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deutet auf eine Anderung in der wirtschaftspoliti-
schen Orientierung breiter Massen der Bevölke-
rung. Demgegenüber hat sich die Wirtschafts-
wissenschaft eben noch zur rechten Zeit besonnen,
daß sie durch ihre kritiklose Folgeleistung gegen-
über einer wirtschaftspolitischen Idee sich an deren
Mißerfolgen mitschuldig gemacht hat. Nun wollen
maßgebende Vertreter derselben, wie schon ein-
gangs bemerkt, der Wissenschaft die Befähigung
ganz absprechen, politisch Richtung gebend zu
wirken. Dieser Selbstbescheidung der Wissenschaft
kann hier nicht beigepflichtet werden. Wenn die
Entwicklung der menschlichen Gesellschaft wie die
der außermenschlichen Natur Gesetzmäßigkeiten
unterliegt, so ist es möglich, durch Aufdeckung dieser
Gesetze oder Tendenzen Leitlinien für das mensch-
liche Handeln aufzustellen. So wie die Erkenntnis
der Naturgesetze den Menschen zur Beherrschung
der Natur, so muß die Erkenntnis der im Gesell-
schaftsleben wirksamen Kräfte und der Art ihrer
Wirksamkeit den Menschen zur Beeinflussung der
gesellschaftlichen Entwicklung befähigen. Nach
diesen Grundsätzen hier ein System der Volks-
wirtschaftspolitik zu entwerfen, ist natürlich nicht
möglich. Nur folgendes sei kurz bemerkt.
Das Grundproblem der sozialen Frage ist die
Frage nach der Bewertung der wirtschaftlichen
Einzelleistungen für die Gesellschaft. Diese Be-
wertung soll, um den gerechten Ausgleich aller
Interessen zu erzielen, sich nach einer objektiven
Norm vollziehen, während sie gegenwärtig als das
Ergebnis eines wirtschaftlichen Machtkampfes er-
scheint. Die mittelalterliche Wirtschaftspolitik be-
deutet den auf Grund der christlichen Ethik unter-
nommenen Versuch, eine solche Norm, ein iustum
pretium, für alle wirtschaftenden Persönlichkeiten
zu erzielen. Dieses Ziel wurde in der mittelalter-
lichen Wirtschaftsverfassung aus den hier schon
angedeuteten und aus andern Gründen nicht voll
erreicht. Das sozialistische Programm von Karl
Marx bedeutet einen weiteren Versuch, eine Ob-
jektivierung der Bewertungs= und damit der Ver-
teilungsvorgänge durch das quantitative Arbeits-
zeitmaß zu gewinnen; es vergißt jedoch anzugeben,
wie die Menschen anders als durch despotischen
Druck zur dauernden Anerkennung dieses Wert-
maßes, das in seiner rationalistischen unhistorischen
Konstruktion mit allen natürlichen Gegebenheiten
bricht, gezwungen werden sollen. Das Marxsche
System verkennt, wie auch schon viele neuere So-
zialisten zugeben, den ethischen Charakter des
Wertproblems und damit der volkswirtschaftspoli-
tischen Probleme überhaupt. Eine Untersuchung
über den Wertbegriff vom Standpunkt der Ethik
läßt als seine drei wesentlichsten Bestimmungs-
gründe Persönlichkeit, Zweckmäßigkeit und Be-
ständigkeit erscheinen. Hiervon ausgehend, ist für
die Volkswirtschaftspolitik zu verlangen: Vom
Staat Schutz und Bevorzugung aller Wirtschafts-
produkte, die den drei genannten wertbildenden
Bedingungen entsprechen, nationale Erziehung im
Volkszählung.
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Sinn dieser Forderungen; von der Gesellschaft und
vom einzelnen Bedürfnisregulierung und damit
Leitung der Produktion nach dieser Richtung. Es
ist richtig, daß hiermit durchaus nicht alle großen
Probleme der Volkswirtschaftspolitik gelöst sind;
aber es sind auch gar nicht alle diese Probleme
durch menschliches Handeln lösbar. Die geogra-
phischen, klimatischen, geologischen Produktions-
bedingungen, teilweise auch die Elementartatsachen
der Bevölkerungsbewegung, die alle für die mensch-
liche Wirtschaft von höchster Bedeutung sind, ent-
ziehen sich menschlicher Beeinflussung, sind daher
nicht Gegenstand der Politik. Volkswirtschafts-
politik, wie jede andere Politik, ist also in erster
Linie ein Erziehungsproblem. Die wichtigsten
Erziehungsfaktoren aber sind die religiöse Ethik
und die Realität der Dinge im Sinn der oben
gestellten drei Forderungen. Für erstere wirkt die
Kirche mit allen ihren Anstalten und Einrichtungen.
Für die Erkenntnis der letzteren regen sich im
Schoß der Gesellschaft, vor allem auch im Deut-
schen Reich, schon viele Kräfte, deren Bestreben
nach Ersetzung der quantitativen Maßstäbe für
Erzeugung und Verbrauch durch Qualitätsarbeit
und -genuß dem aufgestellten Ziel zuführt. Je
rascher sich diese beiden Faktoren finden, desto eher
ist die nach Maßgabe der menschlichen Unvoll-
kommenheit erreichbare Annäherung an das Ideal
den objektiven Werts im Wirtschaftsleben zu er-
offen.
) Literatur zu I: W. Sombart, Ideale der So-
zialpolitik, in Brauns Archiv für soziale Gesetz-
gebung u. Statistik X (1897); Fr. Walter, Sozial-
politik u. Moral (1899); Schriften des Vereins
für Sozialpolitik. Verhandlungen (1910).
Zu Il: O. Gierke, Das deutsche Genossenschafts-
recht (1868/81); Otto Schilling, Reichtum u. Eigen-
tum in der altkirchl. Literatur (1908); E. Tröltsch,
Die Soziallehren der christl. Kirchen, in Archiv
für Soziale Wissenschaft u. Sozialpolitik XXVI
bis XXIX (1908/09); G. Ratzinger, Die Volks-
wirtschaft in ihren sittlichen Grundlagen (21895);
E. v. Philippovich, Die Entwicklung der wirtschafts-
politischen Ideen im 19. Jahrh. (1910).
Zulll: K. H. Rau, Grundsätze der V. (5/1862);
Th Meyer, Die christlichen Sozialprinzipien u. die
Arbeiterfrage (11904); E. v. Philippovich, Grund-
riß der politischen Okonomie II, 1 (1899, 31905),
II, 2 (1907). W. Klopp, Die sozialen Lehren des
Frhrn v. Vogelsang (1894); H. Wäntig, Wirt-
schaft u. Kunst (1909). (Rizzi.)
Volkszählung. (Geschichte; Gegenstand
der Zählung und Zählungszeit; Organisation
und Durchführung.]
1. Geschichte. Volkszählungen sind ein-
malige oder periodische statistische Erhebungen
zwecks Feststellung des Bevölkerungsstands. Volks-
zählungen, wenn auch nicht im heutigen Sinn
und Umfang, finden sich schon im grauen Alter-
tum. Im Buche Samuel wird von König Davids
Zählung der kriegspflichtigen Männer berichtet;
an der Genauigkeit ihrer Ergebnisse mögen freilich
wohl einige Zweifel berechtigt sein. In Alex-