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einem besondern Ministerium, in Preußen z. B.
dem Ministerium der geistlichen und Unterrichts-
angelegenheiten. In kleineren Ländern wird es
von einer Abteilung im Ministerium des Innern
oder der Justiz geleitet, in andern untersteht es
einem obersten Schulrat, dem dieselben Rechte
zukommen wie anderwärts dem Ministerium.
Für jede Provinz eines größeren Landes be-
stehen besondere Behörden: Provinzialschulkol-
legien in Preußen (seit 1826), Landesschulräte in
Osterreich (seit 1868). Häufig erstreckt sich der
Einfluß dieser Provinzialbehörden mehr auf das
höhere als auf das Volksschulwesen. Den preußi-
schen Provinzialschulkollegien z. B. unterstehen
außer den höheren Schulen nur die Seminarien
und Präparandenanstalten, das Provinzialschul-
kollegium der Provinz Brandenburg führt auch
die Aussicht über die Volksschulen der Stadt Ber-
lin. Die Leitung des Volksschulwesens in den
Verwaltungsbezirken liegt in Preußen und Bayern
in den Händen der Regierungen, in Osterreich
wird sie durch den Bezirksschulrat wahrgenommen,
in Frankreich durch den Departementsrat, in Eng-
land durch den Grasschaftsrat. Die auf der „Ge-
schäftsinstruktion für die (preußischen) Regierungen
vom 23. Okt. 1817“ beruhenden Befugnisse der
einzelnen preußischen Bezirksregierungen über das
Volksschulwesen haben durch das Volksschulunter-
haltungsgesetz vom 25. Juli 1906 einige Ande-
rungen erfahren. Danach stellt sich die Zuständig-
keit der Regierung heute folgendermaßen dar: die
Regierung hat eignes Besetzungsrecht über alle dem
landesherrlichen Patronat unterworfenen Schul-
lehrerstellen (1904 etwa 30 000 von 92500).
Für alle andern Stellen aber hat sich der Staat
das „Anstellungsrecht“ vorbehalten, wobei er den
Art. 24 der Verfassungsurkunde zur Grundlage
nimmt. Die „gesetzlich geordnete Beteiligung der
Schulverbände“ bei der Anstellung ist neuerdings
— aber nur einstweilen, da dieser Teil des Ge-
setzes nur provisorischen Charakter trägt — durch
das Volksschulunterhaltungsgesetz geregelt. Be-
deutsam ist dabei, daß sich diese „Beteiligung der
Schulverbände“ bei der Besetzung von Rektoren-
und Hauptlehrerstellen lediglich auf die vorher-
gehende „Anhörung“ der betreffenden Organe
seitens der Schulaussichtsbehörde beschränkt. —
Ferner hat die Regierung die „Aufsicht über die
Amts= und moralische Führung“ aller Lehrper-
sonen; die „Aufrechterhaltung der äußern Ord-
nung“; die „Direktion und Aufsicht über sämtliche
öffentliche und Privatschulen und Erziehungs-
anstalten“ (soweit sie nicht einer andern staatlichen
Behörde unterstehen). Näheres unten.
Die eigentlich ausführende Tätigkeit in der
Schulverwaltung liegt schließlich in Preußen in
Händen der Kreisbehörden: Landrat, Kreisschul-
inspektor, Kreisarzl. Das Verhältnis dieser Be-
hörden zueinander ist koordiniert und verlangt ein
harmonisches Zusammenarbeiten. An einer ein-
heitlichen und klar abgrenzenden Instruktion für
Volksschulen.
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dieses Zusammenarbeiten fehlt es zurzeit noch.
Sie soll geschaffen werden im Rahmen der in der
Vorbereitung begriffenen sog. „Dezentralisation
der innern Verwaltung“. Im allgemeinen regelt
sich die Tätigkeit der Kreisbehörden nach dem Ge-
sichtspunkt der „äußern“ und „innern“ Angelegen-
heiten. Die erstere, wozu namentlich das gesamte
Gebiet der Schulunterhaltung gehört, bearbeitet
der Landrat als ständiger Kommissar der Regie-
rung; die letztere, d. h. alles, was sich auf den
Unterricht und die Beaufsichtigung der Lehrper-
sonen bezieht, der Kreisschulinspektor. Eine Reihe
von Fragen erledigen sie in beiderseitigem Ein-
vernehmen, je nachdem unter geregelter Mit-
wirkung der Lokalbehörden (Ortsschulinspektor,
Schulvorstand, Schuldeputation; s. unten). Dem
Kreisarzt obliegt die regelmäßige Kontrolle über
die hygienischen Verhältnisse der Schulen. Der
Kreisschulinspektor ist ständiger Kommissar der
Regierung bei den Sitzungen der Lokalbehörden.
Er ist der Vorgesetzte der Ortsschulinspektoren,
Rektoren, Hauptlehrer und übrigen Lehrpersonen.
Die Kreisschulinspektoren sind teils nebenamtlich
teils hauptamtlich angestellte königliche Beamte.
Die ersteren sind an Zahl bei weitem überwiegend
(1911: 391 hauptamtliche bei ungefähr 885
nebenamtlichen). Die Stadtschulräte, als solche
Kommunalbeamte, sind gleichzeitig königliche
Kreisschulinspektoren im Nebenamt. Die haupt-
amtlichen Kreisschulinspektionen sind an Umfang
naturgemäß wesentlich größer als die nebenamt-
lichen, deren Inhaber im Hauptamt meist Geist-
liche sind. Bei dem Institut der nebenamtlichen
Kreisschulinspektionen zeigt sich in ganz auffallen-
der Weise jene konfessionelle Imparität zu Un-
gunsten des Katholizismus, unter der die Katho-
liken in Preußen überhaupt zu leiden haben. Nicht
nur, daß diese Stellen in ganz überwiegendem
Maß den evangelischen Geistlichen vorbehalten
sind, läßt sich die gewollte Bevorzugung der Pro-
testanten auch territorial genau feststellen. Der
größte Teil der „Nebenamtlichen“ sitzt in den pro-
lestantischen Landstrichen. Sogar innerhalb dei-
selben Provinz wächst ihre Zahl mit der zunehmen-
den Dichtigkeit der protestantischen Bevölkerung.
Übrigens findet, einem liberal-freisinnigen Ver-
langen entsprechend, eine systematische Vermehrung
der hauptamtlichen Stellen statt. Sie werden teils
mit Akademikern (Philologen, Theologen) teils
mit Seminarikern (Elementarlehrern), die die
Mittelschullehrer- und Rektorenprüfung abgelegt
haben, besetzt. Auch bei der Errichtung hauptamt-
licher Kreisschulinspektionen ist die Beargwöhnung
der Katholiken deutlich fühlbar, indem zunächst
katholische Gegenden hierbei bevorzugt werden
(1910 waren von 377 hauptamtlichen Kreisschul-
inspektionen 163 katholisch, so daß die Kreisschul-
inspektionen vielsagenderweise jene Kategorie
höherer Beamtenstellen in Preußen sind, an denen
die Katholiken über den Prozentsatz ihres Be-
völkerungsanteils hinaus partizipieren).