1329
Keuschheitsgelübde (professio religiosa) ablegen.
Ist sie bereits bejahrt und liegt keine Gefahr der
Unenthaltsamkeit vor, genügt mit päpstlichem In-
dult (vgl. Benedikt XIV., De Syn. dioec. XIII
12 Nr16; Hinschius I36f; Wernza. a. O. Nr 127,
Ile; vgl. aber Scherer 1 342 Nr 52) ein ein-
faches Keuschheitsgelübde, sei es in einer Kongre-
gation oder auch nur in die Hände des Bischofs
(c. 4. 5. 6 X. 3, 32: Nullus coniugatorum
est ad sacros ordines promovendus, nisi ab
uxore continentiam profitente fuerit abso-
lutus. Vgl. auch gl. ad c. un. Kvag. Loh. cit.
s. V. noverit convenire). Empfängt jemand die
höheren Weihen ohne die freie Einwilligung der
Frau oder will sie nach erteiltem Konsens das
Keuschheitsgelübde nicht ablegen, so muß der
Mann die Ehe fortsetzen, er wird von dem emp-
fangenen Ordo suspendiert und zugleich irregulär
für einen höheren Ordo und unfähig zur Er-
langung eines geistlichen Amts (c. 1. 5 X. 3, 32;
„. un. KVag. Loh. cit.).
3. Rechtsgrund. Daß die Verpflichtung
zum Zölibat nicht im ius divinum begründet ist,
sondern auf dem ius humanum, auf der kirch-
lichen Gesetzgebung beruht, ergibt sich aus der
Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der
Zölibatsgesetzgebung. Es ist aber eine alte Kontro-
verse, ob der eigentliche Rechtsgrund für die Zöli-
batsverpflichtung, der Rechtstitel der Nichtigkeit
solcher Ehen, in einem Keuschheitsgelübde
(votum perfectae castitatis) besteht, das vom
Ordinanden bei Empfang der höheren Weihen
abgelegt wird und von der Kirche zu einem votum
solemnizatum erhoben ist, oder ob er lediglich in
einem kirchlichen Gesetz liegt, das den Or-
dinierten zur Ehelosigkeit verpflichtet. Die Be-
deutung dieser Streitfrage ist eine rein theoretische,
insofern es sich nur darum handelt, ob unmittel-
bar durch ein die Ehe irritierendes Gesetz oder erst
mittelbar durch ein besonderes Keuschheitsgelübde
die Ehe nichtig, das impedimentum ordinis zu
einem impedimentum dirimens wird. Eine ein-
gehende Würdigung des pro und contra in dieser
Frage, die übrigens auch das Tridentinum nicht
entscheiden wollte, gehört nicht hierher. Nur kurz
sei folgendes hervorgehoben. In der morgenländi-
schen Kirche ist offensichtlich lediglich das kirchliche
Gesetz der Rechtsgrund für die Zölibatsverpflich-
tung bzw. die Nichtigkeit der nach der höheren
Weihe geschlossenen Ehe. Ein Keuschheitsgelübde
wird, ja darf nach can. 13 der Trullanischen Syn-
ode von den verheirateten Weihekandidaten nicht
verlangt werden. In der abendländischen Kirche
wurde dagegen, wie wir sahen, vielfach die Ab-
legung eines ausdrücklichen Keuschheitsgelübdes
gefordert. Solange dies in Ubung stand, beruhte
allerdings tatsächlich die Zölibatsverpflichtung und
das impedimentum ordinis auf dem Gelübde
(vgl. gl. ad c. 6 X. 3, 3 s. v. Votum continen-
tiae). Ein solches ausdrückliches Gelübde ist aber
schon seit langem nicht mehr üblich. Jetzt werden
Zölibat.
1330
die Weihekandidaten vor Empfang der Subdia-
konatsweihe nur noch vom Bischof darauf hinge-
wiesen, daß sie mit der Weihe die Verpflichtung zum
Zölibat übernehmen, und dann, ohne irgend ein
Gelübde abzuverlangen, geweiht (vgl. Pontilicale
Romanum tit. de ordinatione subdiac.). Aber
auch ein votum tacitum kann nicht angenommen
werden. Dagegen spricht schon allein der Umstand,
daß, wie erwähnt, die Verpflichtung zum Zölibat
auch dann besteht, wenn die Subdiakonatsweihe
in Unkenntnis von der mit ihr verbundenen Zöli-
batspflicht oder mit dem stillschweigenden oder
selbst ausdrücklich abgegebenen Vorbehalt, diese
Verpflichtung nicht übernehmen zu wollen, emp-
fangen wird; und wollte man ein stillschweigendes
Gelübde annehmen, das notwendig und ohne
weiteres mit dem Empfang einer höheren Weihe
verbunden wäre, dann wäre der oben angeführte
Rechtszustand nicht zu erklären, daß jemand, weil
unwissentlich, unter Furcht oder Zwang oder in
unmündigem Alter geweiht, zwar diese höhere
Weihe gültig, wenn auch unerlaubt, empfangen
hat, aber gleichwohl nicht zum Zölibat verpflichtet
ist. Nicht mit Unrecht hat man noch darauf hin-
gewiesen, daß während nach früherem Recht die
Ordensprofeß und damit das feierliche Keusch-
heitsgelübde auch stillschweigend abgelegt werden
konnte (vgl. c. un. in VI/ 3, 15), dies nach
dem geltenden Recht (vgl. insbesondere Deer.
S. Congr. super statu regul. vom 17. Juli 1858)
nicht mehr möglich ist. Auf Grund all dieser Er-
wägungen halten von neueren Schriftstellern nur
noch wenige an jener Auffassung, der Rechtsgrund
für die Zölibatsverpflichtung und das trennende
Ehehindernis liege in einem stillschweigenden
votum castitatis, fest, so Benedikt XIV. (De
Synod. dioec. XII 4, n. 2), Freisen (Geschichte
des kanonischen Eherechts (18887 760 ff), Läm-
mer (Institutionen des katholischen Kirchenrechts
1:!18921] 532) und vor allem neuestens Wernz
(a. a. O. 1 Nr 201, II; IV /(1904] Nr 392 #ö.
Die sententia communis entscheidet sich da-
gegen für die unmittelbare lex ecclesiastica als
Rechtsgrund für den Zölibat, so, um nur einige
anzuführen, Hinschius (a. a. O. 1 159), Scherer
(Kirchenrecht I 393; II 367 f). Esmein (Le ma-
riage en droit can. II 18911 240 ff), Schnitzer
(Eherecht (1898) 468 ff), Leitner (Eherecht (1902)
199 ff), Laurin (a. a. O. 172 ff), Gaugusch (Das
Ehehindernis der höheren Weihe [1902] 47 ff),
Stampfl (Verpflichtungsgrund des Zölibats usw.,
in Weidenauer Studien 11 (1908] 133 ff).
4. Sanktion. Zur Durchführung des Zöli-
batsgebots dienen folgende Vorschriften. In den
Kirchen des Orients wird die nach Empfang der
Subdiakonatsweihe versuchte Eheschließung, wie
oben dargelegt, mit Absetzung bestraft, die etwaigen
Kinder aus dieser Verbindung sind illegitim. In
der abendländischen Kirche macht der Versuch, eine
Ehe einzugehen und zu vollziehen, den höheren
Kleriker ex bigamia similitudinaria irregulär,