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heit erforderlich. Ferner sind 9 Abgeordnete für
die nördlichen und 8 für die südlichen Teile des
Landes, den beiden Landeswahlkreisen, sowie 6
Abgeordnete für die Stadt Stuttgart zu wählen,
und zwar im Weg der Listen= und Proportional=
wahlen. Die Wahl erfolgt auf 6 Jahre.
Lachsen hat zwei Kammern. Die Erste Kam-
mer besteht teils aus gebornen, teils aus ge-
wählten, teils aus vom König ernannten Mit-
gliedern. Unter ihnen befinden sich drei Vertreter
der evangelischen und ein Vertreter der katholi-
schen Kirche. — Das Wahlrecht zur Zweiten Kam-
mer hat im Lauf der Jahre große Wandlungen
durchgemacht. Das Wahlgesetz vom 3. Dez. 1868
normierte allgemeine, gleiche, direkte Wahlen, die
nur durch einen mäßigen Zensus eine Einschrän-
kung hatten. An seine Stelle trat das Gesetz vom
28. März 1896, das ein indirektes, nach Klassen
abgestuftes Wahlrecht nach dem Muster des preu-
ßischen Dreiklassenwahlsystems brachte, nur daß
der plutokratische Charakter gegenüber dem preu-
ßischen etwas gemildert war. Diese Wahlrechts-
verschlechterung, die die politische Entrechtung
eines großen Teils des Volks bedeutete, konnte
natürlich nicht ohne Rückschlag bleiben. Zwar
erreichte man die Beseitigung der Sozialdemo-
kratie aus dem Landtag, aber die Folgen zeigten
sich schon bald bei den nächsten Reichstagswahlen,
als die breiten Massen des Volks sich nun
erst recht der Sozialdemokratie zuwandten. Seit-
dem hat man von den verschiedensten Seiten, auch
seitens der Regierung, wiederholt die Frage der
Wahlrechtsreform aufs neue erörtert. Es kamen
die Wahlrechtsvorlagen von 1904, 1905 und
1907, die aber sämtlich scheiterten. 1908 gelang
es endlich durch ein Kompromiß zwischen Konser-
vativen und Liberalen, von dem die letzteren nach-
her allerdings wieder zurücktraten, da ihre Forde-
rungen bezüglich der Wahlkreiseinteilung nicht
erfüllt wurden, eine Reform zustande zu bringen,
die unterm 5. Mai 1909 Gesetzeskraft erhielt.
Danach ist wahlberechtigt jeder, der 25 Jahre alt
ist, seit mindestens 2 Jahren die sächsische Staats-
angehörigkeit besitzt und ein halbes Jahr seinen
Wohnsitz in dem Ort der Listenaufstellung hat.
Das Wahlrecht ist ein Mehrstimmrecht, indem
jeder Wahlberechtigte zunächst eine Stimme hat,
zu der aber dann je nach Alter, Bildung und
Besitz noch bis zu drei Zusatzstimmen kommen
können. Wahlfähig zum Abgeordneten ist jeder,
der 30 Jahre alt, seit mindestens 3 Jahren
sächsischer Staatsbürger ist und Steuern zahlt.
Die Abgeordneten werden auf 6 Jahre gewählt.
Die Zweite Kammer besteht aus 91 Abgeordneten,
von denen 48 vom Land und 48 von den Städten,
darunter je 7 für Dresden und Leipzig und 4 für
Chemnitz gewählt werden.
VWaden (Verfassungsurkunde vom 22. Aug.
1818, in der Folgezeit wiederholt modifiziert und
durch Wahlordnungen ergänzt, zuletzt Verfassungs-
änderung vom 24. Aug. 1904) besitzt zwei Kam-
Wahlrecht.
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mern. In der Ersten sitzen neben den großjährigen
Prinzen und Häuptern der standesherrlichen Fa-
milien der katholische Landesbischof sowie der
Prälat der evangelischen Landeskirche, ferner 8 Ab-
geordnete des grundbesitzenden Adels, je 1 Ab-
geordneter der 3 Hochschulen, 3 Vertreter der
Handelskammern, 2 der Landwirtschaftskammern
und 1 der Handwerkskammern, 2 Oberbürger-
meister, 1 Bürgermeister einer kleineren Stadt,
1 Vertreter der Kreisausschüsse und höchstens 8
vom Großherzog ernannte Mitglieder. Die er-
nannten wie die gewählten Mitglieder werden auf
4 Jahre ernannt resp. gewählt. — Die Zweite
Kammer geht aus allgemeinen, gleichen, direkten
und geheimen Wahlen hervor und zählt 24 Ab-
geordnete der Städte und 49 der ländlichen
Kreise, die auf 4 Jahre gewählt werden. Zur
Wahlberechtigung ist die Zurücklegung des 25.,
zur Wahlfähigkeit das 30. Lebensjahr erforderlich.
Hat ein Kandidat im ersten Wahlgang nicht die
absolute Majorität erhalten, so hat ein zweiter
Wahlgang stattzufinden, in dem alle Kandidaten,
die wenigstens 15 % der im ersten Wahlgang
abgegebenen Stimmen erhalten haben, nochmals
zur Wahl stehen. Entscheidend bei dieser engeren
Wahl ist dann die relative Mehrheit.
Hessen hatte seit dem Wahlgesetz von 1872 im
Prinzip allgemeines, gleiches und geheimes, aber
indirektes Wahlrecht. Seit 1896 stand Hessen im
Zeichen der Wahlrechtsreform. In einem Jahr-
zehnt hat sie nacheinander nicht weniger als vier
Landtage beschäftigt, bis ein neues Wahlgesetz
endlich am 23. Mai 1911 vom Landtag end-
gültig verabschiedet werden konnte (Gesetz vom
3. Juni 1911). Danach behält Hessen zwei Kam-
mern. Die Zweite Kammer, die seither 50 Ab-
geordnete zählte, hat nunmehr deren 58. Davon
kommen 15 auf die Städte Mainz (3), Darm-
stadt (3), Worms (2), Gießen (2), Offenbach (2),
Friedberg (1), Alsfeld (1), Bingen (1). Die
ländlichen Wahlkreise erhielten in den drei Pro-
vinzen einen Zuwachs von je einem Mandat. In
den Städten wird jetzt nach Bezirken gewählt,
während früher die ganze Stadt nur einen Wahl-
bezirk bildete. Die Wahl ist geheim. An Stelle
des seitherigen indirekten Wahlrechts ist das direkte
getreten. Wahlberechtigt ist jeder Hesse, der das
25. Lebensjahr vollendet hat, seit 3 Jahren in
Hessen wohnt und seit mindestens einem Jahr
hessische Staatsangehörigkeit besitzt. Auch die sog.
Haussöhne, d. h. die im Haushalt ihrer Eltern
mitarbeitenden und daher noch nicht selbständigen
25jährigen Söhne, sind wahlberechtigt, auch wenn
sie selbst noch keine Steuern zahlen. Jeder Wahl-
berechtigte, der das 50. Lebensjahr zurückgelegt
hat, besitzt 2 Stimmen. Den ersten Neuwahlen
unter dem neuen Wahlgesetz, die für den Herbst
1911 vorgesehen sind, geht keine vollständige Auf-
lösung der seitherigen Zweiten Kammer voraus,
sondern es bleiben die 1908 neugewählten 25 Ab-
geordneten (also die Hälfte der seitherigen Mit-