Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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selbst, das Wechselpapier und die auf demselben 
befindlichen Vermerke sind für die Rechte und Ver- 
bindlichkeiten aus dem Wechsel maßgebend, ohne 
Rücksicht auf Verhältnisse, die außerhalb des 
Wechsels liegen. 
3. Wechselfähigkeit. Es leuchtet ein, daß 
einerseits die Leichtigkeit, durch den Wechsel sich 
ein Zahlungsmittel zu verschaffen, ohne die Her- 
gabe des baren Geldes zu empfinden, anderseits 
die in dem Wechsel ruhende Strenge der Ver- 
pflichtung große Gefahren für diejenigen Klassen 
der Bevölkerung, die mit dem Geschäfts= und 
Handelsverkehr weniger vertraut sind, mit sich 
führen. Sehr leicht kann auch die Unkenntnis und 
Unerfahrenheit dahin führen, zu wucherischen und 
betrüglichen Wechselgeschäften mißbraucht zu wer- 
den. Daher war die Fähigkeit, wechselmäßige 
Verbindlichkeiten einzugehen (passive Wechsel- 
fähigkeit, im Gegensatz zu der aktiven Wechsel- 
sähigkeit, d.h. der Fähigkeit, Rechte aus einem 
Wechsel zu erwerben, die jedem zusteht), in den 
alten Wechselforderungen vielfach nur auf Kauf- 
leute und die Angehörigen der gebildeten Stände 
beschränkt. Das jetzt geltende Recht hat diese Ein- 
schränkungen beseitigt und den Grundsatz der all- 
gemeinen Wechselfähigkeit aufgenommen. Danach 
ist jeder wechselfähig, der sich durch Vertrag ver- 
pflichten kann. Auch juristische Personen, Kor- 
porationen, Handelsgesellschaften sind wechsel- 
fähig, indem sie durch ihre Vertreter ihre Unter- 
schrift geben. Nicht wechselfähig dagegen sind 
Minderjährige, da sie sich durch Verträge nicht 
verpflichten können. Soweit sie durch Vormund 
und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung sich 
verpflichten können, sind sie unter vormundschaft- 
licher Mitwirkung auch wechselfähig, und zwar ist 
nicht erforderlich, daß diese Mitwirkung aus dem 
Wechsel hervorgeht. Wenn der Minderjährige 
selbständig ein Handelsgeschäft betreibt, so ist er, 
ebenso wie er in betreff der Handelsgeschäfte ver- 
tragsfähig ist, für die letzteren auch wechselfähig. 
Ehefrauen sind an sich nicht vertragsunfähig, des- 
halb auch nicht unfähig, Wechselverbindlichkeiten 
einzugehen. Soweit sie aber durch die ehelichen 
Güterverhältnisse in der Verfügung über ihr Ver- 
mögen beschränkt, also an die Zustimmung ihres 
Mannes gebunden sind, gilt dies auch bezüglich 
der Wechselverbindlichkeiten. Wenn die Ehefrau 
Handelsfrau ist, bedarf sie zur Eingehung von 
Wechselverbindlichkeiten, die sich auf ihr Handels- 
geschäft beziehen und von ihr in ihrer Eigenschaft 
als Handelsfrau eingegangen sind, der Zustimmung 
des Ehemannes nicht. Großjährige Hauskinder 
sind an sich wechselfähig; jedoch kann ihr Ver- 
mögen auch aus Wechselverbindlichkeiten nur in- 
soweit in Anspruch genommen werden, als dadurch 
die Rechte des Hausvaters nicht berührt werden. 
Andernfalls ist die Zustimmung des Hausvaters 
zur Wechselerklärung erforderlich. Eine solche Zu- 
stimmung, die nicht gerade ausdrücklich erklärt zu 
werden braucht, ist z. B. darin zu finden, daß der 
Wechsel usw. 
  
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Vater auf das Hauskind trassiert oder indossiert. 
Im übrigen regelt sich die Frage, ob jemand 
wechselfähig ist oder nicht, nach dem Recht des- 
jenigen Staats, dem er als Staatsbürger an- 
gehört, evtl. weiter nach dem Recht des Domizils. 
4. Volkswirtschaftliche Bedeutung. 
Wie bereits erwähnt, hat der Wechsel im Handels- 
verkehr eine so große Bedeutung erlangt wie kein 
anderes Handelspapier. Er dient als internatio- 
nales Geldpapier zur Ersparung von Geldumtausch 
und Geldtransport zwischen den einzelnen Staaten 
und Ländern, zur Erleichterung der Kredite, indem 
er dem Gläubiger ermöglicht, dem Schuldner 
Kredit zu geben, trotzdem aber sofort seine Forde- 
rung (durch Indossament) zu realisieren. Er bildet 
ferner aber auch wie eine Ware den Gegenstand 
von Kauf und Verkauf. Vermittelt wird der 
Wechselverkehr zwischen den verschiedenen Ländern 
durch die Bank und die Börse. Im allgemeinen 
vollzieht derselbe sich nicht in der Art, daß ein 
Kaufmann, der im Ausland Zahlungen zu leisten 
hat, Wechsel auf das Ausland ausstellt oder 
Wechsel, die im Ausland zahlbar sind, an der 
Börse verkauft, sondern in der Weise, daß er sich 
von einem inländischen Bankhaus einen von diesem 
selbst ausgestellten Wechsel auf das Ausland geben 
läßt (Bankwechsel), den das inländische Bankhaus 
dann seinerseits durch Handelswechsel deckt, die es 
von Kunden übernimmt oder an der Börse kauft. 
So kommt es, daß der Wechsel wie jedes andere 
Wertpapier einen Markt= oder Börsenpreis hat, 
der durch die Kursnotierungen oder Kurszettel der 
Börse festgestellt wird. Man versteht hiernach 
unter Wechselkurs den Marktpreis, den ein auf 
einen andern Zahlungsort ausgestellter Wechsel 
am Kaufort hat. Dieser Kurs ist veränderlich, 
und auf das Steigen und Sinken desselben wirken 
verschiedene Umstände ein. Zunächst kommt, wie 
bei jeder Ware, auch hier Angebot und Nachfrage 
in Betracht. Der Kurs steigt bei größerer Nach- 
frage und sinkt bei größerem Angebot. Sind von 
einem Ort oder einem Land nach einem andern 
Ort oder Land mehr Wechsel gesucht als an- 
geboten — und das ist stets der Fall, sobald nach 
dem letzteren Ort mehr Zahlungen geleistet werden 
müssen als von diesem nach dem letzteren —, dann 
steigt der Kurs, umgekehrt sinkt er. Das hat zur 
Folge, daß in Ländern, die mehr importieren als 
exportieren, der Kurs höher ist als in Ländern, 
die mehr exportieren, da nach den Exportländern 
mehr Zahlungen geleistet werden müssen, mithin 
in denjenigen Ländern, nach welchen exportiert ist, 
die Nachfrage nach Wechseln, die in dem Export- 
land zahlbar sind, größer ist. Auf die Höhe des 
Wechselkurses ist ferner auch der Münzkurs der 
ausländischen Münze von Einfluß, und mit dem 
Steigen und Sinken des Münzkurses ist regel- 
mäßig auch ein Steigen und Sinken des Wechsel- 
kurses verbunden. Wird die Valuta des Wechsels 
nach dem Verhältnis des innern Werts zweier 
Münzwährungen festgesetzt, so wird dies „Pari
	        
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