Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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zu treffen. Für die Vollstreckung der Urteile ist 
das Gesetz vom 18. Aug. 1878 maßgebend. 
Dem Großherzogtum Baden gebührt das 
Verdienst, die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuerst in 
Deutschland zur Einführung gebracht zu haben, 
nämlich durch das am 1. Okt. 1864 in Kraft ge- 
tretene Gesetz vom 5. Okt. 1863. Die damals ge- 
schaffenen Verhältnisse sind inzwischen wesentlich 
vervollkommnet durch die Gesetze vom 24. Febr. 
1880 und 14. Juni 1884, wonach die Verwal- 
tungsrechtspflege jetzt folgendermaßen geregelt ist. 
Nur die im Gesetz von 1884 aufgeführten Gegen- 
stände — sämtlich öffentlich-rechtlicher Natur — 
unterliegen der Entscheidung durch Verwaltungs- 
gerichte; als solche fungieren die Bezirksräte und 
der Verwaltungsgerichtshof. Abgesehen von ein- 
zelnen im Gesetz genau bezeichneten Angelegen- 
heiten, über welche der Verwaltungsgerichtshof in 
erster und letzter Instanz entscheidet — es gehören 
dahin hauptsächlich Streitigkeiten zwischen dem 
Staat einerseits und Kommunalverbänden oder 
Privaten anderseits —, ist sonst überall der Be- 
zirksrat in erster Instanz zuständig, und zwar: 
1. bei streitigen Ansprüchen in Bezug auf ein 
Grundstück derjenige Bezirksrat, in dessen Bezirk 
die streitige Sache liegt; 2. bei Streitigkeiten von 
öffentlich-rechtlichen Verbänden mit ihren Ange- 
hörigen oder der letzteren untereinander der Be- 
zirksrat, in dessen Bezirk der Verband seinen Sitz 
hat; 3. in den übrigen Fällen das Gericht, in 
dessen Bezirk der Beklagte wohnt bzw. seinen Sitz 
hat. 4. Läßt sich nach diesen drei Grundsätzen das 
zuständige Gericht noch nicht finden, so bestimmt 
der Verwaltungsgerichtshof das Prozeßgericht 
erster Instanz. Das Verwaltungsstreitverfahren 
vollzieht sich in ähnlicher Weise wie ein Zivil- 
prozeß vor den bürgerlichen Gerichten. Es setzt 
also eine Klage voraus, über welche nach Ein- 
sorderung einer Erwiderung seitens des Beklagten 
in öffentlicher Sitzung mündlich verhandelt wird. 
In dieser wird, falls die Parteien nicht erscheinen, 
nach Lage der Akten entschieden; Anwaltszwang 
besteht nur vor dem Verwaltungsgerichtshof. Be- 
weis durch Eideszuschiebung ist unzulässig. Das 
Urteil wird den Parteien von Amts wegen zu- 
gestellt. Gegen dasselbe, sofern es vom Bezirksrat 
erging, steht innerhalb einer Frist von einem Mo- 
nat der Weg der Berufung offen, wobei neue 
Tatsachen und Beweismittel angeführt werden 
dürfen. Fühlt sich eine Partei vor Erlaß des End- 
urteils oder in dessen Ausführung durch eine Ver- 
fügung des Prozeßgerichts bzw. der Vollstreckungs- 
behörde beschwert, so steht es ihr frei, in der Regel 
in einer Frist von zwei Wochen die Beschwerde 
einzulegen. Urteile des Verwaltungsgerichtshofs 
können mit der Behauptung der Unzuständigkeit 
des Gerichts oder der Gewaltsüberschreitung le- 
diglich vom Vertreter des Staats mit der Nichtig- 
keitsbeschwerde angegriffen werden; zuständig über 
dieses Rechtsmittel ist der Kompetenzgerichtshof. 
Übereinstimmend mit Preußen kennt Baden gegen 
  
Verwaltungsrecht usfw. 
  
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rechtskräftige Urteile die Klage auf Wiederauf- 
nahme des Verfahrens nur unter den für dieses 
außerordentliche Rechtsmittel in der Reichszivil- 
prozeßordnung aufgestellten Bedingungen. 
Die Einverleibung von Elsaß-Lothringen 
in das Deutsche Reich hat auf dem Gebiet der 
Verwaltungsgerichte so große Anderungen zur 
Folge gehabt, daß von den früheren Rechts- 
zuständen unter der französischen Herrschaft nur 
noch geringe Spuren zu erkennen sind. Es be- 
ruhen diese Anderungen hauptsächlich auf dem 
Gesetz vom 30. Dez. 1871, wonach die Verwal- 
tungsgerichtsbarkeit an Stelle der ehemaligen zahl- 
reichen Verwaltungsgerichte nur noch ausgeübt 
wird von dem Bezirksrat, der aus dem Bezirks- 
präsidenten als Vorsitzendem und den Räten des 
Bezirkspräsidiums als Beisitzern gebildet wird, 
sowie dem aus zehn Mitgliedern des Ministeriums 
bestehenden Kaiserlichen Rat. Letzterer fungiert als 
Berufungsgericht für alle vom Bezirksrat in erster 
Instanz entschiedenen Streitigkeiten, soweit nicht 
in einzelnen durch die Gesetze besonders bezeich- 
neten Fällen die Berufung ausgeschlossen oder der 
Kaiserliche Rat nicht unmittelbar zuständig ist. 
Die Frage, bei welchen Streitigkeiten überhaupt 
die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte be- 
gründet ist, läßt sich auch bei Elsaß-Lothringen 
nur an der Hand der einzelnen Gesetze beantworten; 
hauptsächlich kommen Steuer-, Wahl-, Gewerbe- 
polizei-, Gemeinde= und Forstangelegenheiten in 
Betracht, neuerdings auch Armenstreitsachen. Das 
Verfahren vollzieht sich im allgemeinen nach den 
Grundsätzen der Reichszivilprozeßordnung und 
setzt Erhebung einer schriftlichen Klage voraus. 
Dieselbe wird von Amts wegen dem Gegner zur 
Beantwortung zugestellt. In dem alsdann anzu- 
beraumenden Verhandlungstermin müssen die 
Parteien entweder persönlich erscheinen oder sich 
vertreten lassen, da sonst beim Ausbleiben einer 
Partei die von deren Gegner vorgebrachten Be- 
hauptungen als erwiesen angenommen werden 
können. Das Rechtsmittel des Rekurses an den 
Kaiserlichen Rat muß innerhalb 30 Tagen vom 
Tag der Zustellung des Urteils erster Instanz 
beim Bezirksrat eingelegt werden. Das Verfahren 
vor dem Kaiserlichen Rat bietet keine Besonder- 
eiten. 
In Österreich wurde durch das Gesetz vom 
22. Okt. 1875 eine Verwaltungsgerichtsbarkeit 
eingerichtet. Sie wird ausgeübt teils durch den 
Verwaltungsgerichtshof teils durch das Reichs- 
gericht. Der erstere kann nur nach Erschöpfung 
des administrativen Instanzenzugs angerufen 
werden. Er darf gesetzwidrige Entscheidungen und 
Verfügungen der Verwaltungsbehörden nur kas- 
sieren, keineswegs aber reformieren. Da er den 
Zweck hat, den individuellen Rechtskreis der 
Staatsangehörigen gegenüber Eingriffen der Ver- 
waltungsorgane zu schützen, gehört zu seiner Kom- 
petenz unter anderem: der Schutz des Heimat- 
rechts; die Anerkennung und der Schutz in der 
 
	        
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