Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Keuschheitsgelübde (professio religiosa) ablegen. 
Ist sie bereits bejahrt und liegt keine Gefahr der 
Unenthaltsamkeit vor, genügt mit päpstlichem In- 
dult (vgl. Benedikt XIV., De Syn. dioec. XIII 
12 Nr16; Hinschius I36f; Wernza. a. O. Nr 127, 
Ile; vgl. aber Scherer 1 342 Nr 52) ein ein- 
faches Keuschheitsgelübde, sei es in einer Kongre- 
gation oder auch nur in die Hände des Bischofs 
(c. 4. 5. 6 X. 3, 32: Nullus coniugatorum 
est ad sacros ordines promovendus, nisi ab 
uxore continentiam profitente fuerit abso- 
lutus. Vgl. auch gl. ad c. un. Kvag. Loh. cit. 
s. V. noverit convenire). Empfängt jemand die 
höheren Weihen ohne die freie Einwilligung der 
Frau oder will sie nach erteiltem Konsens das 
Keuschheitsgelübde nicht ablegen, so muß der 
Mann die Ehe fortsetzen, er wird von dem emp- 
fangenen Ordo suspendiert und zugleich irregulär 
für einen höheren Ordo und unfähig zur Er- 
langung eines geistlichen Amts (c. 1. 5 X. 3, 32; 
„. un. KVag. Loh. cit.). 
3. Rechtsgrund. Daß die Verpflichtung 
zum Zölibat nicht im ius divinum begründet ist, 
sondern auf dem ius humanum, auf der kirch- 
lichen Gesetzgebung beruht, ergibt sich aus der 
Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der 
Zölibatsgesetzgebung. Es ist aber eine alte Kontro- 
verse, ob der eigentliche Rechtsgrund für die Zöli- 
batsverpflichtung, der Rechtstitel der Nichtigkeit 
solcher Ehen, in einem Keuschheitsgelübde 
(votum perfectae castitatis) besteht, das vom 
Ordinanden bei Empfang der höheren Weihen 
abgelegt wird und von der Kirche zu einem votum 
solemnizatum erhoben ist, oder ob er lediglich in 
einem kirchlichen Gesetz liegt, das den Or- 
dinierten zur Ehelosigkeit verpflichtet. Die Be- 
deutung dieser Streitfrage ist eine rein theoretische, 
insofern es sich nur darum handelt, ob unmittel- 
bar durch ein die Ehe irritierendes Gesetz oder erst 
mittelbar durch ein besonderes Keuschheitsgelübde 
die Ehe nichtig, das impedimentum ordinis zu 
einem impedimentum dirimens wird. Eine ein- 
gehende Würdigung des pro und contra in dieser 
Frage, die übrigens auch das Tridentinum nicht 
entscheiden wollte, gehört nicht hierher. Nur kurz 
sei folgendes hervorgehoben. In der morgenländi- 
schen Kirche ist offensichtlich lediglich das kirchliche 
Gesetz der Rechtsgrund für die Zölibatsverpflich- 
tung bzw. die Nichtigkeit der nach der höheren 
Weihe geschlossenen Ehe. Ein Keuschheitsgelübde 
wird, ja darf nach can. 13 der Trullanischen Syn- 
ode von den verheirateten Weihekandidaten nicht 
verlangt werden. In der abendländischen Kirche 
wurde dagegen, wie wir sahen, vielfach die Ab- 
legung eines ausdrücklichen Keuschheitsgelübdes 
gefordert. Solange dies in Ubung stand, beruhte 
allerdings tatsächlich die Zölibatsverpflichtung und 
das impedimentum ordinis auf dem Gelübde 
(vgl. gl. ad c. 6 X. 3, 3 s. v. Votum continen- 
tiae). Ein solches ausdrückliches Gelübde ist aber 
schon seit langem nicht mehr üblich. Jetzt werden 
Zölibat. 
  
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die Weihekandidaten vor Empfang der Subdia- 
konatsweihe nur noch vom Bischof darauf hinge- 
wiesen, daß sie mit der Weihe die Verpflichtung zum 
Zölibat übernehmen, und dann, ohne irgend ein 
Gelübde abzuverlangen, geweiht (vgl. Pontilicale 
Romanum tit. de ordinatione subdiac.). Aber 
auch ein votum tacitum kann nicht angenommen 
werden. Dagegen spricht schon allein der Umstand, 
daß, wie erwähnt, die Verpflichtung zum Zölibat 
auch dann besteht, wenn die Subdiakonatsweihe 
in Unkenntnis von der mit ihr verbundenen Zöli- 
batspflicht oder mit dem stillschweigenden oder 
selbst ausdrücklich abgegebenen Vorbehalt, diese 
Verpflichtung nicht übernehmen zu wollen, emp- 
fangen wird; und wollte man ein stillschweigendes 
Gelübde annehmen, das notwendig und ohne 
weiteres mit dem Empfang einer höheren Weihe 
verbunden wäre, dann wäre der oben angeführte 
Rechtszustand nicht zu erklären, daß jemand, weil 
unwissentlich, unter Furcht oder Zwang oder in 
unmündigem Alter geweiht, zwar diese höhere 
Weihe gültig, wenn auch unerlaubt, empfangen 
hat, aber gleichwohl nicht zum Zölibat verpflichtet 
ist. Nicht mit Unrecht hat man noch darauf hin- 
gewiesen, daß während nach früherem Recht die 
Ordensprofeß und damit das feierliche Keusch- 
heitsgelübde auch stillschweigend abgelegt werden 
konnte (vgl. c. un. in VI/ 3, 15), dies nach 
dem geltenden Recht (vgl. insbesondere Deer. 
S. Congr. super statu regul. vom 17. Juli 1858) 
nicht mehr möglich ist. Auf Grund all dieser Er- 
wägungen halten von neueren Schriftstellern nur 
noch wenige an jener Auffassung, der Rechtsgrund 
für die Zölibatsverpflichtung und das trennende 
Ehehindernis liege in einem stillschweigenden 
votum castitatis, fest, so Benedikt XIV. (De 
Synod. dioec. XII 4, n. 2), Freisen (Geschichte 
des kanonischen Eherechts (18887 760 ff), Läm- 
mer (Institutionen des katholischen Kirchenrechts 
1:!18921] 532) und vor allem neuestens Wernz 
(a. a. O. 1 Nr 201, II; IV /(1904] Nr 392 #ö. 
Die sententia communis entscheidet sich da- 
gegen für die unmittelbare lex ecclesiastica als 
Rechtsgrund für den Zölibat, so, um nur einige 
anzuführen, Hinschius (a. a. O. 1 159), Scherer 
(Kirchenrecht I 393; II 367 f). Esmein (Le ma- 
riage en droit can. II 18911 240 ff), Schnitzer 
(Eherecht (1898) 468 ff), Leitner (Eherecht (1902) 
199 ff), Laurin (a. a. O. 172 ff), Gaugusch (Das 
Ehehindernis der höheren Weihe [1902] 47 ff), 
Stampfl (Verpflichtungsgrund des Zölibats usw., 
in Weidenauer Studien 11 (1908] 133 ff). 
4. Sanktion. Zur Durchführung des Zöli- 
batsgebots dienen folgende Vorschriften. In den 
Kirchen des Orients wird die nach Empfang der 
Subdiakonatsweihe versuchte Eheschließung, wie 
oben dargelegt, mit Absetzung bestraft, die etwaigen 
Kinder aus dieser Verbindung sind illegitim. In 
der abendländischen Kirche macht der Versuch, eine 
Ehe einzugehen und zu vollziehen, den höheren 
Kleriker ex bigamia similitudinaria irregulär,
	        
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