99
sind. Erst dann liegt ein Ansatz hierzu vor, wenn
eine irgendwie bestimmte Person oder mehrere
solche Personen, wenn auch in weitem Umfang
nach freiem Belieben, gewisse Gemeinschafts-
angelegenheiten wahrzunehmen haben, denn
dann sind die Angelegenheiten der Menschen-
gemeinschaft nicht mehr lediglich von ihren nach
Zweckmäßigkeitserwägungen gefaßten Beschlüssen,
sondern von den wenn auch in der gleichen Weise zu
fassenden Beschlüssen bestimmter hierzu kompetenter
Organe abhängig, also schon in gewisser Weise,
wenn auch nur durch die allgemeine Bestimmung
des Kompetenzumfangs jener Personen und der
Respektierung der von ihnen als Organen der Ge-
meinschaft vorgenommenen Handlungen, in ge-
wisser Weise umgrenzt und geordnet.
Diese Wirkung tritt aber auch dann ein, wenn
auch nur eine oder einige allgemeine Anord-
nungen einer bestimmten Person als für die Ge-
meinschaft verbindlich angesehen werden sollen,
ohne daß der Anordnende in allgemeiner Weise,
d. h. durch die Notwendigkeit der Erfüllung ge-
wisser Erfordernisse bestimmt zu sein braucht.
Denn für verbindlich zu erachtende allgemeine An-
ordnungen selbst beliebig wechselnder Personen
führen gleichfalls eine Reglung der Verhältnisse,
auf die sie sich beziehen, herbei, nicht dagegen nicht
allgemeine Vorschriften solcher Personen.
Hieraus ergibt sich, daß Individualgesetze, die
von der höchsten rechtschaffenden Potenz des
Staats ausgehenden Einzelanordnungen, nicht
neues Recht schaffen, sondern unter die verwal-
tende Staatstätigkeit fallen, und zwar, da in
ihnen die Herrschermacht des Staats in beson-
derer Weise in die Erscheinung tritt, zu den
Staatsverwaltungsakten gehören, die man als
Verfügungen bezeichnet. Es muß jedoch be-
rücksichtigt werden, daß auch bei den rein faktischen
Verwaltungshandlungen, wie bei der Errichtung
von Gebäuden, dem Unterricht von Kindern, der
Behandlung von Kranken usw., sowie bei Rechts-
geschäften, die der Staat als Vermögenssubjekt,
als Fiskus, abschließt, und die nach privatrecht-
lichen Grundsätzen beurteilt werden, die Staats-
gewalt insofern hervortritt, als ein Entgegen-
wirken gegen derartige Staatsakte gemäß der
Rechtsordnung in der Regel durch Gewalt be-
seitigt wird, während beim Erlaß von Vorschrif-
ten, sofern dieselben von den Betroffenen freiwillig
befolgt werden, eine Machtentfaltung des Staats
in diesem Sinn nicht stattzufinden braucht.
Anderseits sind allgemeine Vorschriften für das
Verhalten der Glieder der Rechtsgemeinschaft im
allgemeinen oder für die Staatsorgane als solche
(Verordnungsrecht der Krone, der Polizeibehör-
den, allgemeine Dienstanweisungen durch vor-
gesetzte Behörden) wahre Rechtsnormen in dem
erwähnten Sinn.
3. Regierung und Vollziehung als
Unterarten des Oberbegriffs „Staats-
verwaltung“. Innerhalb des Verwaltungs-
Staatsverwaltung usw.
100
begriffs wird meistens ein Unterschied zwischen
Regierung und Vollziehung gemacht, sofern dieser
darin bestehen soll, daß nur die eine Seite der
Verwaltung, nämlich die Vollziehung, Gesetzes-
ausübung, die andere dagegen, die Regierung,
eine der gesetzlichen Grundlage nicht bedürfende,
wenn auch durch die Gesetze beschränkte Staats-
sunktion sei. Es verträgt sich durchaus mit der
Anerkennung der Verschiedenartigkeit der einzelnen
Verwaltungsakte des Staats im weiteren Sinn,
wenn diese aus der olten Staatsphilosophie über-
nommene Theorie der sich bereits vielfach bahn-
brechenden Erkenntnis weicht, daß alles Handeln
des Staats, d. h. seiner Organe, auch wenn sich
deren Kompetenz lediglich gewohnheitsrechtlich ge-
bildet hat und so weit geht, daß ihnen ein all-
gemein zweckmäßiges Handeln im Namen des
Staats auf verschiedenen Gebieten zusteht, der
rechtlichen (gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen)
Grundlage bedarf, und daß ein Handeln inner-
halb dieser Rechtskompetenz, sofern es nicht in dem
Erlaß allgemeiner Normen für das Verhalten der
Glieder der Rechtsgemeinschaft besteht (in welchem
Fall es gleichzeitig Rechtssetzung ist), sich lediglich
als Rechtsausführung oder, wenn man will, Voll-
ziehung des Rechts darstellt.
Der Grund für die Auffassung, daß ein Teil
der Verwaltung nicht Gesetzesvollziehung sei,
scheint darin zu liegen, daß man die in der all-
gemeinen Rechtsstellung der Verwaltungsbehörden
begründete Zuständigkeit derselben nicht als Folge
von Kompetenzrechtsnormen ansieht, sondern für
einen Rechtsausführungsakt ein Spezialgesetz, das
durch ihn ausgeführt wird, für erforderlich hält.
In der Theorie ist die Auffossung, welche von dem
Erfordernis des Spezialgesetzes für die verwal-
tende Staatstätigkeit absieht, durch Fricker be-
gründet worden. In der Praxis hat das preu-
ßische Oberverwaltungsgericht die rechtliche Zu-
ständigkeit der Verwaltungsbehörden auf Grund
ihrer allgemeinen, nicht nur durch Gesetzes-, son-
dern auch durch Gewohnheitsrecht begründeten
Rechtsstellung schon längst anerkannt, ohne aller-
dings den theoretischen Schluß zu ziehen, daß auch
ein Handeln auf Grund gewohnheitsrechtlich ent-
standener Kompetenz Rechtsausführung ist.
Indem aber jede verwaltende Staatstätigkeit
sich auf eine Kompetenzrechtsnorm, d. h. auf die
rechtsverbindliche Anordnung eines ein bestimmtes
Verhalten des mit der Kompetenz ausgestatteten
Organs verlangenden Rechtssatzes stützt, der
damit allerdings demselben das Recht zu diesem
Verhalten erteilt, ist sie Erfüllung einer Rechts-
pflicht, selbst wenn es sich um höchste und unver-
antwortliche, die ausführende Gewalt des Staats
innehabende Organe desselben handelt. In diesem
Sinn sagte König Friedrich Wilhelm IV. in
seiner Ansprache gelegentlich seiner Eidesleistung
auf die Verfassung vor beiden Kammern am
6. Febr. 1850: „In Preußen muß der König
regieren, nur Ich regiere nicht, weil es also mein