Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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sammlung der Altionäre gegebenen Vorschriften 
des Handelsgesetzbuchs unter bestimmten Maß- 
gaben entsprechende Anwendung. Die Satzung 
kann nur durch Beschluß des obersten Organs 
geändert werden, und zwar ist jede Anderung zur 
Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 
Dringliche Anderungen können auch, falls die 
Satzung oder das oberste Organ solches gestatten, 
mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde vorläufig 
vom Aufsichtsrat vorgenommen werden; Wirkung 
für die bestehenden Versicherungsverhältnisse hat 
die Anderung nur dann, wenn sie sich auf Be- 
stimmungen bezieht, von denen die Satzung aus- 
drücklich vorsieht, daß ihre Anderung auch mit 
Wirkung für die bestehenden Versicherungsverhält- 
nisse geschehen kann. Die Auflösung kann nur 
durch das oberste Organ beschlossen werden; der 
Beschluß bedarf der Genehmigung der Aufsichts- 
behörde. Nach der Auflösung des Vereins findet 
die Liquidation statt, sofern nicht über sein Ver- 
mögen der Konkurs eröffnet ist; auf die Liqui- 
dation finden die entsprechenden Bestimmungen 
des Handelsgesetzbuchs Anwendung. Das nach 
Berichtigung der Schulden vorhandene Vermögen 
des Vereins wird, falls die Satzung nicht anders 
bestimmt, an die zur Zeit der Auflösung vor- 
handen gewesenen Mitglieder verteilt. Ein Verein 
wird auch aufgelöst durch Eröffnung des Kon- 
kurses, wofür die Vorschriften des § 307 des 
Handelsgesetzbuchs Geltung haben. Mitglieder 
haften für die Schulden des Vereins, soweit ihnen 
nach Satzung oder Gesetz eine Beitragspflicht ob- 
liegt. Das Gesetz kennt auch Vereine ohne Ein- 
tragspflicht, sog. kleinere Vereine, d. h. solche, die 
bestimmungsgemäß einen sachlich, örtlich oder 
hinsichtlich des Personenkreises eng begrenzten 
Wirkungskreis haben. 8 53 regelt die Verhält- 
nisse dieser kleineren Vereine, denen ein größerer 
Spielraum in ihrer Wirksamkeit gelassen ist. Ob 
ein Verein als kleinerer Verein anzusehen ist, ent- 
scheidet die Aufsichtsbehörde. — Der vierte Ab- 
schnitt (Geschäftsführung der Versicherungsunter- 
nehmungeny schreibt die jährliche der Aussichts- 
behörde einzureichende Rechnungslegung vor und 
gibt wichtige Vorschriften über die Prämien- 
reserve bei den Lebensversicherungen. Mit jedem 
Jahr wird für den einzelnen Menschen die Wahr- 
scheinlichkeit des Sterbens größer, bis er an der 
äußersten Grenze angelangt ist. Daher wächst 
auch mit jedem Jahr das Risiko, das eine Gesell- 
schaft im Versicherungsvertrag übernommen hat. 
Deshalb müßte die Prämie eigentlich immer 
wachsen. Uber diesem Grundgedanken einer stei- 
genden Prämie konstruierte die Hannoversche Ver- 
sicherungsgesellschaft eine Zeitlang ihren Geschäfts- 
plan, war aber gezwungen, denselben dald wieder, 
aufzugeben, da er die Gunst des Publikums nicht Gegen Entscheidungen der Aussichtsbehörde kann 
Alle 
Gesellschaften stellen darum Durchschnittsprämien 
auf. Dadurch ist aber bedingt, daß in den ersten 
Versicherungsjahren zu viel gezahlt wird, während 
fand und praktisch undurchführbar war. 
Versicherungswesen. 
  
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die Prämie für die späteren Jahre zu niedrig ist. 
Es muß daher von den früheren Prämien ein Teil 
zurückgelegt werden: die Summe dieser zurück- 
gelegten Prämienquoten nebst dem dazu gehörigen 
Zinserträgnis ist die Prämienreserve. Die Lei- 
stungsfähigkeit jeder Lebensversicherungsanstalt ist 
dadurch bedingt, daß der Prämienreservefonds 
nach zutreffenden Grundsätzen angesammelt und 
verwaltet wird. Daher schreibt das Gesetz Regeln 
über Ansammlung, Anlegung, Eintragung dieses 
Fonds vor. Am Schluß eines jeden Geschäfts- 
jahrs ist der Aufsichtsbehörde eine Abschrift der 
im Lauf des Geschäftsjahrs bewirkten Eintragungen 
vorzulegen. Beim Konkurs der Gesellschaft können 
die Versicherten unbeschadet ihrer weitergehenden 
Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis den- 
jenigen Betrag fordern, der als rechnungsmäßige 
Prämienreserve zur Zeit der Konkurseröffnung 
auf sie entfällt. Mit dieser Bestimmung nähert 
sich der Gesetzgeber der Auffassung des Versiche- 
rungsvertrags als eines Doppelvertrags, in wel- 
chem die Prämienreserve die Spareinlage dar- 
stellt. Die Forderungen auf die rechnungsmäßige 
Prämienreserve gehen insoweit, als die Zuführung 
zu diesem Fonds vorgeschrieben ist, den Forde- 
rungen aller übrigen Konkursgläubiger vor; unter- 
einander haben sie gleichen Rang. Zur Wahrung 
dieser Rechte hat das Konkursgericht den Ver- 
sicherten einen Pfleger zu stellen. — Der fünfte 
Abschnitt (Beaufsichtigung der Versicherungsunter- 
nehmungen) behandelt die Aufgaben und Befug- 
nisse der Aufsichtsbehörden sowie Verfassung und 
Verfahren derselben. Der Aussichtsbehörde sind 
weitgehende Rechte zugestanden: sie hat das Recht, 
den ganzen Geschäftsbetrieb zu überwachen, den- 
selben mit den gesetzlichen Vorschriften und dem 
Geschäftsplan in Einklang zu bringen, Mißstände 
zu beseitigen, jederzeit die Geschäftsführung und 
Vermögenslage eines Unternehmens zu prüfen, in 
die Versammlungen und Sitzungen der Mitglieder 
oder des Aufsichtsrats Vertreter zu entsenden und 
selber Versammlungen zu berufen, den Geschäfts- 
betrieb unter gewissen Umständen zu untersagen, 
den Konkurs zu beantragen usw. Durch diese tief 
einschneidende Aufsicht werden ohne Zweifel die 
Versicherten mancher Gesellschaft vor schweren 
Schädigungen bewahrt. Seitdem das Gesetz in 
Kraft getreten ist, mußten denn auch schon mehrere 
Versicherungsanstalten ihren Geschäftsbetrieb än- 
dern. Als aussichtsführende Reichsbehörde ist ein 
kaiserliches Aufsichtsamt mit dem Sitz in Berlin 
errichtet worden. Zur Mitwirkung bei der Auf- 
sicht wird bei dem Amt ein aus Sachverftändigen 
des Versicherungswesens bestehender Beirat ge- 
bildet, welcher in unentgeltlichem Ehrenamt in 
vorwiegend gutachtlicher Weise zu wirken hat. 
Rekurs eingelegt werden. Als Gebühren für die 
Aussichtstätigkeit des Amts werden von den ihm 
unterstellten Unternehmungen Jahresbeiträge zur 
Deckung der Koften erhoben. Das Amt ver-
	        
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