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befragen, ob sie die Vereidigung verlangen. Auch in
andern Sachen darf die Vereidigung eines Zeugen
unterbleiben, wenn alle Mitglieder des Gerichts
und die anwesenden Prozeßbeteiligten den Inhalt
der Aussage für unerheblich halten."“
d) Die Beeidigung des Zeugen erfolgt einzeln
und vor seiner Vernehmung, ausnahmsweise nach
Schluß der Vernehmung; St. P.O. 8 60, Z.P.O.
§ 391. Der Entwurf der neuen St. P.O. 8 61
will umgekehrt ausnahmslos den Nacheid; auch
gestattet er die gleichzeitige Vereidigung mehrerer
Zeugen.
6. Zeugniszwang. Ein ordnungsmäßig
geladener Zeuge, welcher ohne genügende Ent-
schuldigung ausbleibt, ist zu einer Geldstrafe bis
zu 300 M und für den Fall der Uneinbringlich-
keit der Geldstrafe zu Haft bis sechs Wochen zu
verurteilen; auch ist die zwangsweise Vorführung
des Zeugen zulässig; im Fall wiederholten Aus-
bleibens kann die Strafe noch einmal erkannt
werden. Wird die Aussage oder die Eidesleistung
ohne gesetzlichen Grund verweigert, so ist gleich-
falls Geldstrafe bis zu 300 M eventuell Haft bis
sechs Wochen verwirkt. Daneben kann im Straf-
verfahren sofort zur Erzwingung des Zeugnisses
die Haft angeordnet werden, jedoch nicht über die
Zeit der Beendigung des Verfahrens in der In-
stanz, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten,
bei Ubertretungen nicht über die Zeit von sechs
Wochen hinaus. Im Zivilprozeß ist im Fall
wiederholter Weigerung auf Antrag zur Er-
zwingung des Zeugnisses die Haft anzuordnen,
jedoch nicht über den Zeitpunkt der Beendigung
des Prozesses in der Instanz und im ganzen nicht
über sechs Monate hinaus, hierbei finden die Vor-
schriften über die Haft im Zwangsvollstreckungsver=
fahren entsprechende Anwendung. In allen Fällen
ist der ungehorsame Zeuge auch noch in die durch
das Ausbleiben oder die Weigerung verursachten
Kosten zu verurteilen; St. P. O. 88 50, 69, Z.P.O.
§§ 380, 390, 90 4/913. Erhebliche Milderungen
würden für den Strafprozeß die K.A. zur neuen
St.P.O. 8§ 45, 67 bringen: im Fall der Unein-
bringlichkeit der Geldstrafen Haft nur bis zu drei
Wochen; bei Verweigerung der Aussage oder der
Beeidigung kann die Strafe einmal wiederholt
oder statt derselben Zwangshaft angeordnet wer-
den; die Zwangshaft darf nur bis zur Verkün-
dung des Urteils und nicht über drei Monate
dauern; bei Ubertretungen darf Zwangshaft nicht
angeordnet werden. Unter Ziffer 1 ist schon her-
vorgehoben worden, daß keineswegs alle Be-
hörden, welche die Erstattung eines Zeugnisses
beanspruchen können, auch befugt sind, die Er-
füllung der Zeugnispflicht zu erzwingen; die
Postbehörden, das Patentamt, die Seeämter
und das Oberseeamt sowie die Ehrengerichte der
Anwaltskammern müssen sich, wenn es gilt,
Strafen und Zwangsmaßnahmen gegen unge-
zusante Zeugen zu verhängen, an die Gerichte
wenden.
Zins — Zivilgesetzgebung.
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7. Zeugniswürdigung. Abgesehen von
den Vorschriften über Vereidigung des Zeugnisses
sind heute alle gesetzlichen Schranken einer freien
Würdigung des Zeugenbeweises gefallen. Einen
positiven Ausdruck hat der Grundsatz der freien
Beweiswürdigung gefunden in den Vorschriften
der Prozeßordnungen, wonach das Gericht über
das Ergebnis einer Beweisaufnahme „nach seiner
freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung ge-
schöpften Uberzeugung“ zuentscheiden hat; St. P. O.
§ 260, Z.P.O. § 286.
Literatur. Eine den heutigen Anforderungen
der Wissenschaft entsprechende, zusammenfassende
Spezialliteratur über Zeugenbeweis fehlt. Es muß
verwiesen werden auf die Literatur über Rechtsge-
schichte, Prozeßrecht u. Staatsrecht. [Gröber.])
Zins s. Wucher.
Zionismus s. Jsraeliten (Bd II, Sp.1472).
Zivilgesetzgebung. (Verhältnis der Ge-
setzgebung zum Gewohnheitsrecht. Geschichtliche
Übersicht: Rom, das deutsche Recht, das römische
Recht, die Landrechte, Codex Maximilianeus,
das preußische Landrecht, Code ciwil, das öster-
reichische Bürgerliche Gesetzbuch, die neueren deut-
schen Kodifikationen, das Bürgerliche Gesetzbuch
für das Deutsche Reich.)]
Zivilgesetzgebung bezeichnet sowohl die Quelle,
aus der die Rechtsvorschriften entstammen, welche
den Menschen als solchen zu ihrem Anlaß, Gegen-
stand und Zweck sowie zu ihrem Urheber haben,
wie auch den Inbegriff der auf den Menschen als
Einzelwesen bezüglichen Rechtssätze. Als Rechts-
quelle ist die Gesetzgebung das Werk einer Ge-
samtheit von Menschen und beruht deshalb in
reier Tat, in menschlicher Satzung. Sie vollzieht
ich demgemäß wie jede menschliche Tat in Wort
und Werk und scheidet sich, je nachdem ein ge-
sprochenes Wort oder ein betätigtes Werk die Ent-
stehungsursache eines Rechtssatzes ist, in Gesetz
und Gewohnheitsrecht. Als Inbegriff von Rechts-
sätzen umfaßt die Zivilgesetzgebung die Rechtsvor-
schriften, welche eine Richtschnur für das Verhalten
der einzelnen Menschen in ihrem Zusammenleben
aufstellen. Dadurch unterscheidet sich das bürger-
liche Recht von dem öffentlichen Recht und von
den sog. formellen Gesetzen, die keine Rechtsvor-
schriften, sondern Willensäußerungen andern In-
halts in Gesetzesform enthalten, wie die Etats-
gesetze. Eine theoretische Abgrenzung zwischen dem
bürgerlichen und dem öffentlichen Recht ist aller
Versuche ungeachtet noch nicht erreicht. Maßgebend
für dieselbe ist die in den Einzelstaaten verschieden
erfolgte Verweisung der Entscheidung der Rechts-
streitigkeiten vor die ordentlichen Gerichte oder die
Verwaltungsbehörden, indem die Gerichte zur
Entscheidung über Fragen des bürgerlichen Rechts,
die Verwaltungsbehörden zur Erledigung der
Streitfragen des öffentlichen Rechts berufen sind,
gleichgültig, ob deren Entscheidung durch Ver-
waltungsgerichte oder andere Verwaltungsbehör-
den erfolgt.