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doch kann er vom Bischof nach erfolgter Buße,
falls kein öffentliches Argernis vorliegt und die
Eheschließung nur mit einer Person, und zwar
einer Jungfrau versucht wurde, Dispens erlangen
(c. 1. 2 X. 4, 6). Etwaige der Verbindung ent-
sprungene Kinder sind illegitim (c. 6 X. 3, 3;
. 14 X. 1, 17). Des weiteren ist die Strafe der
Suspension und Exkommunikation verwirkt, die
nunmehr nicht erst durch ein besonderes Urteil aus-
gesprochen zu werden braucht (so c. 1 X. 3, 3;
. un. in Clem. 4, 1), sondern ipso facto ein-
tritt und dem Bischof reserviert ist (Pius IX.,
Const. „Apostolicae Sedis“ vom 12. Okt. 1869
III 1). Ubrigens wird diese Exkommunikation
auch bei der Schließung der bloßen Zivilehe in-
kurriert (S. C. Inquis. 22. Dez. 1880; 23. Jan.
1892). Verlust der Benefizien tritt jedoch nicht
ipso facto ein, kann aber durch Urteil als be-
sondere Strafe vor allem bei Hartnäckigkeit und
Fortsetzung der elichen Verbindung ausgesprochen
werden (c. 1 X. 3, 3; c. 4 X. 3, 2; Trid.
sess. XXIV de ref. c. 14). Desgleichen gehen
die Standesprivilegien insbesondere das priv.
canonis und fori nicht ipso jure verloren (c. 1,
cit.). — Da für die Benefiziaten mit niederen
Weihen nur ein relatives Eheverbot in dem dar-
gelegten Sinn besteht, ist eine besondere Sanktion
nicht erforderlich. Der ipso iuro eintretende Ver-
lust des Benefiziums trägt daher auch nicht den
Charakter einer Strafe, sondern ist nur eine Maß-
regel, um das Kirchengut seinem Zweck nicht zu
entfremden.
5. Dispens. Der Zölibat beruht auf kirch-
lichem, nicht göttlichem Gebot. Infolgedessen kann
die Kirche, näherhin, weil die Zölibatsverpflich-
tung auf dem ius commune beruht, der Papst
von ihr und dem ihr anhängenden Ehehindernis
dispensieren. Er übt diese Dispensgewalt jetzt aus
in foro interno durch die S. Poenitentiaria, in
foro externo durch die S. Congregatio de
disciplina sacramentorum (Pius X., Const.
„Sapienti concilio“ vom 29. Juni 1908). Doch
ist neuerdings den Bischöfen die Befugnis ge-
währt, vom impedimentum ordinis subdia-
Zölibat.
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Dispensen mit dem Erfolg, daß der betreffende
Majorist die Ausübung von Weihe und Amt auf-
geben und eine Ehe eingehen und in ihr leben
kann, sind außer den Fällen in articulo mortis
in der Tat mehrfach erfolgt, jedoch nie bei Bi-
schöfen. Die hierfür angeführten Beispiele be-
treffen Personen, die zwar ein Bistum verwalteten,
aber noch vor Empfang der Bischofsweihe dispen-
siert wurden (ugl. Hinschius I 160, Nr 10. Auch
Talleyrand wurde am 29. Juni 1802 nur Leisie-
rung, nicht aber Ehedispens gewährt. Vgl. Wernz
a. a. O. Nr 396 A. 66; Matthieu, Le con-
cordat de 1801 (21904] App. III). Der be-
kannteste Fall ist die Dispens des Diakons Kasi-
mir, des Enkels von Boleslaw Chrobry im Jahr
1033, um das polnische Königsgeschlecht fortzu-
pflanzen. Auch generelle Dispensationen sind er-
folgt, so zur Zeit Marias der Katholischen 1554
für die verheirateten englischen Kleriker, 1801 für
die französischen Geistlichen, die in der Revolu-
tionszeit sich verehelicht batten, (ogl. Hinschius
a. a. O.; Wernz a. a. O. A. 67#Fh.
IV. Evangelische Kirche und moderner
Staat. Nachdem Luther, Zwingli und
Kalvin die Lehre der katholischen Kirche von der
Verdienstlichkeit der Virginität verneint hatten,
verwarfen sie mit der Negierung des sakramen-
talen Charakters des Ordo und der Ehe auch den
Zölibat und das hieraus fließende Eheverbot
(ogl. Conf. Aug. art. 23 und Apologia art. 6;
Conf. Helvet. I, art. 37; II, art. 29; Conk.
Anglic. art. 8 u. 24). Demgemäß kennen die
protestantischen Kirchen die Zölibatsverpflichtung
und das impedimentum ordinis nicht mehr. —
Auch die Altkatholiken Deutschlands haben
auf der 5. Synode (12./14. Juni 1878) den Zö-
libat verworfen. — Bis in das 19. Jahrh. hinein
haben die Staatsgesetzgebungern die Zöli-
batsgesetze durchweg anerkannt. Infolgedessen
wurde auch zu deren Durchführung den kirchlichen
Organen die weltliche Gewalt zur Verfügung ge-
stellt. Im 19. Jahrh. machten sich aber, wie er-
wähnt, wiederholt Strömungen geltend, welche
die Regierungen veranlassen wollten, das Zölibats-
conatus und diaconatus, nicht aber presbyte- gebot aufzuheben. Diese Bestrebungen gingen aber,
ratus bei Personen zu dispensieren, die in der wie allgemein anerkannt, von der falschen, noch
Zivilehe oder im Konkubinat leben, falls eine von unter dem Einfluß der Aufklärungsperiode stehen-
ihnen in Todesgefahr schwebt und nach Rom nicht den Voraussetzung aus, daß dem Staat das Recht
mehr rekurriert werden kann; doch ist über die er= zustehe, den Zölibat als bloßes Disziplinargesetz
folgte Dispensation Bericht zu erstatten (8. C. der Kirche einseitig aufzuheben. Besitzt schon an
Oftic. 20. Febr. 1888). Es soll damit die Mög= sich die Kirche das Recht, die Bedingungen fest-
lichkeit gewährt werden, eine kirchlich gültige Ehe zusetzen, unter welchen sie ihre Diener und Be-
herzustellen. Eine Legitimierung der etwaigen amten, die Kleriker, Benefiziaten usw. anstellen
Kinder erfolgt jedoch nicht (S. C. Offic. 8. Juli wil, so muß dies um so mehr von den Staaten
1903). Abgesehen von diesem Fall kann eine anerkannt werden, welche der katholischen Kirche
Dispens vom Zölibat und dem Ehehindernis nur in ihrem Gebiet die Befugnis zusprechen, ihr
aus gewichtigen Gründen erfolgen, vor allem im Leben nach ihren eignen Gesetzen zu regeln. Und
Interesse von Staat und Kirche, ausnahmsweise, selöst die Ausübung eines noch so strengen Auf-
privaten Interesse, wenn ganz besondere Gründe mals aber zu positiven, in die innerkirchlichen
vorliegen (so Wernz a. a. O. IV. Nr 397). Solche Verhältnisse selbst eingreifenden Anordnungen