Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Staats. Durch die Verordnung vom 23. Dez. 
1802 wurde die allgemeine Schulpflicht vom 6. 
bis 13. Jahr festgesetzt. Doch muß vom 14. bis 
16. Jahr die Sonn= und Feiertagsschule besucht 
werden. 1803 nahm der Staat für sich die Schul- 
aufsicht in Anspruch; 1804 erschien ein Lehrplan. 
Die Verfassung vom Jahr 1818 gewährleistet 
zwar der Kirche die Leitung des Religionsunter- 
richts und die Uberwachung des religiösen Lebens 
in der Schule, stellt aber im übrigen das Recht 
des Staats auf die Schule fest. Gegenwärtig ist 
die Schule in Bayern eine Anstalt gemischten 
Charakters. Sie ist Gemeindeanstalt, steht aber 
unter der Aufsicht des Staats; die Lokalaufsicht 
ist mit dem Pfarramt organisch verbunden, der 
Pfarrer übt die Aussicht aber nicht kraft seines 
geistlichen Amts aus, sondern auf Grund eines 
staatlichen Auftrags. 1832 erfolgte die Errichtung 
der Bezirksschulinspektionen, die in der Regel von 
den Geistlichen verwaltet werden. Nur wenige 
Punkte des Volksschulwesens sind durch Gesetze 
geregelt. Der Entwurf vom Jahr 1867 kam in- 
folge der Uneinigkeit der Kammern nicht zustande. 
Seit dieser Zeit bemüht sich die Regierung, ein- 
zelne Bestimmungen jenes Entwurfs auf dem Weg 
der Verordnung durchzuführen. Am 29. Aug. 
1873 wurde den Gemeinden die Umwandlung 
konfessioneller Schulen in paritätische freigestellt, 
doch erklärte die Regierung am 1. Juli 1874, daß 
die Einführung solcher Schulen nicht allgemein in 
Aussicht genommen sei. Die von den Abgeord- 
neten angenommenen Anträge auf gänzliche Auf- 
hebung der Simultanschulen und des 7. Schul- 
jahrs wurden von den Reichsräten abgelehnt. Die 
Unterhaltung der Schulen ist Sache der Gemein- 
den (Schulbedarfsgesetz vom 28. Juli 1902), der 
Staat gewährt Zuschüsse. Die größeren Städte, 
denen auf dem Gebiet der innern Schulverwal- 
tung erweiterte Rechte eingeräumt sind, werden 
auch stärker zur Deckung des Schulbedarfs heran- 
gezogen. Für die Erteilung des Religionsunter- 
richts haben die Religionsgesellschaften zu sorgen. 
Der Staat hat aber seine Lehrer angewiesen, sich 
den kirchlichen Organen zur Verfügung zu stellen. 
Die Kirche kann also einem Lehrer den Religions= 
unterricht ganz oder teilweise übertragen. Nach 
der Entlassung aus der Volksschule muß die Sonn- 
und Feiertagsschule besucht werden; erst nach Ab- 
legung einer Prüfung im 16. Lebensjahr findet 
der Unterricht sein Ende. 
Das Königreich Sachsen erhielt schon 1528 
eine Schulordnung. Das Schulwesen erlangte in 
Deutschland hier zuerst eine relative Blüte. Durch 
Generale vom 24. Juli 1769 wird die Schul- 
pflicht eingeführt. Alle Kinder sollen vom 5. bis 
14. Jahr das ganze Jahr mit Ausnahme der 
Erntezeit die Schule besuchen. Durch ein Reskript 
vom 4. März 1805 wird eingeschärft, daß kein 
Kind konfirmiert werden soll, das nicht die Schule 
regelmäßig besucht und sich einige Kenntnisse er- 
worben hätte. 1831 erfolgte die Errichtung eines 
Staatslexikon. V. 3. u. 4. Aufl. 
Volksschulen. 
  
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Unterrichtsministeriums, 1835 der Erlaß eines 
Schulgesetzes. Am 9. April 1872 und 23. April 
1873 wurde dieses Gesetz den Zeitverhältnissen 
entsprechend geändert. Die konfessionelle Volks- 
schule ist aufrecht erhalten. Diejenigen Lehrer und 
Lehrerinnen, welche zur Erteilung des Religions- 
unterrichts berechtigt sind, haben das Gelöbnis 
konfessioneller Treue abzulegen. Auch das Se- 
minarwesen und die Lehrerprüfungen sind gesetzlich 
geordnet. Sachsen besitzt drei Arten von Volks- 
schulen, die sich durch die Höhe des Schulgelds 
und die Gestaltung des Lehrplans unterscheiden. 
Die Schullasten trägt die Gemeinde, der Staat 
leistet gesetzlich festgelegte Zuschüsse, die nach der 
Schülerzahl bestimmt werden und für die größeren 
Schulgemeinden relativ niedriger sind als für die 
kleineren. Unterricht im wendischen Lesen wird 
erteilt, wo regelmäßiger wendischer Gottesdienst 
abgehalten wird. Die Schulaufsicht erfolgt durch 
die Bezirksschulinspektoren, zu denen bewährte 
Fachmänner ernannt werden. Da das Gesetz von 
1873 verschiedene veraltete Bestimmungen enthält, 
soll (1911) ein neuer Entwurf dem Landtag vor- 
gelegt werden, der jedoch den konfessionellen Cha- 
rakter der Schule und die geistliche Ortsschul- 
aussicht gewahrt wissen will. Doch sind schon seit 
geraumer Zeit Bestrebungen im Gang, welche 
mindestens die geistliche Ortsschulaufsicht beseitigt 
wissen wollen. 
Das Schulwesen Württembergs erfuhr 
bald nach der Errichtung des Königreichs (1806) 
eine staatliche Reglung. Ein Schulgesetz vom 
29. Sept. 1836, das in den Jahren 1858, 1865, 
1872, 1891 und 1905 Abänderungen erfuhr, 
ließ eine ziemlich enge Verbindung zwischen Schule 
und Kirche bestehen. Nach verschiedenen mißglückten 
Versuchen einer Neureglung kam das neue Volks- 
schulgesetz vom 17. Aug. 1909 zustande, das sich 
als eine Novelle zu dem Gesetz von 1836 darstellt. 
Der Mehrheit der Zweiten Kammer gelang es 
nicht, ihre radikalen Forderungen durchzusetzen, 
wohl aber mußten ihr verschiedene Konzessionen 
gemacht werden. Die Konfessionsschule wurde 
aufrechterhalten; doch können Hilfsschulen auch 
als simultane eingerichtet werden. Die geistliche 
Schulaufsicht ist in erheblicher Weise durch die 
weltliche ersetzt: aus der Bezirksschulinspektion 
sind die Geistlichen ganz ausgeschieden; die Orts- 
schulaufsicht, die aber eigentlich auf die Schul- 
pflege beschränkt ist, wird von einem Kollegium, 
dem Ortsschulrat wahrgenommen, dessen erstes 
Mitglied der Geistliche ist. Die Oberschulbehör- 
den sind wie bisher konfessionell geschieden: neben 
dem evangelischen besteht ein katholischer Ober- 
schulrat; der Kultusminister kann beide Behörden 
zur Beratung gemeinsamer Angelegenheiten zu 
einer gemeinschaftlichen Sitzung einberufen. Den 
Oberkirchenbehörden steht die Aufsicht über die 
Erteilung des Religionsunterrichts zu, doch ohne 
Disziplinarbefugnisse. Ebenso haben sie die Kate- 
chismen und die Religionshandbücher zu bestim- 
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