Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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richtung zur Förderung der Vollswohlfahrt in 
Stadt und Land ein Volkswohlfahrtsamt 
zu schaffen, dem behufs ausgiebiger Mitwirkung 
des Laienelements aus Sachverständigenkreisen ein 
ständiger Beirat gegeben werden sollte. Die Ver- 
handlungen im Abgeordnetenhaus und die Vor- 
schläge der preußischen Staatsregierung führten 
endgültig dann zu dem Ergebnis, daß die Zentral- 
stelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen unter 
Erweiterung ihres Zwecks und Ausgestaltung ihrer 
Organisation mit den im Antrag Douglas vor- 
gesehenen und in der Sitzung des Abgeordneten- 
hauses vom 6. April 1905 angenommenen Auf- 
gaben betraut und ohne den Charakter eines Amts 
in die „Zentralstelle für Volkswohlfahrt“ umge- 
wandelt wurde. 
Die Aufgaben der Zentralstelle sind in den 
Satzungen derselben in folgende Form gebracht: 
1. Durch Herstellung einer Verbindung zwischen 
den mannigfachen freien Organisationen auf dem Ge- 
biet der Wohlfahrtsbestrebungen dieselben in ihrer 
Entwicklung zu unterstützen, notwendig erscheinende 
Verbesserungen anzuregen, einer nachteiligen Zer- 
splitterung der Kräfte entgegenzuwirken und die 
Begründung neuer Einrichtungen im Fall des Be- 
dürfnisses herbeizuführen; 
2. die Entwicklung der Volkswohlfahrtspflege im 
Inland und Ausland zu verfolgen und die darauf 
bezüglichen Schriften, Berichte, Statuten usw. zu 
sammeln; 
3. über Wohlfahrtseinrichtungen auf Anfragen 
Auskunft und Ratschläge zu erteilen; 
4. über die Entwicklung der Volkswohlfahrts- 
pflege im Inland und Ausland den beteiligten Re- 
gierungen fortlaufend zu berichten; 
5. auf Erfordern einer Regierung Gutachten zu 
erstatten, Vorschläge auszuarbeiten und bei der 
Vorbereitung von Gesetzentwürfen und Verwal- 
tungsanordnungen mitzuwirken; 
6. in Zeitschriften, in Buchform, durch Vorträge, 
durch Veranstaltung von Konferenzen, Informa- 
tionskursen usw. für die Verbreitung der Volks- 
wohlfahrtspflege Sorge zu tragen und zu ihrer 
Ausgestaltung anzuregen; 
7. zur Ausbildung zweckmäßiger Methoden sich 
auf dem Gebiet der Volkswohlfahrtspflege praktisch 
zu betätigen. 
Neben dem Vorstand besteht bei der Zentral- 
stelle noch ein Beirat von Personen, welche auf 
den verschiedenen Gebieten der Wohlfahrtspflege 
praktische Erfahrungen haben. Die Geschäfts- 
führung liegt in den Händen eines Geschäfts- 
führers und der ihm beigegebenen wissenschaftlichen 
Beamten. Das gesamte Arbeitsgebiet ist in vier 
Abteilungen zerlegt, an deren Spitze je ein Ab- 
teilungsvorsteher steht. Für jede Abteilung ist aus 
Mitgliedern des Vorstands und des Beirats eine 
Fachkommission gebildet, der unter Zuziehung von 
besondern Sachverständigen die Bearbeitung wich- 
tiger Einzelfragen obliegt. Die Fachkommissionen 
bestehen für 1) wirtschaftliche Fürsorge, 2) sittliche 
Fürsorge, 3) Volksbildung und zunterhaltung und 
volkstümliche Kunst, 4) Gesundheitspflege. Um 
Wohlfahrtspflege. 
  
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eine möglichst eingehende Information über alles 
erforderliche Material zu besitzen, werden enge 
Beziehungen zu den Wohlfahrtsorganisationen 
des Auslands unterhalten, so zum Musée social 
in Paris, British Institute of Social Service 
in London, Institute of Social Service in Neu- 
york, Bureau voor Soziale Advizen in Amster- 
dam, Soziales Museum in Budapest, Zentral- 
bund für soziale Arbeit in Stockholm, Soziales 
Sekretariat und Bibliothek in Kopenhagen. 
Da die Verhältnisse in Stadt und Land, in 
Industrie und Landwirtschaft sehr verschieden und 
daher auch die Bedürfnisse sehr vielgestaltig sind, 
hätte man daran denken können, innerhalb der 
Zentralstelle für Volkswohlfahrt besondere Abtei- 
lungen zu bilden. Man hat davon Abstand ge- 
nommen und die der Landbevölkerung zu wid- 
mende Tätigkeit dem bestehenden Deutschen Ver- 
ein für ländliche Wohlfahrt und Heimatpflege 
übertragen. Was das Gebiet der Wohlkätigkeit 
angeht, ist eine besondere Vereinigung für Armen- 
pflege und Wohltätigkeit vorhanden, welche eben- 
falls wie der Verein für ländliche Wohlfahrtspflege 
in organischer Verbindung mit der Zentralstelle 
steht. Das Organ der Zentralstelle ist die Con- 
cordia, welche im Laufe der Zeit ihren Namen 
wiederholt gewechselt hat. Zuerst führte sie den 
Namen „Wohlfahrtskorrespondenz“, dann „Zeit- 
schrift der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtsein- 
richtungen“ und endlich die heutige Bezeichnung. 
Das Organ für die ländliche Wohlfahrtspflege 
ist „Das Land“, Zeitschrift für die sozialen und 
volkstümlichen Angelegenheiten auf dem Land. 
Und für Wohltätigkeitsangelegenheiten ist das 
Organ die „Zeitschrift für das Armenwesen“. 
Für die Ausgestaltung der Wissenschaft der 
Wohlfahrtspflege sowie für die Praxis auf diesem 
Gebiet sind die Schriften der Zentralstelle, welche 
zwanglos erscheinen und wichtige Gebiete in 
wissenschaftlicher Weise behandeln, bedeutungsvoll 
geworden. Die Zentralstelle betätigt sich auch, 
um die Fühlung mit dem Leben zu behalten, bei 
der Leitung des Berliner Spar= und Bauvereins, 
bei Veranstaltungen des Volksbildungswesens durch 
Veranstaltungen von klassischen Volkskonzerten, 
Führungen durch Museen, Abhaltung von Vor- 
tragskursen. 
Einen Einblick in das große Gebiet der Wohl- 
fahrtseinrichtungen, wie sie für die breite Masse 
der Bevölkerung in Betracht kommen, gewährt das 
auf Grund des Materials der Zentralstelle für Ar- 
beiterwohlfahrtseinrichtungen bearbeitete „Hand- 
buch der sozialen Wohlfahrtspflege in Deutsch- 
land“ von Professor Albrecht (1902). 
Dasselbe umfaßt folgende Gebiete: I. Bezüg- 
lich Fürsorge für Kinder und Jugend- 
liche. a) Im Säuglingsalter: 1. Verpflegung 
unehelich geborner Kinder in geschlossener Anstal- 
ten, 2. Reglung des Haltekinderwesens, 3. Krippen. 
b) Im vorschulpflichtigen Alter: 1. Kinderbewahr- 
anstalten und Volkskindergärten, 2. Ausbil-
	        
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