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Tätigkeit sprechen. Wo z. B. eine Verfügung für
die Entstehung der Pflicht zu dem ihr entsprechen-
den Handeln von Bedeutung ist, wo sie also eine
reine tatbestandliche Voraussetzung für dieses Han-
deln ist, da „richtet“ der Verfügende nicht. Dies
trifft also z. B. für die Ausübung der Kommando-
gewalt des militärischen Befehlshabers, für Ver-
fügungen, welche dem internen, nach Anweisungen
von Oberbeamten zu handhabenden Geschäfts-
gang betreffen, usw. zu und ist ein nicht nur auf
dem Gebiet des Amtsrechts, sondern auch auf dem
des allgemeinen Rechts maßgebender Grundsatz.
Wenn also z. B. die Polizei es anordnet, daß
Prostituierte und deren Zuhälter auf ihren Ge-
sundheitszustand untersucht und, wenn sie krank
befunden werden, interniert werden, daß Personen,
die cholera= oder pockenverdächtig sind, in der
Freiheit des Verkehrs beschränkt werden, so übt sie
nicht eine richtende Funktion aus, sondern setzt
lediglich eine Voraussetzung für das Handeln oder
Dulden anderer. Dagegen enthält ihre Ver-
fügung einen Richterspruch, wenn sie in einem
speziellen Fall die Beseitigung von Ofenklappen
anordnet, die auch ohne diese Anordnung hätte
erfolgen müssen usv. Das Charakteristische der
richtenden Tätigkeit besteht eben nicht in der
verbindlichen Entscheidung über Rechte und
Pflichten in einem bestimmten Fall, sondern in
der verbindlichen Entscheidung über künftig zu er-
füllende oder in der Vergangenheit erfüllte oder
nicht erfüllte Verpflichtungen Dritter, die auch
ohne die Entscheidung bestanden haben, so daß
also die verbindliche Feststellung von Pflichten,
die erst durch die richterliche Entscheidung ent-
stehen, außerhalb des Rahmens der richter-
lichen Tätigkeit fällt. Nicht wer Pflichten
begründet, richtet, sondern wer über die Er-
füllung oder Nichterfüllung bestehen der Ver-
pflichtungen urteilt.
Ihrem Wesen gehören auch auf dem Gebiet der
Verwaltung im herkömmlichen Sprachgebrauch
alle diejenigen Akte, durch welche eine Entschei-
dung über zukünftig zu erfüllende Pflichten oder in
der Vergangenheit erfüllte oder nichterfüllte ge-
troffen wird, d. h. auch eine große Anzahl nicht
urteilsmäßiger Entscheidungen, insbesondere Be-
schlüsse und Verfügungen, zur Justiz. Auch auf
diesem Gebiet sind die Verfahrensvorschriften, die
nicht nur in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, son-
dern auch bei vielen andern Verwaltungsakten,
die sich als richterliche Funktionen darstellen, vor-
kommen, für die Beurteilung, ob ein richterlicher
Akt vorliegt oder nicht, unerheblich.
Für das Wesen der richtenden Staatstätigkeit als
solcher ist es ferner gleichgültig, ob sie sich auf pri-
vate oder ffentlich-rechtliche Pflichten erstreckt. Dies
schließt nicht aus, daß für die Entscheidung der bür-
gerlichen Prozeßsachen und der Verwaltungsstreitig-
keiten, von denen jedenfalls die letzteren sich nur auf
öffentlich-rechtliche Pflichten beziehen, besonders or-
ganisierte Behörden bestehen. Wenngleich die Er-
Staatsverwaltung ufw.
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füllung einer öffentlichen Pflicht dem Gesamtinter-
esseunmittelbarer dient als die einer privaten, und da-
her auch jede subjektive, solchen Pflichten korrespon-
dierende Berechtigung nur insoweit mit Rechtsschutz
ausgestattet ist, als das öffentliche Interesse es er-
fordert, so ist trotzdem die Feststellung der einen oder
der andern Pflicht oder ihrer Erfüllung in An-
sehung der Relativilät dieses Begriffs der Mittel-
barkeit und Unmittelbarkeit ihrem Wesen nach
gleichartig. Hat z. B. bei einer zivilrechtlichen
Verpflichtung die Einschränkung des Rechtsschutzes
mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse den In-
halt, daß dieser nur auf das Anrufen des Berech-
tigten gewährt werden soll, so ist dieser inhaltlich,
wenn dieses Erfordernis erfüllt ist, der gleiche wie
bei der Gewährung desselben ohne diese private
Initiative. Das gilt für den Rechtsschutz allgemein
und daher auch für eine Art desselben, die Justiz.
Die Scheidung zwischen bürgerlicher und Verwal-
tungsjustiz läßt sich daher nicht nach rein logi-
schen, abstrakten Begriffsmerkmalen durchführen.
Es gibt hier streitige Grenzgebiete, für die eine
besondere Einrichtung zur Schlichtung der Kom-
petenzstreitigkeiten geschaffen werden muß (s. d.
Art. Kompetenzkonflikt). Die unabhängige Stel-
lung der „ordentlichen Gerichte“ im Gegen-
satz zu den Verwaltungsgerichten, bei denen die
unteren Instanzen, wenn auch in der Sachentschei-
dung von den oberen unabhängig, gleichzeitig als
Behörden der aktiven Verwaltung fungieren und
als solche den Anweisungen der vorgesetzten Dienst-
behörde zu folgen haben, hat ferner dazu geführt,
daß ihnen vielfach die Kompetenz zur Entschei-
dung über Ansprüche übertragen worden ist, die
das Gesamtinteresse in besonderer Weise berühren
und daher ohne Zweifel zu den öffentlich-recht-
lichen zu zählen sind. Der Hauptfall ist die Klag-
barkeit der Ansprüche der Beamten aus dem Be-
amtenverhältnis gegen den Staat vor den bürger-
lichen Gerichten, ein Fall, bei dem formell der
Staat selbst als Partei vor seinen eignen Gerichten
Recht nimmt. Zwar unterliegt auch die Sach-
entscheidung der ordentlichen Gerichte insofern
einer Kontrolle des übergeordneten Gerichts, als
dieses bei Einlegung des zulässigen Rechtsmittels
die angefochtene Entscheidung aufheben oder ändern
kann. Die Kontrolle, der die Verwaltungsbehör-
den, abgesehen von ihrer Funktion als Verwal-
tungsgerichte, unterliegen, ist jedoch durch die reich
ausgebildete Pflicht zur Berichterstattung, durch die
die formelle und materielle Seite der Geschäfts-
führung umfassenden Revisionen, durch die der
übergeordneten Behörde zustehende Befugnis, Ent-
scheidungen und Anordnungen der untergeordneten
ohne ein besonderes Verfahren aus Gründen des
öffentlichen Interesses außer Kraft zu setzen, und
durch die politische Verantwortlichkeit gegenüber
der Volksvertretung eine viel schärfere und daher
eine größere Abhängigkeit begründende als die-
jenige, denen die ordentlichen Gerichte als ent-
scheidende Behörden unterliegen.