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Erträgnisse, die erzielt werden, wenn man wäh-
rend der ersten 23 Jahre 32% und vom 24. Jahr
an 24% des gesamten Vermögenszuwachses in
den vorgeschriebenen Wertpapieren anlegt, statt in
Hypotheken. Die finanzielle Wirkung wird sich
also infolge des geringeren Zinserträgnisses der
Staatspapiere auf Zinseinbußen und infolge der
Verminderung der hypothekarischen Anlagen auf
Einbußen an Hypothekenprovisionen erstrecken. Die
Summen der jährlichen Gesamteinbußen steigen
sehr stark. Sie betragen z. B.
" 0 I - of.
ohne Qurs, bei 500 bei 100
nach höh r *
erhohungF erhöhung erhöhung
10 Jahren rund 41 Mill. M50 Mill. 3 509 Mill. M
20 „ 191. 22„= 8
60 55 065 . 14 „
Also selbst in dem hier günstigsten Fall, näm-
lich wenn die geplanten Maßnahmen überhaupt
keinen Erfolg haben, kostet das Gesetz die Ver-
sicherten in 30 Jahren mehr als eine halbe Mil-
liarde II; diese Einbußen können sich aber um
Hunderte von Millionen steigern, wenn die Kure-
stände der Papiere um einige Prozente gehoben
werden.
Es bedarf wohl keines Beweises, daß die Ein-
bußen von niemand anders als von den Ver-
sicherten zu tragen wären; denn die Versicherten
bilden die Gesellschaften, beim Gegenseitigkeits-
prinzip de iure, beim Aktienprinzip de kacto.
Die Einbußen bedeuten nichts anderes als eine
Reduktion der Uberschüsse und daher einen Ausfall
der Dividenden für die Versicherten, mit andern
Worten eine Erhöhung der Prämienzahlungen.
Dabei sind die Kreise, die von dieser Belastung
getroffen würden, nicht etwa die kapitalkräftigsten,
sondern es ist der Mittelstand. Das zeigen deut-
lich die durchschnittlichen Versicherungssummen,
die Ende 1909 in der großen Todesfallversiche-
rung bei 2220 000 Policen nur 4669 und in
der kleinen Todesfallversicherung bei 7200 000
Policen nur 196 M betrugen. Dazu kommt, daß
diese Sonderbelastung auch dann mit unabwend-
barer Notwendigkeit einträte, wenn nicht einmal
irgend jemand einen Nutzen davon hätte, außer
der Staat natürlich, der seine Papiere an die
kommandierten Abnehmer losbrächte. Das Aus-
bleiben einer Kurssteigerung ist durchaus nicht un-
wahrscheinlich, jedenfalls möglich. Aber selbst wenn
die Kurse steigen sollten und daher die Allgemein-
heit etwas profitieren würde, so bliebe neben der
Erhöhung der Einbußen immer noch die antisoziale
Sonderbelastung der Kreise der Versicherten.
„VIII. Das Versicherungswesen und die
Offentlichkeit. Nicht allgemein erfreut sich das Pri-
vatversicherungswesen in der Offentlichkeit hoher
Wertschätzung. Die Vorurteile und vorgefaßten
Meinungen sind besonders zahlreich, soweit das
Versicherungswesen.
Gebiet und die Tätigkeit der Versicherungsagenten
in Frage kommt. Der Versicherungsagent
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ist das für jede Gesellschaft wichtigste Organ des
Außendienstes; seine Aufgabe besteht vor allem da-
rin, neue Versicherungsnehmer zwecks Abschlusses,
Erneuerung oder Erweiterung der Versicherungs-
verträge der Gesellschaft zuzuführen, die Prämie
während der Dauer des Versicherungsvertrags
einzukassieren, Verkehr zwischen Anstalt und
Publikum zu vermitteln, die versicherten Risiken
fortlaufend zu kontrollieren; beim Eintritt eines
Versicherungsfalls muß er die Interessen seiner
Gesellschaft wahren usw. Die einzelnen Gesell-
schaften haben in ihren Organisationen eine Art
Hierarchie durchgeführt: über ihren Lokal-, Spe-
zial= oder Unteragenten stehen meistens die Bezirks-
agenten, welche wiederum meist über sich die sog.
Generalagenten oder Subdirektoren usw. für grö-
Pßere Bezirke, für einen Bundesstaat oder für eine
Provinz, haben. Neben dieser Dezentralisation
haben jedoch viele Gesellschaften eine straffe Zen-
tralisation durchgeführt, indem jeder Bezirksagent
direkt der Gesellschaftsdirektion untersteht und mit
dieser verkehren muß. Nach den einzelnen Ver-
sicherungsbranchen ist die Agentenorganisation
wiederum verschieden; so hat z. B. in der Feuer-
versicherung der Generalagent nicht selten große
Befugnisse, namentlich bei Reglung der Brand-
schäden. Die Generalagenten werden meistens von
den Versicherungsgesellschaften direkt, die Agenten
jedoch durch die Generalagenten auf Grund eines
Vertrags angestellt. Bezüglich der Anstellungs-
verträge der Generalagenten und namentlich der
Agenten herrscht große Mannigfaltigkeit. In der
Regel erhalten alle Agenten Provisionen, und zwar
Abschlußprovisionen und Inkassoprovisionen. Die
großen Gesellschaften geben den Generalagenten
als Grundlage ein festes, nicht selten pensions-
berechtigtes Einkommen, zu welchem die Provisio-
nen als Ergänzung kommen.
Bezüglich der sozialen Verhältnisse der Agenten
ist nicht selten zu beklagen, daß die Agenten ein
sehr geringes Einkommen bei oft sehr anstrengen-
der Tätigkeit beziehen. Manchen Gesellschaften
kann ferner der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß
sie bei Einstellung ihren Agenten die nötige Aus-
wahl, welche im Interesse des Agentenstandes sehr
zu begrüßen wäre, vermissen lassen. Mehrfach
vorbestrafte Leute sind als Agenten keine Selten-
heit. Durch derartige zweifelhafte Persönlichkeiten
leidet der Stand der Agenten im Ansehen des
Publikums. Die einzelnen Außen= und Innen-
beamtenorganisationen, die Versicherungsbeamten-
verbände wirken mit Recht auf die Abschaffung
derartiger mißlicher Verhältnisse hin. Die Zahl
der in Deutschland tätigen Versicherungsagenten
wird auf rund 60 000 Personen geschätzt; ver-
schiedene Gesellschaften ziehen auch die Frauen
bereits in weitgehendem Maß zur Tätigkeit als
Agentinnen heran.
Die rechtliche Stellung des Agenten ist geregelt
in §8 831, 278 des B.G.B., 8§ 85, 84 H.G.B.,
§ 16 V.A.G. von 1901 und in den die „Ver-
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