Ver- 
sicherungsunternehmungen auf das Gebiet eines 
Bundesstaats beschränkt ist, durch die Landesbe- 
hörden, andernfalls durch eine hierzu bestellte 
Reichsbehörde ausgeübt. Im ersteren Fall kann 
jedoch die Beaussichtigung auf Antrag des be- 
treffenden Bundesstaats der Reichsbehörde über- 
tragen werden, während sie im zweiten Fall durch
	        
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