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teiligt zu sein (Parteifähigkeit), als auch weiter
sähig sein, für sich oder andere, sei es selbst oder
durch Vertreter, vor Gericht wirksam handeln zu
können (Prozeßfähigkeit). Die Parteifähigkeit ist
eine Voraussetzung der Prozeßfähigkeit; diese reicht
so weit, wie sich eine Partei verpflichten kann;
doch können auch nichtrechtsfähige Vereine, als
wären sie rechtsfähig, verklagt werden. Die Pro-
zeßhandlungen einer partei= oder prozeßunfähigen
Partei sind ungültig; daher hat das Gericht die
Partei= und Prozeßfähigkeit der vor ihm Han-
delnden von Amts wegen zu prüfen. Die man-
gelnde Prozeßfähigkeit einer Partei wird durch
deren gesetzliche Vertretung ergänzt, welche von
der Bevollmächtigung durch die Partei zu unter-
scheiden ist. Gesetzliche Vertreter einer Partei
sind diejenigen Personen, welche durch das bürger-
liche Recht und nicht durch den Willen der Par-
teien zur prozessualen Vertretung parteifähiger,
aber prozeßunfähiger Personen berufen sind. Sie
sind nicht Partei, werden aber wie eine Partei
behandelt, weil sie den Prozeß unabhängig von
dem Wissen und Wollen der von ihnen vertretenen
Partei nach ihrem Ermessen zu führen haben. Ge-
setzliche Vertreter sind der Vormund und Pfleger,
die Organe der juristischen Personen sowie der
parteifähigen Personenmehrheiten, der Vater der
minderjährigen Kinder bezüglich ihres Sonder-
guts. Beschränkt prozeßfähig sind Minderjährige,
welche mit Genehmigung des Vaters oder Vor-
munds ein Erwerbsgeschäft begonnen oder ein
Dienst= oder Arbeitsverhältnis eingegangen haben,
bezüglich der aus dem Betrieb des Erwerbs-
geschäfts, aus dem Abschluß oder der Auflösung
des Dienst= oder Arbeitsverhältnisses entsprun-
genen Rechtsverhältnisse. Wer prozeßfähig ist, ist
es für alle in den Prozeß fallenden Handlungen.
Die Klage kann nur vor einem zuständigen
Gericht angestellt werden. Die Zuständig-
keit eines Gerichts zur Verhandlung und Ent-
scheidung eines einzelnen Rechtsstreits bildet die
oberste Voraussetzung für die Vornahme irgend
welcher Prozeßhandlungen vor und von demselben.
Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte (Amts-
oder Landgericht, je nach dem Wert oder der
Beschaffenheit des Streitgegenstands) ist durch das
Gerichtsverfassungsgesetz geregelt. Die örtliche Zu-
ständigkeit der Gerichte wird in der Regel durch
den Gerichtsstand des Beklagten bestimmt (actor
sequitur forum rei). Seinen allgemeinen Ge-
richisstand hat der Beklagte bei dem Erstinstanz-
gericht (Amts= oder Landgericht) für denjenigen
Ort, an welchem er seinen Wohnsitz hat, gleich-
gültig, ob derselbe In= oder Ausländer ist (forum
domiciliül). Entscheidend ist der Wohnsitz des
Beklagten zur Zeit der Erhebung der Klage. Die
einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts
dauert fort, wenn auch der anfangs vorhandene
Kompetenzgrund späterhin wegfällt. Das forum
domicilü ist nicht das einzige Forum, aber es ist
das einzige forum generale, neben welchem alle
Staatslexikon. V. 3. u. 4. Aufl.
Zivilprozeß.
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andern Gerichtsstände als besondere erscheinen,
wenngleich dieselben nicht auf Sonderrecht, son-
dern auf gemeinem Recht beruhen. Die deutsche
Zivilprozeßordnung hat nämlich im Anschluß an
das gemeine Prozeßrecht zur Erleichterung der
Rechtsverfolgung eine große Zahl von besondern
Gerichtsständen zugelassen, welche teils durch die
Art der Streitsache, das materielle Rechtsverhält-
nis (vermögensrechtliche Ansprüche, Erbschaft, Ehe,
dingliche Ansprüche), teils durch prozessuale Mo-
mente, teils durch Beauftragung seitens des höheren
Gerichts oder Parteivereinbarung bestimmt sind.
Für das Verhältnis der Gerichtsstände unter sich
gilt als Regel, daß die Parteivereinbarung allen
gesetzlichen Gerichtsständen vorgeht, und daß
zwischen dem korum domicilil und den nicht aus-
schließlichen besondern Gerichtsständen der Kläger
die Wahl hat. Ausgeübt wird die Wahl durch
die in der Zustellung der Klage erfolgende Ladung
des Beklagten vor ein bestimmtes Gericht.
Das Verfahren vor den Landgerichten, nicht
auch das vor den Amtsgerichten, unterliegt dem
Anwaltszwang. Der Rechtsanwalt handelt
auf Grund der ihm erteilten Vollmacht, welche von
ihm auf Verlangen des Gegners schriftlich zu den
Gerichtsakten zu übergeben ist. Er vertritt die
Partei sowohl in ihrer Willensentschließung als
auch in der Erklärung ihres Willens. Soweit
seine Vollmacht reicht, gelten seine Handlungen
und Unterlassungen als Handlungen der Partei.
Für den Anwaltsprozeß ist der Umfang der Pro-
zeßvollmacht gesetzlich bestimmt, eine Beschränkung
des gesetzlichen Umfangs der Vollmacht ist dem
Gegner gegenüber nur insoweit wirksam, als diese
Beschränkung die Beseitigung des Rechtsstreits
durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streit-
gegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner
geltend gemachten Anspruchs ausschließt.
Die durch die Zustellung der Klage bewirkte
Einleitung des Prozesses (Litiskontestation) beein-
flußt die Gestaltung des streitigen Rechtsverhält-
nisses. Die durch sie bewirkte Rechtshängigkeit er-
lischt mit der Beendigung des begonnenen Rechts-
streits, insbesondere durch ein rechtskräftiges End-
urteil und durch Fallenlassen des Prozesses seitens
der Partei; doch bleibt im Fall der Zurücknahme
der Klage das Gericht für die rechtshängige Wider-
klage zuständig.
Während der Streitgegenstand durch die Er-
hebung der Klage festgelegt ist, verharrt der Streit
selbst bis zum Moment des Urteils im Zustand
der Flüssigkeit. Alles, was bis zum Urteil ge-
schieht, geschieht rechtzeitig, weil die Parteitätig-
keit vor dem Urteil nur Material für das Urteil
anzusammeln und aufzuhäufen hat. Selbst die
vor dem Urteil erlassenen Entscheidungen des Ge-
richts haben keine bindende Kraft. Daher kann
ein neues, bisher unterlassenes Vorbringen der
Partei, die Erkenntnis des Richters, daß der Pro-
zeß in einer verkehrten Richtung geführt worden
ist, ihn, nachdem er schon beim Ende angelangt
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