Die Gesterreichisch-Anzarische Monarchie. (Dezember 3.—12.) 177
Veränderungen im Orient eingetreten sind, die die damals bestandene Lage zu
verändern geeignet gewesen wären. In einem Punkt stimme ich mit dem geehrten
Abgeordneten vollkommen überein. Bei Besprechung des Dreibundvertra-
ges sagte er, daß das gegebene Wort König und Nation in so hohem Maße
bindet, daß Niemand unsere ernste und feste Absicht, unseren vertragsmäßigen
Verpflichtungen nachzukommen, bezweifeln wird. Eine solche ehrliche und
loyale Auffassung der Sachlage kann die Regierung nur mit Freude be-
grüßen und sei es mir auch gestattet, darauf hinzuweisen, daß gerade aus
Anlaß der vom Abg. Polonyi erwähnten Veröffentlichungen der „Ham-
burger Nachrichten“ die maßgebendsten Faktoren und die gesamte öffentliche
Meinung in Deutschland sich auch nachdrücklich für eine unverbrüchlich
loyale Durchführung der vertragsmäßigen Verpflichtungen, die Deutschland
im Dreibundvertrage auf sich genommen, ausgesprochen haben. Um nun
auf die Beantwortung der einzelnen Punkte der in Rede stehenden Inter-
pellation überzugehen, so habe ich schon in meiner vorläufigen Antwort
am 2. Dezember die Ehre gehabt, die Gründe darzulegen, warum die letzte
Thronrede keinen Passus über die auswärtige Politik enthielt. Was den
zweiten Fragepunkt betrifft, so hat sich die internationale Lage seit dem
6. Oktober nicht geändert. Ich kann dieselbe auch heute auf Grund ge-
pflogener Rücksprache mit dem gemeinsamen Minister des Aeußern als voll-
kommen friedlich erklären. Hinsichtlich der weiteren Fragepunkte, die sich
auf die bekannten Enthüllungen der „Hamburger Nachrichten“ beziehen,
habe ich schon in der Sitzung vom 2. Dezember erwähnt, daß dieselben
ein bereits der Geschichte angehörendes Thema betreffen, und muß ich unter
Hinweis auf die im Deutschen Reichstage vom Reichskanzler Fürsten Hohen-
lohe und dem Staatssekretär Freiherrn von Marschall gemachten erschöpfen-
den Darlegungen und mit Rücksicht auf den überaus heiklen Charakter der
Frage darauf verzichten, mich auf eine weitere Erörterung derselben ein-
zulassen. Ohne aber auf die historischen Details der Frage einzugehen, habe
ich zur Beruhigung des Herrn Interpellanten die Erklärung abzugeben,
daß ein Vertrag wie der in Frage stehende heute zwischen der deutschen
und russischen Regierung nicht besteht und daß unsere Beziehungen zu
Deutschland die besten und intimsten sind, so daß der Dreibund heute wie
zuvor die unerschütterliche feste Basis unserer Politik und, was ich wohl
ohne Ueberhebung sage, auch eine der stärksten Stützen des europäischen
Friedens bildet.“
3. Dezember. (Wien.) Abgeordnetenhaus. Beschlüsse über
Handelsverträge und internationale Schiedsgerichte.
Das Haus genehmigt einen Antrag Ruß, wonach die Regierung in
Zukunft bei Abschluß von Handelsverträgen mit fremden Staaten die Be-
stimmung in die Verträge aufnehmen solle, daß bei Streitigkeiten über die
Auslegung und Durchführung des Vertrages ein Schiedsgericht zu bestellen
ist; ferner solle die Regierung die Frage in ernste Erwägung ziehen, ob
nicht mit den anderen europäischen Staaten Vereinbarungen zu treffen seien,
bei internationalen Streitigkeiten für bestimmte Fälle eine Lösung durch
Schiedsgerichte anzubahnen.
4. Dezember. (Wien.) Das Abgeordnetenhaus genehmigt
das Börsensteuergesetz und eine Resolution, die Börsengesetzgebung
nach deutschem Muster umzugestalten.
12. Dezember. (Wien.) Das Abgeordnetenhaus genehmigt
den Dispositionsfonds mit 163 gegen 82 Stimmen.
Europäischer Geschichtskalender. Bd. XXXVII. 12