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In dieser Beziehung ist die neue Bestimmung
charakteristisch, daß ein Unzurechnungsfähiger,
besonders ein Kind oder ein Geisteskranker einen
von ihnen gestifteten Schaden insoweit zu ersetzen
haben, als die Billigkeit eine Schadloshaltung
erfordert und der Täter seinen Unterhalt behält.
Der Zinsfuß ist auf 4% herabgesetzt, Vertrags-
strafen können ermäßigt werden, unpfändbare
Forderungen sind nicht abtretbar, und die Auf-
rechnung gegen sie ist ausgeschlossen. Kauf bricht
nicht Miete, ungesunde Wohnungen sind jederzeit
kündbar; in dem Dienst= und Gesindeverhältnis
ist für die Gesundheit, Sittlichkeit und Religion
der Arbeitnehmer schützend vorgesorgt. Frei ist
der Eigentümer in der Verfügung über sein Eigen-
tum; aber in dem Widerstreit zwischen dem Ge-
brauch dieses stärksten Rechts und seinem Miß-
brauch haben sich die Gesetzgebungen aller Zeiten
um die Zurückdämmung der Auswüchse bemüht.
Das B.G. B. ist, außer durch das Schikaneverbot,
mit der Reglung des Nachbarrechts und mit den
dem Fremden gewährten Befugnissen in der Be-
schränkung der Willkür des Eigentümers über die
seitherige Gesetzgebung hinausgegangen. Es ge-
tattet jedem, dessen Sache auf ein fremdes Grund-
stück gelangt ist, die Betretung dieses Grundstücks,
selbst des Hauses, zur Aufsuchung und Wegnahme
der Sache; dafür hat er den entstandenen Schaden
zu ersetzen, für den bevorstehenden Sicherheit zu
leisten. Umgekehrt hat der Nachbar den ohne
Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit erfolgten Über-
bau gegen Entschädigung in Rente zu dulden,
wenn er nicht sofort gegen die Grenzüberschrei-
tung Widerspruch erhoben hatte. Dem Eigen-
tümer ist verwehrt, die Einwirkung eines andern
auf seine Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung
zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr not-
wendig ist und die Gefahr dem Dritten einen
großen Schaden droht, zu dem der dem Eigen-
tümer durch die Einwirkung entstehende Nachteil
in keinem Verhältnis steht. Das Sachenrecht ist
auf die in dem B.G.B. und den landesrechtlichen
Vorbehalten zugelassenen Rechtsinstitute beschränkt,
der Inhalt dieser Institute unterliegt jedoch weit-
hin dem Parteibelieben. Geregelt ist im B.G.B.
neben dem Sachbesitz das Eigentum, das Erb-
baurecht, die Dienstbarkeiten, das Vorkaufsrecht,
die Reallasten und das Pfandrecht. Dabei unter-
stehen die Rechte an Grundstücken dem Grundbuch-
system, die an beweglichen Sachen dem deutsch-
rechtlichen Grundsatz, daß die Hand die Hand zu
wahren hat, der Besitz dem Prinzip der tatsäch-
lichen Gewalt über die Sache. Zur Begründung
aller Rechte an Grundstücken, also nicht des Be-
sitzes, ist ihre Eintragung in das Grundbuch er-
forderlich; von dem Grundbucheintrag hängt auch
ihr Erlöschen und vielfach ihre Veränderung ab.
Die Grundbuchordnung regelt das Verfahren.
Das Pfandrecht ist verschieden geregelt für Grund-
stücke, für bewegliche Sachen und für Schiffe, an
Grundstücken als Hypothek, Grundschuld und
Zivilgesetzgebung.
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Rentenschuld, von denen die Hypothek zu ihrer
Entstehung eine persönliche Forderung voraussezt.
Das Familienrecht umfaßt die Ehe, das eheliche
Güterrecht, die Verwandtschaft und die Vormund-
chaft. Als Eheschließung gilt nur der vor einem
bereiten Standesbeamten erklärte Wille zur Ein-
gehung der Ehe. In der Ehe ist der Mann das
Haupt der Familie, dem die Frau als Gehilfin
zur Seite steht. Das Vermögen der Frau unter-
steht der Verwaltung und Nutznießung des Man-
nes, wenn die Ehegatten nicht ein anderes Güter-
rechtssystem vertraglich bestimmen, was sie jeder-
zeit können. Durchweg ist vorgesorgt, daß die
Frau sich ihr eingebrachtes Gut gegen die Ge-
fährdung durch den Mann sichern und für später
erhalten kann. Außerdem kann die Frau Vor-
behaltsgut haben, über das sie ausschließlich zu
verfügen berechtigt ist; Vorbehaltsgut wird na-
mentlich, was die Frau durch ihre Arbeit selb-
ständig erwirbt, vorausgesetzt daß nicht Arbeiten
im Haushalt die Erwerbsquelle sind. Zur Über-
nahme eines Erwerbs bedarf die Frau nicht der
Zustimmung des Mannes. In ihrer Geschäfts-
fähigkeit wird die Frau durch ihre Verheiratung
nicht beschränkt. Im Rechtsverkehr mit Dritten
gilt allerdings das Vorbehaltsgut als solches nur
dann, wenn diese Eigenschaft in das eheliche
Güterrechtsregister eingetragen ist oder dem Dritten
bekannt war. Als vertragsmäßige Güterrechts-
spsteme sind die allgemeine Gütergemeinschaft, die
Errungenschafts= und die Fahrnisgemeinschaft
eingehend geregelt den Ehegatten zur Verfügung
gestellt. Wird einer dieser Güterstände gewählt,
so ist dies in das Güterrechtsregister einzutragen.
Ein überlebender Ehegatte kann beim Güterstand
der allgemeinen Gütergemeinschaftund der Fahrnis=
gemeinschaft diese mit den Kindern fortsetzen, letz-
tere allerdings nur bei besonderer Vereinbarung.
Die Gründe der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit und
Scheidung der Ehe sind neu geregelt; zugelassen
ist statt des Antrags auf Ehescheidung der Antrag
auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft unter
Fortbestehen des Ehebands, dem jedoch vom an-
dern Ehegatten der Scheidungsantrag entgegen-
gesetzt werden kann. Das kirchliche Ehegesetz-
gebungsrecht ist außer Wirksamkeit gesetzt, wodurch
das Dogma von der ausschließlichen Berechtigung
der Kirche zur Reglung der Eingehung und Tren-
nung der Ehe sowie von der Unauflöslichkeit der
Ehe verletzt ist. Dem Katholiken bleibt verboten,
sich dem persönlichen Eherecht des B.G.B. zu
unterwerfen. Die Eheschließung bleibt für ihn
von der Beobachtung der tridentinischen Ehe-
schließungsform abhängig, und er darf die Er-
klärung vor dem Standesbeamten nur mit der
Absicht der Herbeiführung der staatlichen Wir-
kungen für seine Eheerklärung vor dem zuständigen
Geistlichen abgeben. Eine Ehetrennung darf er
vor dem staatlichen Gericht erst nach der erfolgten
Trennung durch das kirchliche Ehegericht bean-
tragen, ein Antrag auf Ehescheidung kann von
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