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ungerecht besteuert wurde. Diese Mängel haften
der sog. indirekten Zuwachssteuer nicht an. Bei
der indirekten Wertzuwachssteuer tritt die Steuer-
pflicht erst ein, wenn das Grundstück den Besitzer
wechselt. Da wird tatsächlich der Wertzuwachs
flüssig gemacht. Aus dem Entgelt kann die Zu-
wachssteuer ohne besondere Unzuträglichkeiten er-
legt werden. Die Einordnung der Wertzuwachs-
steuer in die Kategorie der indirekten Steuern
beruht auf einer mehr formalen Unterscheidung
von direkten und indirekten Steuern. Es liegt ein
ähnliches Verhältnis vor wie bei der Erbschafts-
steuer. In beiden Fällen handelt es sich um einen
Zuwachs des Stammvermögens. Der Staat
schließt nicht aus irgend welchen Maßnahmen des
Steuerpflichtigen indirekt auf die Leistungsfähig-
keit, sondern erforscht die Leistungsfähigkeit des
einzelnen Pflichtigen direkt, wenn auch nur mit
Rücksicht auf den erfolgten Vermögenszuwachs.
Darum wird man vom Standpunkt der theoreti-
schen Finanzwissenschaft diese Steuer besser zu den
direkten zählen.
Die Wertzuwachssteuer ist eine durch und durch
moderne Steuer, erwachsen auf dem Boden der
modernen Wirtschaftsverfassung. Die Versuche,
welche mit ihr gemacht wurden, reichen erst kurze
Zeit zurück. Auf deutschen Gebieten wurde 1894
in Frankfurt a. M. der Versuch gemacht, eine
kommunale Wertzuwachssteuer einzuführen. Der
damalige Versuch scheiterte indessen. Einige Jahre
später (2. Sept. 1898) wurde im deutschen
Kiautschougebiet eine Verordnung bezüglich des
Landerwerbs erlassen, wonach die Käufer ver-
pflichtet sind, beim Veräußerungsfall 33½ % des
Reingewinns an das Gouvernement zu entrichten
(indirekte Wertzuwachssteuer). Außerdem blieb
der Regierung vorbehalten, von allem Grund und
Boden, welcher den Eigentümer innerhalb 25 Jahren
durch freiwilligen Verkauf nicht gewechselt hat,
eine Abgabe nach dem Wert zu erheben. Das
letztere ist zwar keine direkte Wertzuwachssteuer,
aber derselben sehr nahe verwandt. Im Jahr
1904 führte Frankfurt eine Wertzuwachssteuer
ein, 1905 folgten Köln und Gelsenkirchen, 1906
Dortmund und Essen. In den nächsten Jahren
führten einige hundert Orte die Wertzuwachs-
steuer ein, und verschiedene Einzelstaaten (Hessen,
Lippe usw.) befaßten sich mit dem Problem. Bei
der Reichsfinanzreform von 1909 wurde die Ein-
führung einer Wertzuwachssteuer gefordert, da
aber das Problem längere Zeit zur Vorbereitung
bedurfte, so wurde in das Stempelgesetz eine Be-
stimmung aufgenommen, wonach die verbündeten
Regierungen nach bestimmter Frist eine Vorlage
einzubringen hatten. Schon im April 1910 wurde
dieselbe vorgelegt. So kam das Reichszuwachs-
steuergesetz zustande, das Rechtskraft vom
1. Jaun. 1911 erhielt.
Die Reichszuwachssteuer wird erhoben
beim Übergang des Eigentums an bebauten und un-
bebauten Grundstücken von dem in einer bestimmten
Wertzuwachssteuer.
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Zeitentstandenen Wertzuwachs. Sieerstreckt sich auch
auf Berechtigungen, für welche die sich auf Grund-
stücke beziehenden Vorschrisften des bürgerlichen
Rechts gelten (z. B. Erbbaurecht, Erbpachtverträge,
Fischerei= und Apothekergerechtigkeiten, soweit es sich
um Realrechte handelt). Ausgenommen sind jedoch
unbewegliche Bergwerksanteile. Dem übergang des
Eigentums an Grundstücken steht gleich der über-
gang von Rechten an dem Vermögen einer Gesell-
chaft mit beschränkter Haftung, einer Kommandit-
gesellschaft, Gewerkschaft, eingetragener Genossen-
schaft, eines eingetragenen Vereins oder einer
offenen Handelsgesellschaft, soweit das Vermögen
der Vereinigung aus Grundstücken besteht, wenn
entweder zum Gegenstand des Unternehmens die
Verwertung von Grundstücken gehört oder wenn
die Vereinigung geschaffen ist, um die Wertzuwachs-
steuer zu ersparen. Frei von der Steuer sind der
Landesfürst und die Landesfürstin, das Reich, die
Bundesstaaten und Gemeinden, in deren Bereich
das Grundstück sich befindet, gemeinnützige Ver-
einigungen, welche sich satzungsgemäß mit innerer
Kolonisation, Arbeiteransiedlung, Grundentschul-
dung oder Errichtung von Wohnungen für minder-
bemittelte Klassen befassen. Frei sind ferner über-
tragungen beim Erwerb im Weg des Erbgangs oder
der Schenkung unter Lebenden (ist aber die Form
der Schenkung bloß gewählt, um der Wertzuwachs-
steuer zu entgehen, so tritt die Steuerpflicht ein);
bei der Gründung, Anderung, Fortsetzung und
Aufhebung der ehelichen Gütergemeinschaft; bei
Verträgen zum Zweck der Nachlaßteilung unter den
Miterben (auch bei Verträgen zwischen Teilneh-
mern an einer ehelichen oder fortgesetzten Güter-
gemeinschaft), sowie beim Erwerb auf Grund eines
Zuschlags, der in solchen Teilungsfällen auf dem
Weg der Versteigerung einem Miterben erteilt
wird; beim Grunderwerb der Abkömmlinge von
den Eltern, Großeltern und entfernteren Voreltern;
wenn die Abkömmlinge des Besitzers oder dieser
selbst mit seinen Abkömmlingen Grundstücke in eine
nur aus ihnen bestehende Gesellschaft einbringen;
wenn Nachlaßgegenstände in eine ausschließlich
von den Miterben gebildete Gesellschaft des B.G.B.
eingebracht werden (in den beiden letzten Fällen darf
jedoch kein neuer Gesellschafter aufgenommen wer-
den, der nicht zu den Nachkommen des Erblassers
gehört); im Fall der Flurbereinigung oder
der besseren Gestaltung von Bauflächen (Umle-
agung) sowie bei Ablösung von Rechten an For-
sten, wenn diese Maßnahmen auf der Anordnung
einer Behörde beruhen oder von einer solchen als
zweckdienlich anerkannt werden; beim Austausch
von Feldteilen zwischen angrenzenden Bergwerken
und bei Vereinigung zweier oder mehrerer Berg-
werke zum Zweck der besseren bergbaulichen Aus-
nutzung, jedoch vorausgesetzt, daß eine Steuer-
ersparung nicht beabsichtigt ist. Endlich sind frei
alle jene Fälle, bei denen der Veräußerer nicht mehr
als 2000 M! Einkommen hat und der Preis des un-
bebauten Grundstücks 5000 JM#„, des bebauten
20 000 ##1 nicht übersteigt. Diese Vergünstigung
tritt nicht ein bei gewerbsmäßigen Grundstücks-
händlern und bei dem Versuch der Steuerumgehung
durch Strohmänner.
Als Wertzuwachs gilt der Unterschied zwischen
Erwerbs- und Veräußerungspreis, wobei eine
Reihe von Zu- und Abrechnungen möglich sind.
Hat der Veräußerer oder sein Rechtsvorgänger das
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