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der Reihe der ordentlichen Rechtsmittel die Wieder-
einsetzung in den vorigen Stand, der Einspruch
und die Wiederaufnahme des Verfahrens durch
Nichtigkeits= und Restitutionsklage aus. Unter
den ordentlichen Rechtsmitteln ist die Beschwerde
von einer mehr untergeordneten, nebensächlichen
Bedeutung. Den Gegenstand der Anfechtung
durch sie bilden verhältnismäßig einfache, unbe-
deutende Entscheidungen, welche entweder ohne
mündliche Verhandlung ergangen sind oder einen
Streit zwischen den Parteien und dritten Per-
sonen bezielen oder eine sachliche Entscheidung
nicht enthalten. Endurteile sind niemals Gegen-
stand der Beschwerde. Umgekehrt haben die Be-
rufung und Revision nur Endurteile zu ihrem
Gegenstand. Die Berufung gewährt der Partei
nicht nur die Möglichkeit einer Kritik des Ver-
fahrens erster Instanz oder einer Nachprüfung und
Berichtigung des unterrichterlichen Urteils vom
Gesichtspunkt der Frage aus, ob gerecht geurteilt
sei, sondern auch der Erneuerung und Wieder-
holung des Rechtsstreits vor einem andern Ge-
richt, das durch seine zahlreichere Besetzung und
als Kritik übendes eine größere Garantie für die
Ermittlung der materiellen Wahrheit bietet. Für
das Verfahren in der Berufungsinstanz gilt An-
waltszwang. Die Konstruktion desselben entspricht
derjenigen des landgerichtlichen Verfahrens. An-
griffs= und Verteidigungsmittel, welche in erster
Instanz nicht geltend gemacht sind, insbesondere
neue Tatsachen und Beweismittel, können in der
Berufungsinstanz unbeschränkt geltend gemacht
werden; neue Ansprüche aber nur, wenn mit den-
selben kompensiert werden soll, und wenn zugleich
glaubhaft gemacht wird, daß die Partei ohne ihr
Verschulden außerstande gewesen sei, dieselben in
erster Instanz geltend zu machen. Gegen die Ur-
teile der Amtsgerichte ist die Berufung bei dem
Landgericht, gegen die erstinstanzlichen Urteile der
Landgerichte beim Oberlandesgericht einzulegen,
und zwar binnen Monatzfrist seit der Zustellung.
— Betreffen die Berufungsurteile der Ober-
landesgerichte einen Streitgegenstand von mehr
als 4000 M so ist gegen dieselben binnen Monats-
frist seit der Zustellung als weiteres Rechtsmittel
die Revision beim Reichsgericht zulässig; auch
für sie gilt Anwaltszwang. Die Prüfung des
Reichsgerichts ist lediglich darauf beschränkt, ob
nicht die angefochtene Entscheidung auf der Ver-
letzung eines Gesetzes beruht, sei es durch Nicht-
anwendung oder durch nicht richtige Anwendung
eines bestehenden Rechtssatzes. Die der Entschei-
dung des Rechtsstreits zugrunde liegende tatsäch-
liche Würdigung ist der Nachprüfung des Re-
visionsrichters entzogen.
Wird von den Parteien nicht innerhalb der
gesetzmäßigen Frist ein Rechtsmittel gegen das
Urteil eingelegt, so treten nunmehr die materiellen
Wirkungen der Rechtskraft der Endentscheidung
ein. Das rechtskräftig gewordene Urteil erweist
sich dauernd als maßgebend für das Rechtsver-
Zölibat.
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hältnis unter den Parteien; das rechtskräftig Zu-
erkannte kann nicht mehr bestritten, das rechts-
kräftig Aberkannte nicht mehr geltend gemacht
werden. Das Urteil wirkt für und gegen die Par-
teien und diejenigen Personen, welche nach Ein-
tritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der
Parteien oder Inhaber des in Streit befangenen
Gegenstandes für eine der Parteien geworden sind.
Für den Umfang der Rechtskraft ist der Inhalt
der Urteilsformel, nicht der der Entscheidungs-
gründe maßgebend, doch kann ersterer aus letzteren
ausgelegt werden. Ausnahmsweise kann eine rechts-
kräftig entschiedene Streitfrage in einem neuen
Rechtsstreit Gegenstand der Parteiverhandlung
und Gerichtsentscheidung werden, wenn in diesem
Verfahren nicht Identität der Parteien oder der
Streitfrage vorliegt.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die unter-
liegende Partei zu tragen, und zwar sowohl dem
Staat wie der siegenden Partei gegenüber. Die
Berechnung der Kosten erfolgt nach Pauschsätzen
unter Hinzurechnung von Auslagen und Schreib-
sätzen. — Die Verwirklichung des in dem Urteil
rechtskräftig festgestellten Anspruchs ist die Auf-
gabe der Zwangsvollstreckung. Das Ver-
fahren ist eingehend geregelt. Sie erfolgt durch
die Gerichtsvollzieher. Die Mitwirkung des Ge-
richts tritt nur ein, wenn es sich um Einwendungen
des Schuldners oder dritter Personen gegen die
Vollstreckung oder um die Beseitigung von An-
ständen der verschiedensten Art, welche das Ver-
fahren finden kann, oder um die Einleitung oder
Durchführung eines Verteilungsverfahrens, um
Arreste oder einstweilige Verfügungen oder um
die Ableistung des Offenbarungseides handelt. Die
notwendige Voraussetzung einer jeden Zwangs-
vollstreckung ist das Vorhandensein eines vollstreck-
baren Schuldtitels und der Vollstreckungsklausel
auf demselben.
Literatur. Die Lehrbücher des Zees von
Wetzell, Wach, Fitting, Planck, Schmidt, Hellwig,
Weismann; die Kommentare zur deutschen Z.ord-
nung von Skonitzki, Struckmann-Koch, Seuffert,
Stein, Reincke, Remele-Anger, Neukamp; Busch,
Zeitschrift für deutschen Z. (seit 1879). Eine Dar-
stellung des Z.rechts der Kulturstaaten in 7 Bdn
ist von Kohler-Wach zu erwarten. Spahn.)
Zölibat. (I. Begriff. II. Geschichte: 1. Die
älteste Zeit, 2. die Entwicklung im Orient, 3. die
altere Gesetzgebung im Abendland und ihre prak-
tische Geltung, 4. der Kampf gegen die Majoristen-
ehe, 5, der Abschluß der Gesetzgebung. III. Gelten-
des Recht: 1. Umfang, 2. Inhalt, 3. Rechtsgrund,
4. Sanktion, 5. Dispens. IV. Evangelische Kirche
und moderner Staat.)
I. Begriff. Der Ausdruck „Zölibat“ (coeli-
batus) hat zunächst nur etwas rein Negatives zum
Inhalt, indem er das Vorhandensein einer Ehe
leugnet. Insofern fällt Zölibat mit „Ehelosigkeit“
zusammen (vgl. lex lulia und lex Papia Pop-
paea, die auf Zölibat im Sinn von Ehelosigkeit
sowie auf Kinderarmut Vermögensstrafen setzten).
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