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öffentlicht jährlich Mitteilungen über den Stand
der seiner Aussicht unterliegenden Versicherungs-
unternehmungen sowie über seine Wahrnehmungen
auf dem Gebiet des Versicherungswesens. — Der
sechste Abschnitt ist den ausländischen Versicherungs-
unternehmungen gewidmet. Dieselben müssen inner-
halb des Reichsgebiets eine Niederlassung unter-
halten und sind im allgemeinen den inländischen
gleichgestellt. Jedoch kann auf Antrag des Reichs-
kanzlers der Bundesrat gegen zugelassene aus-
ländische Unternehmungen die Untersagung des
Geschäftsbetriebs nach freiem Ermessen beschließen.
— Des siebte Abschnitt gibt Ubergangsvorschriften,
während der achte Strafvorschriften enthält. Vom
letzten Abschnitt (Schlußvorschriften) muß nament-
lich die Bestimmung hervorgehoben werden, daß
Unternehmungen, welche die Versicherung gegen
Kursverluste oder die Transportversicherung oder
ausschließlich die Rückversicherung zum Gegenstand
haben, mit Ausnahme der Versicherung auf Gegen-
seitigkeit, der Zulassung nicht bedürfen und auch
keiner behördlichen Beaufsichtigung unterliegen.
Die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften er-
richteten öffentlichen Versicherungsanstalten unter-
liegen den Vorschriften des Gesetzes nicht. Auf-
gehoben werden endlich die landesrechtlichen
Vorschriften, welche den Abschluß von Feuerver-
sicherungsgeschäften von einer vorgängigen polizei-
lichen Genehmigung abhängig machen. Wichtig
ist hier auch noch die Bestimmung, daß jedes
private Versicherungsunternehmen in demjenigen
Bundesstaat, auf dessen Gebiet es seinen Betrieb
erstreckt, ohne daß sein Sitz in diesem Gebiet ge-
legen ist, auf Verlangen der Zentralbehörde dieses
Staats einen Hauptbevollmächtigten zu bestellen
hat, der ermächtigt sein muß, Versicherungsver-
näge mit verbindlicher Kraft abzuschließen.
Da nunmehr in Deutschland auch der private
Versicherungsvertrag gesetzlich geregelt ist, so ist
das Gebiet der Privatversicherung in einer Weise
geregelt, wie dies in keinem andern Land der Fall
ist. Wie auf dem Gebiet der sozialpolitischen
Versicherung, so steht Deutschland auch an der
Spitze in Bezug auf die Reglung der Privatver-
sicherung, die in einer den modernen Bedürfnissen
Rechnung tragenden Weise allseitig erfolgt ist.
UÜber das Bestreben des Staats, die Versicherungs-
gesellschaften zu zwingen, einen Teil ihres Ver-
mögens an Staatspapieren anzulegen, vgl. Abschn.
VII
Bezüglich der Grenzen zwischen staat-
licher und privater Versicherung sind
die Meinungen sehr verschieden. „Man muß zu-
geben, daß auf gewissen Kulturstufen das Ver-
sicherungsbedürfnis nicht befriedigt werden würde,
wenn nicht die öffentliche Gewalt mit eignen Unter-
nehmungen und unter eigner Regie dafür einträte,
und daß, wenn irgendwo Versicherungszwang aus
wohlfahrtspolizeilichen Gründen für geboten er-
achtet wird, die öffentliche Gewalt die Rolle des Ver-
Versicherungswesen.
sicherers zu übernehmen hat, so überzeugend lehrt
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eine vielfältige Erfahrung, daß im Vergleich mit
der privaten Versicherungsunternehmung die öffent-
liche sich administrativ und technisch, namentlich
aber hingesehen auf die Preise der Leistung und
die Beweglichkeit der Geschäftsführung, rückständig
zu erweisen pflegt“ (Emminghaus, Bericht für den
VI. internationalen Kongreß für Versicherungs-
wissenschaft (1909|). Die private Versicherung ist
viel beweglicher, freier, an keine Marschroute ge-
bunden wie die öffentliche. Deshalb gewinnt die
private Versicherung fast überall in der Konkurrenz
mit der öffentlichen den Vorsprung. Meist wird
dann die private Versicherung die Lehrmeisterin
der öffentlichen, was bei den preußischen Feuer-
versicherungssozietäten hinsichtlich der Versiche-
rungsbedingungen, ihrer Betriebsmethode, der
Risikenklassifikation und der Brandschadenregulie-
rung deutlich zu ersehen ist. Hierbei ist nicht so
fast der Konkurrenzkampf zwischen privater und
öffentlicher Versicherung als vielmehr zwischen
den privaten Unternehmungen unter sich der be-
wegende Keil gewesen, der Neuerungen und Ver-
besserungen erzeugte.
Auf der andern Seite darf jedoch nicht unbe-
rücksichtigt bleiben, daß die öffentliche Versicherung
sowohl da, wo sie allein das Feld behauptet, als
auch, wo sie in Konkurrenz mit der privaten Ver-
sicherung sich befindet, durch Weckung des Ver-
sicherungssinns in den breiten Schichten des Volks
der privaten Versicherung nicht unbedeutende
Dienste geleistet hat und noch leistet. So ist z. B.
durch die Einführung der obligatorischen Sozial-
versicherung die Volksversicherung wesentlich ge-
fördert worden, welche 1907 bereits 10,10 % des
gesamten deutschen Kapitalversicherungsbestands
ausmachte.
Von 25 privaten Versicherungsunternehmungen
betrieben, wies sie im letzteren Jahr einen Bestand
von 6,20 Mill. Policen mit etwa 1132 Mill. Al
Versicherungssumme auf. Die deutsche private Un-
fallversicherung, welche durch die öffentliche Unfall-
versicherung ihren Untergang befürchtete, hat trotz
der Tätigkeit der letzteren oder wohl infolge der-
selben einen ungeahnten Aufschwung erlebt. 1882
wurde, wie Emminghaus weiter angibt, die private
Unfallversicherung von 14 Gesellschaften mit einer
Prämieneinnahme von 13,4 Mill. M bei 6,4
Mill. Schäden, 1902 aber schon von 29 Gesell-
schaften mit 41 Mill. J7 Prämieneinnahme, bei
16,8 Mill. Jl Schäden betrieben. 1904 betrugen
die Prämieneinnahmen der privaten deutschen Un-
fallversicherungsgesellschaften bereits 61 Mill. M
bei 25,5 Mill. M. Schäden.
Die Frage, welche Versicherungszweige der
staatlichen Ubernahme vorbehalten bleiben sollen,
wird von Emminghaus dahin beantwortet, daß
die Staats= und K lbeamt sicherung
wegen der leichteren bequemeren Verwaltung dem
Staat verbleiben soll; die Privatbeamtenversiche-
rung sei zwar in Osterreich staatlich und man sei
in Deutschland daran, sie als staatliche einzu-
führen; allein der großen Mehrzahl der Privat-